Medizin
Wissenschaftler legen Stellungnahme zur Herausgabe genomischer Rohdaten vor
Freitag, 3. Januar 2020
Heidelberg – Einen Handlungsleitfaden zur Herausgabe genomischer Rohdaten an Patienten und Studienteilnehmende hat die Projektgruppe „Ethische und Rechtliche Aspekte der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms“ (EURAT) in Heidelberg erstellt.
Der Gruppe gehören Wissenschaftler des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, des Universitätsklinikums Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Universität Heidelberg an.
„Die Analyse des Erbguts im Rahmen von Studien hat das Verständnis von Krebserkrankungen revolutioniert und kann neue Ansatzpunkte für zielgerichtete Behandlungen liefern“, erläutern die Wissenschaftler. Sie betonen, genomische Rohdaten seien klar von Befunden und Zusatzbefunden abzugrenzen. Diese beinhalteten validierte, von Experten interpretierte, gesundheitsrelevante Informationen aus Sequenzieranalysen.
„Im Gegensatz dazu erhalten Studienteilnehmende durch die Aushändigung genomischer Rohdaten eine frühere Stufe der Datenverarbeitung“ erläutern die Autoren. Der Einzelne könne ohne Interpretation durch Spezialisten mit diesen Erbgutdaten jedoch „wenig anfangen“.
Trotzdem kämen zunehmend Patienten und Studienteilnehmende auf Ärzte und Wissenschaftler zu und verlangten die Herausgabe der genomischen Rohdaten, zum Beispiel aus einem Tumorgewebe. Wichtig ist laut den Autoren des Leitfadens, dass die Studienteilnehmenden über die Eigenschaften roher genomischer Daten und die Risiken, die mit einer Nutzung der Rohdaten verbunden sein können, informiert werden.
Heidelberger Forscher geben Empfehlungen und warnen vor kommerziellen Interessen
„Die Empfehlungen für den Herausgabeprozess der genetischen Rohdaten sollen Studienteilnehmende zu einem informierten Umgang mit ihrem Recht auf Datenherausgabe und zu einem kompetenten Umgang mit ihren eigenen Daten befähigen“, sagte Eva Winkler, Professorin für translationale Medizinethik am NCT und dem Universitätsklinikum Heidelberg.
Primär solle dabei das grundsätzliche Recht der Studienteilnehmenden auf Herausgabe einer Kopie der genomischen Rohdaten gewährleistet werden, heißt es in den Empfehlungen. Die Autoren verweisen aber auch auf die Verantwortlichkeiten der Studienteilnehmenden für mögliche negative Auswirkungen, Schädigungen durch die Entgegennahme und Nutzung der Rohdaten sollten transparent festgelegt werden. Vor der Herausgabe der Daten sollte von ihnen daher verlangt werden, dass sie eine Erklärung unterzeichnen, in der sie sich nach Herausgabe für ihre Daten verantwortlich bekennen.
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Auch Blutsverwandte könnten betroffen sein, wenn Studienteilnehmende zum Beispiel ihre Keimbahnsequenzdaten mit Personenbezug zugänglich machen würden, warnen die Autoren aus Heidelberg. Durch diesen Prozess könnte die Gefahr einer genetischen Diskriminierung konkret werden. Ein Risiko sehen die Heidelberger Forscher insbesondere bei kommerziellen Anbietern von Sequenzanalysen. Sie könnten auch eigene Interessen an den Daten haben, die über die Wünsche und Fragestellungen der Studienteilnehmenden hinausgehen. Über die Missbrauchsgefahr müsse daher ausführlich informiert werden, fordern die Autoren.
„In den modernen Lebenswissenschaften und der medizinischen Forschung ist die gesellschaftliche Verantwortung besonders offensichtlich, da neue Forschungsergebnisse geeignet sind, Hoffnungen auf Linderung, Heilung und Verbesserung der Lebensqualität von kranken oder mit Einschränkungen lebenden Menschen zu wecken“, sagte Bernhard Eitel, Rektor der Universität Heidelberg. Die Stellungnahme setze die Rechte von Patienten in Beziehung zu den Aufklärungs- und Informationspflichten der Ärzte und Wissenschaftler und entwickle daraus ein angemessenes Gesamtverfahren, betonte er. © hil/gie/aerzteblatt.de
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