Medizin
Vorhofflimmern: Alkoholabstinenz vermeidet Rezidive in klinischer Studie
Freitag, 3. Januar 2020
Melbourne – Der weitgehende Verzicht auf alkoholische Getränke hat in einer randomisierten Studie im New England Journal of Medicine (2020; 382: 20-28) bei Patienten, die wegen eines Vorhofflimmerns in Behandlung waren, die Anzahl und die Dauer der Herzrhythmusstörungen signifikant gesenkt.
Alkoholische Getränke gehören neben Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Schlafapnoe und Bewegungsmangel zu den modifizierbaren Risikofaktoren des Vorhofflimmerns, der mit Abstand häufigsten Herzrhythmusstörung. Die Assoziationen waren in epidemiologischen Studien dosisabhängig: Mit jedem alkoholischen Getränk pro Tag steigt das Risiko um 8 %. Personen, die täglich 4 oder mehr alkoholische Getränke konsumieren, haben laut einer Metaanalyse ein um 47 % erhöhtes Erkrankungsrisiko (JACC 2014; 64: 281-289).
Kardiologen des Alfred Hospitals in Melbourne haben jetzt in einer randomisierten Studie untersucht, ob der Verzicht auf Alkohol die Behandlung des Vorhofflimmerns unterstützen kann. An der Studie nahmen 140 Patienten teil, die wegen eines Vorhofflimmerns in Behandlung waren. Bei 2/3 trat das Vorhofflimmern anfallsweise auf, das andere Drittel litt unter dauerhaftem Vorhofflimmern. Bei allen Patienten war es den Ärzten gelungen, durch Ablation oder mit Medikamenten einen Sinusrhythmus zu erzielen. Die klinische Erfahrung zeigt jedoch, dass der Behandlungserfolg selten von Dauer ist.
Die Hälfte der Patienten wurde gebeten, in den nächsten 6 Monaten völlig auf Alkohol zu verzichten. Dies schafften immerhin 61 % der Patienten. In der Gesamtgruppe wurde der Alkoholkonsum erfolgreich von 16,8 auf 2,1 Standardgetränke pro Woche gesenkt, was einer Reduzierung um 87,5 % entspricht. In der Kontrollgruppe ging der Alkoholkonsum nur von 16,4 auf 13,2 Drinks pro Woche oder 19,5 % zurück.
Primärer Endpunkt der Studie war einmal der Anteil der Patienten, die frei von erneuten Phasen eines Vorhofflimmerns blieben, und zum anderen die Krankheitslast, definiert als die Dauer der Episoden im Verhältnis zur Studiendauer.
Die Episoden des Vorhofflimmerns wurden bei 1/3 der Patienten durch ein implantiertes Messgerät („Loop-Rekorder“ oder Herzschrittmacher) aufgezeichnet, die anderen wurden aufgefordert, mehrmals täglich mit Smartphone und Zusatzgerät ein Kurz-EKG aufzuzeichnen.
zum Thema
- Studie im NEJM 2020
- Registrierung der Studie
- Metaanalyse zu Alkohol als Risikofaktor für das Vorhofflimmern
aerzteblatt.de
Wie das Team um Peter Kistler jetzt berichtet, kam es in der Abstinenzgruppe bei 37 von 70 Patienten (53 %) zu mindestens einem Rezidiv des Vorhofflimmerns gegenüber 51 von 70 Patienten (73 %) in der Kontrollgruppe. Kistler ermittelt für die Dauer bis zum 1. Rezidiv eine Hazard Ratio von 0,55, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,36 bis 0,84 signifikant war. Die Krankheitslast wurde ebenfalls gesenkt. In der Abstinenzgruppe befanden sich die Patienten zu 0,5 % der Zeit im Vorhofflimmern (Interquartilbereich 0,0 bis 3,0 %) gegenüber 1,2 % der Zeit (Interquartilbereich 0,0 bis 10,3) in der Kontrollgruppe. Der Unterschied war ebenfalls signifikant (P = 0,01).
Auf welche Weise der Alkoholverzicht vor dem erneuten Vorhofflimmern schützt, ist unklar. Der Verzicht auf den Alkoholkonsum war in der Studie mit einem Rückgang des Körpergewichts um 3,7 kg (2,5 bis 4,8 kg) verbunden. Außerdem kam es zu einem tendenziellen Rückgang des systolischen und diastolischen Blutdrucks. Auch der häufigere Verzicht auf ein exzessives Trinken („Binge“-Episoden) könnte laut Kistler eine Rolle gespielt haben.
Ein spürbarer Vorteil der Alkoholabstinenz war ein Rückgang der Symptome, unter denen nur 19 % der Patienten litten gegenüber 32 % in der Kontrollgruppe. Ob dies die Patienten auf Dauer motivieren kann, ihren Alkoholkonsum einzuschränken, erscheint angesichts des tief in der westlichen Kultur verwurzelten Alkoholkonsums zweifelhaft. Ob der Verzicht auf Alkohol die Patienten langfristig vor Schlaganfällen oder anderen Folgen des Vorhofflimmerns schützt, könnte nur in Langzeituntersuchungen mit einer weitaus größeren Teilnehmerzahl ermittelt werden. © rme/aerzteblatt.de
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