Ausland
EU-Parlament verlängert Übergangsfristen für Medizinprodukte niedriger Risikoklassen
Mittwoch, 18. Dezember 2019
Berlin – Das Europäische Parlament hat die Übergangsfristen für die Rezertifizierung von Medizinprodukten der niedrigsten Risikoklasse I bis zum Jahr 2024 verlängert, die nach der neuen Medizinprodukte-Verordnung der Europäischen Union (EU) in die höhere Risikoklasse Ir eingestuft wurden.
Betroffen sind zum Beispiel wiederverwendbare chirurgische Instrumente, die die Hersteller bislang selbst zertifizieren konnten und die jetzt ein Zertifikat einer sogenannten Benannten Stelle wie TÜV oder Dekra benötigen. Die 58 Benannten Stellen, die bislang in der EU tätig waren, müssen aber nach der neuen Verordnung ebenfalls einen Zertifizierungsprozess durchlaufen. Bislang sind erst acht nach neuem Recht bestätigt.
Die Fristverlängerung sei ein wichtiger Schritt, um Engpässe in der Patientenversorgung zu vermeiden, hieß es aus dem Bundesverband Medizintechnologie (BVMed). Ein Sprecher kritisierte, es sei „sehr ambitioniert“, die Rezertifizierung sämtlicher Medizinprodukte vorzuschreiben und zeitgleich die Prüfstellen neu zu bewerten.
Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion EVP – Christdemokraten im Europäischen Parlament, Peter Liese (CDU), sagte, die Entscheidung einer Fristverlängerung für Produkte der Risikoklasse Ir sei im Sinne der Patienten- und Versorgungssicherheit richtig.
Das Risiko, das beispielsweise von Skalpellen ausgehe, sei so gering, dass eine Fristverlängerung gerechtfertigt sei, damit sich die wenigen Prüfstellen auf die Hochrisikoprodukte konzentrieren könnten. Denn bei Brustimplantaten oder Herzschrittmachern dürfe und werde es keine Verzögerung bei der Umsetzung der Medizinprodukte-Verordnung geben, betonte Liese.
30 Prozent der Produkte könnten vom Markt verschwinden
Von deutscher Seite hatten sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) in Brüssel für eine Fristverlängerung eingesetzt. In Baden-Württemberg sind einige betroffene Medizinprodukte-Unternehmen angesiedelt. „Unser Einsatz hat sich gelohnt“, sagte Hoffmeister-Kraut zur Korrektur des EU-Parlaments.
„Die Änderungen tragen maßgeblich zur Sicherung der Existenz vieler kleiner und mittlerer Medizintechnikunternehmen in Baden-Württemberg bei und gewährleisten die Versorgung von Patienten mit wichtigen Medizinprodukten.“
Die Mitgliedsunternehmen im BVMed schätzen laut einer Umfrage, dass aufgrund der zusätzlichen Anforderungen durch die neue Medizinprodukte-Verordnung zehn Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie 30 Prozent der Produkte vom Markt verschwinden werden.
Nach der EU-Medizinprodukte-Verordnung, die 2016 verabschiedet wurde und die ab dem 26. Mai 2020 in den EU-Mitgliedstaaten wirksam wird, müssen alle Medizinprodukte bis dahin neu zertifiziert werden, auch diejenigen Produkte, die sich bereits länger auf dem Markt befinden.
Ausnahmen gelten für Medizinprodukte der niedrigen Risikoklasse I, die entweder steril (Is) sind oder eine Messfunktion (Im) haben sowie für Produkte höherer Risikoklassen (IIa und b sowie III). Diese können sich noch bis Mai 2020 nach altem Recht zertifizieren lassen. Es gilt eine Übergangsfrist von maximal vier Jahren nach der letzten Zertifizierung.
Mit der neuen Verordnung zogen EU-Kommission, Rat und Europäisches Parlament die Konsequenz aus Skandalen der Vergangenheit. Europaweit für Schlagzeilen hatte zum Beispiel 2010 das französische Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP) gesorgt, weil es für Brustimplantate statt Spezialsilikon billiges und möglicherweise gesundheitsschädliches Industriesilikon verwendet hatte. © HK/aerzteblatt.de

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