Politik
Qualitätsinstitut gegen Prostatakrebs-Screening mittels PSA-Test
Montag, 6. Januar 2020
Köln – Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) senkt beim Prostatakrebs-Screening erneut den Daumen. Der Bluttest, bei dem das prostataspezifische Antigen (PSA) bestimmt wird, um Hinweise auf einen bösartigen Tumor der Prostata zu erhalten, bringe als Screeningverfahren mehr Schaden als Nutzen, lautet das Urteil Das Institut legt jetzt den Vorbericht vor, zu dem bis zum 3. Februar 2020 Stellungnahmen entgegengenommen werden.
Im Jahr 2016 erkrankten laut Angaben des Robert Koch-Institutes in Deutschland 58 780 Männer an Prostatakrebs, 14 417 starben daran. Dieser Krebs ist mit mehr als 25 % der häufigste Tumor bei Männern und steht nach Lungen- und Darmkrebs an 3. Stelle bei den Krebstodesursachen der Männer.
Das PSA-Screening (mit PSA-Cut-off-Wert < 4 ng/ml) führt zu einer statistisch signifikanten Verringerung der prostatakarzinomspezifischen Mortalität im Vergleich zu keinem Screening. Bei der Gesamtmortalität zeigte sich kein signifikanter Vorteil. Der Anteil der Prostatakarzinomtode an den Toden jeglicher Ursache war gering und betrug in einer der Analysen nur etwa 3 %. Da ohnehin die meisten Männer älter sind (im Median 72 Jahre) ist sowohl denkbar, dass Männer, die vor dem Tod an einem Prostatakarzinom bewahrt werden, zu einem vergleichbaren Zeitpunkt an einer anderen Ursache sterben, als auch, dass diese Männer länger leben. Das Screening erspart Männern allerdings eine Belastung durch eine metastasierte Krebserkrankung oder verzögert sie zeitlich.
Weiterhin sei es denkbar, dass es Männer gebe, die vom Screening profitierten, weil eine frühere Therapie mit weniger Nebenwirkungen verbunden ist als eine spätere – und die Nebenwirkungen der früheren Therapie nicht lang anhaltend sind. Allerdings liegen weder zu unerwünschten Ereignissen noch zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität Ergebnisse vor, sodass dazu keine Aussagen möglich sind.
Den Vorteilen stellt das IQWiG den potenziellen Schaden eines PSA-Screenings gegenüber, da es zu Überdiagnosen und falsch-positiven Screeningbefunden kommt. Den Männern entstehen Belastungen durch eine unnötige Prostatabiopsie und nicht erforderliche Behandlungen. Mögliche Komplikationen einer operativen Therapie sind Impotenz und Inkontinenz. Eine dauerhafte Inkontinenz müssen beispielsweise zusätzlich 3 von 1 000 Männern befürchten.
Falsch-positive Ergebnisse schaden, weil sie unnötig Angst machen und überflüssige Prostatabiopsien nach sich ziehen. Bei 22 bis 26 % der Screeningteilnehmer wird trotz positivem PSA-Test kein Prostatakarzinom bestätigt. Nach Prostatabiopsien traten in den Studien bei etwa 2 % Komplikationen auf.
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In einer kritischen Würdigung der Auswertung räumen die Autoren des IQWiG ein, dass vergleichbare Reviews den Schaden deutlich geringer ansetzen: In einer Arbeit aus dem letzten Jahr wird zum Beispiel das Überdiagnoserisiko auf 7 pro 1 000 eingeladene Männer geschätzt, während es das IQWiG im vorliegenden Bericht auf 35 bis 60 pro 1 000 eingeladene Männer beziffert. Nach Abwägung von Nutzen und Schaden komme man gleichwohl zu dem Ergebnis, dass wegen Überdiagnosen ein PSA-Screening deutlich mehr schade als nütze, teilt das Institut mit.
Warnung vor Bagatellisierung
Urologen der Universitätsklinik Homburg-Saar warnten indes unlängst davor, bei der Entscheidung für oder gegen das PSA-Screening nur die Schattenseiten von Überdiagnostik und Übertherapie ins Kalkül zu ziehen. Auch „das vermeidbare hohe persönliche Leid, verursacht durch jahrelanges Siechtum“, sei zu berücksichtigen.
Sie beobachteten in einem Vergleich von Patienten aus den Jahren 2008 bis 2010 mit jenen aus 2017 einen Shift hin zu weiter fortgeschrittenen Tumorstadien. T3-Tumore hatten zum Beispiel signifikant von 29 auf 49,4 % zugenommen, die Zahl der Patienten mit lymphonodaler Metastasierung war sogar 4-fach höher (4,5 % vs. 16,9 %).
Sie vermuten einen der Gründe darin, dass das PSA-Sceening negativ bewertet würde und immer mehr Männer darauf verzichteten. Der Rückgang würde mit einer höheren Zahl von Tumoren bezahlt, die nicht mehr kurativ behandelt werden könnten. Die Homburger Ärzte verweisen außerdem auf die erwartbar hohen Kosten, da beispielsweise bei der Therapie des kastrationsresistenten Tumors mit 140 000 Euro pro Jahr zu rechnen sei. © mls/aerzteblatt.de

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