Ausland
Coronavirus: China baut Krankenhaus für Infizierte
Freitag, 24. Januar 2020
Peking – Angesichts der Ausbreitung eines neuartigen Coronavirus wollen sich die chinesischen Behörden keine Untätigkeit vorwerfen lassen.
In der Millionenmetropole Wuhan, von der die Krankheit ihren Ausgang nahm, soll binnen anderthalb Wochen eine Klinik mit tausend Betten nur für die mit dem Coronavirus infizierten Patienten errichtet werden. Auf der Baustelle waren heute Dutzende Bagger und Lastwagen im Einsatz, wie im Staatssender CCTV zu sehen war.
Die neue Klinik mit mehr als 25.000 Quadratmetern Fläche soll am 3. Februar in Betrieb gehen, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Vor der Ankündigung des Bauvorhabens hatte es Berichte über Bettenknappheit in Wuhans Krankenhäusern wegen der Infektionskrankheit gegeben.
Derzeit werden die Coronavirus-Patienten in der 11-Millionen-Einwohner-Stadt in 61 Krankenhäusern isoliert und behandelt. Die neue Einrichtung solle die Lage entspannen und „die Fähigkeiten, Patienten zu behandeln, verbessern“, schrieb Xinhua.
Die neue Klinik wird laut Xinhua aus Fertigbauteilen gebaut. Auf die gleiche Weise war 2003 in einem Vorort der Hauptstadt Peking in knapp einer Woche ein Krankenhaus für die Behandlung der vielen Sars-Patienten gebaut worden.
An der Atemwegserkrankung, die ebenfalls von einem Coronavirus ausgelöst wurde, waren 2002/2003 in Festland-China 349 Menschen und weitere 299 Menschen in Hongkong gestorben.
Mehr als 800 bestätigte Infektionen
Seit dem ersten Auftreten des neuen Coronavirus Ende vergangenen Jahres wurden nach Behördenangaben landesweit mehr als 800 Infektionen bestätigt, es gibt tausende weitere Verdachtsfälle. 26 Patienten starben.
Nachdem die Regierung während der Sars-Epidemie wegen zögerlicher Gegenmaßnahmen in die Kritik geraten war, hatte Staatschef Xi Jinping Anfang der Woche erklärt, das Retten von Menschenleben habe „oberste Priorität“.
Er forderte die Behörden auf, „Informationen zeitnah zu veröffentlichen und die internationale Zusammenarbeit zu vertiefen“. Wuhan sowie einige andere chinesische Städte wurden unter Quarantäne gestellt, damit sich das Virus im bevölkerungsreichsten Land der Erde nicht weiter ausbreitet.
Erster Fall in Vietnam
Unterdessen breitet sich die Erkrankung weiter aus. Medienberichten zufolge sind nun auch in Vietnam erstmals Fälle der neuen Lungenkrankheit nachgewiesen worden. Zwei Chinesen in Ho Chi Minh Stadt seien positiv auf das Virus getestet worden, berichtete die Zeitung VnExpress gestern am späten Abend.
Dabei handelt es sich um einen 66-Jährigen, der von einer Reise aus der chinesischen Stadt Wuhan zurückgekehrt war, sowie um seinen 28 Jahre alten Sohn, den er in Vietnam besucht hatte.
Das Fieber hat laut der Zeitung bei beiden Patienten nachgelassen. Die Ärzte sagen aber, dass das Virus verbreitet worden sein könnte, weil beide gereist seien. In Vietnam gibt es zudem einen Verdachtsfall. In Hanoi ist eine Studentin unter Quarantäne, die aus Wuhan eingereist war.
Der neuen Lungenkrankheit in China sind mittlerweile acht weitere Menschen zum Opfer gefallen. Insgesamt sind demnach nun 26 Todesfälle durch Infektionen mit dem Coronavirus nachgewiesen worden, wie Behörden in China heute mitteilten. Die Zahl der bekannten Infektionen stieg im Vergleich zum Vortag von 644 auf rund 900 Fälle an.
Städte unter Quarantäne
Im Kampf gegen die Krankheit hatte China gestern kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest rund 20 Millionen Menschen praktisch unter Quarantäne gestellt. Die Behörden riegelten die 11-Millionen-Metropole Wuhan ab, in der die meisten Fälle aufgetreten sind.
Die Gesamtzahl der Städte, die einschließlich Wuhan von starken Einschränkungen betroffen waren, stieg bis heute Nachmittag von fünf auf mindestens acht. So teilten auch Lichuan, Xianning und Huangshi mit, Buslinien und anderen Nahverkehr zu stoppen. Alle betroffenen Städte liegen in der Provinz Hubei.
In China wurden zugleich Zweifel laut, ob die offiziellen Angaben das wahre Ausmaß der Infektionswelle im Land wiedergeben. Die USA kündigten heute an, das Personal ihres Generalkonsulats und deren Familien aus dem schwer betroffenen Wuhan abzuziehen.
Die Anordnung erfolge wegen der Ausbreitung des neuen Coronavirus, der logistischen Probleme durch das beschränkte Transportwesen und der „überwältigten Krankenhäuser“ der Stadt, sagte ein Botschaftssprecher.
