Ärzteschaft
Intensivmediziner wollen Änderungen am Gesetz zur Organ- und Gewebespende
Mittwoch, 22. Januar 2020
Berlin – Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hat Nachbesserungen am in der vergangenen Woche beschlossene Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei einer Organ- und Gewebespende gefordert. Nach Ansicht der Vereinigung gibt es an einem ganz entscheidenden Punkt einen Fehler. Demnach müsse der Zeitpunkt der Einsichtnahme in das Register verändert werden.
„Die Einsichtnahme in ein zukünftiges Register erst nach Feststellung eines irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (IHA) ist nicht praktikabel und widerspricht der gelebten Praxis der Patientenautonomie“, sagte Klaus Hahnenkamp, Sprecher der Sektion Organspende und Organtransplantation der DIVI.
Ihm zufolge kann der Ablauf einer Organspende in die Zeiträume vor der Feststellung des IHA und nach der Feststellung eingeteilt werden. In der ersten Phase erkenne das Team aus den intensivmedizinisch behandelnden Ärzten, dass für einen Patienten keine Aussicht auf Heilung mehr besteht und dieser Patient ohne Spontanatmung mit akuter primärer oder sekundärer Hirnschädigung als Organspender in Betracht kommt.
„Dieser Zeitraum vor Feststellung des IHA erscheint uns wesentlich komplizierter und entscheidender für die Verwirklichung von Organspenden“, so Hahnenkamp. In dieser Phase werden laut DIVI 30 Prozent der Visitenzeit auf einer deutschen Intensivstation für den Themenkomplex Therapielimitierung, Behandlungswillen und -auftrag aufgewendet. „Bei uns stehen die Patientenautonomie und der Patientenwillen im Zentrum einer patientenzentrierten Versorgung und Betreuung“, verweist Hahnenkamp.
Grundsätzlich stelle sich daher bei einem Patienten mit einer erwarteten oder vermuteten IHA die Frage, ob die Weiterführung intensivmedizinischer Maßnahmen bis zur Feststellung des IHA überhaupt vom Patientenwillen gedeckt sei. „Denn alle intensivmedizinischen Maßnahmen dienen zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr dem Zweck der Gesundung des Patienten, sondern einem Fremdzweck – der Spende von Organen“, sagte Hahnenkamp.
Die Realisierung einer Organspende sei ohne die Aufrechterhaltung intensivmedizinischer Maßnahmen unmöglich, weil ohne diese Behandlungsmaßnahmen eine ausreichende Durchblutung der Organe nicht mehr sichergestellt wäre.
„Ergibt aber die Einsichtnahme in das geplante Register, dass der Patient eine Organspende ablehnt, würden die intensivmedizinischen Maßnahmen an diesem Punkt beendet und ein palliatives Konzept mit Sterbebegleitung umgesetzt werden“, erklärte Hahnenkamp den Ablauf der Behandlung. Der Zeitpunkt der Einsichtnahme sei also wesentlich.
Das Selbstbestimmungsrecht eines Patienten ist laut DIVI ein hohes und verpflichtendes Gut. „Die Einsichtnahme in ein zukünftiges Register erst nach Feststellung des Todes als Folge des IHA ist nicht praktikabel und widerspricht einem spenderzentrierten Vorgehen unter Berücksichtigung der elementar wichtigen Patientenautonomie und der gelebten Praxis in der Intensivmedizin“, betonte DIVI-Präsident Uwe Janssens.
Die DIVI hat deshalb gefordert, den Zeitpunkt der Einsichtnahme in das Register in der jetzt folgenden, weiteren Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes vorzuverlegen – auf den Zeitpunkt des mutmaßlichen Hirnfunktionsausfalls. © hil/sb/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema



Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.