In den USA wurde heute auch ein zweiter Fall bestätigt. Es handele sich um eine Frau in Chicago, die vor kurzem aus der am stärksten betroffenen chinesischen Stadt Wuhan zurückgekehrt sei, teilte die US-Gesundheitsbehörde CDC am Freitag mit.
Zudem würden mehr als 50 Verdachtsfälle in 22 verschiedenen Bundesstaaten beobachtet, sagte die Chefin der Abteilung für Immunisierung und Lungenkrankheiten des CDC, Nancy Messonnier. „CDC geht davon aus, dass das Risiko für die Menschen in den USA momentan gering ist, aber die Situation verändert sich schnell.“
Ärzte in Wuhan äußerten, dass sich ihrer Meinung nach schon wesentlich mehr Menschen angesteckt haben als offiziell zugegeben. Auch sei weitaus mehr Krankenhauspersonal betroffen als die offiziell bekannten 15 Mitarbeiter. „Es lassen sich infizierte Krankenhausmitarbeiter in fast allen größeren Krankenhäusern in Wuhan finden“, sagte ein Arzt der Hongkonger Zeitung South China Morning Post.
WHO: Keine Notlage
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sah gestern Abend keinen Grund, eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite auszurufen. „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt“, sagte der Vorsitzende des Notfallsausschusses, Didier Houssin. Er verwies darauf, dass es im Ausland bislang nur wenig Fälle gebe, und dass China bereits selbst weitreichende Vorkehrungen getroffen habe.
WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte, China habe diejenigen Maßnahmen getroffen, die es für angemessen halte. „Wir hoffen, dass sie effektiv und von kurzer Dauer sind“, sagte er. Die WHO empfehle keinerlei Reise- oder Handelsbeschränkungen. Das Auswärtige Amt in Berlin riet aber dazu, nicht notwendige Reisen in die betroffenen Gebiete zu verschieben.
Das Risiko für deutsche Reisende in Wuhan werde als „moderat“ eingeschätzt. Die WHO nehme den Ausbruch extrem ernst, sagte WHO-Chef Tedros. „Es ist noch keine Notlage von internationaler Tragweite, aber das kann es noch werden“, sagte er.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mahnte einen besonnenen Umgang mit der neuen, in China ausgebrochenen Lungenkrankheit an. „Wir nehmen das sehr ernst, wir sind wachsam, aber mit kühlem Kopf auch gleichzeitig“, sagte der CDU-Politiker gestern Abend in den ARD-Tagesthemen.
Man stehe im täglichen Austausch mit Experten. „Ich finde eben auch wichtig, dass wir das insgesamt so einordnen, dass wir dann auch mit der nötigen Ruhe rangehen können.“
Spahn lobte die Informationspolitik der chinesischen Regierung. Anders als bei der großen Sars-Epidemie, der vor 17 Jahren in China Hunderte Menschen zum Opfer fielen, funktioniere der Austausch der internationalen Gemeinschaft, und auch China gehe transparenter als vor einigen Jahren damit um. Daher könne man sich besser darauf vorbereiten.
Spahn meinte, es sei wichtig, die Krankheit einzuordnen und wies auf die Grippe hin, an der in Deutschland jedes Jahr rund 20.000 Menschen stürben. „Auch das ist eben ein Risiko, das wir jeden Tag haben.“ Bei der neuen Lungenkrankheit sei das Infektionsgeschehen im Vergleich dazu milder.
Die meisten Todesopfer waren ältere Menschen mit Vorerkrankungen. In den meisten chinesischen Provinzen sind mittlerweile Infektionen bekannt. In einzelnen Fällen wurde das Virus auch schon bei Patienten in anderen Ländern wie Thailand und den USA nachgewiesen.
Weitere Fälle in Südkorea
Die Gesundheitsbehörden in Südkorea meldeten heute zum zweiten Mal eine Infektion mit der im benachbarten China ausgebrochenen neuen Lungenkrankheit. Betroffen sei ein 55 Jahre alter Südkoreaner, teilten die Koreanischen Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention mit.
Der Mann kehrte demnach vorgestern von einem Arbeitsaufenthalt in Wuhan zurück, wo der Ursprung des Ausbruchs vermutet wird. Gestern wurde der erste nachgewiesene Fall in Singapur bekannt.
Japan meldete sechs Monate vor Beginn der Olympischen Spiele in Tokio einen zweiten Fall. Der Mann in seinen 40ern stamme aus Wuhan, teilte das Gesundheitsministerium heute mit. Der Mann sei zu Besuch in Japan. Er werde in einem Krankenhaus in Tokio behandelt, hieß es.
In Europa ist bisher kein Fall bekannt. Eingeschleppte Einzelfälle der neuen Lungenkrankheit sind deutschen Infektionsspezialisten zufolge aber auch hierzulande „wahrscheinlich“. Grund zur Besorgnis gebe es aber nicht, teilte die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie mit. Kliniken bereiteten sich aktuell vor, um auf diese Fälle schnell reagieren zu können. © afp/dpa/aerzteblatt.de

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