Ärzteschaft
Ärzte sehen erheblichen Änderungsbedarf am Entwurf der neuen Approbationsordnung
Montag, 27. Januar 2020
Berlin – Nach Ablauf der Frist für eine Stellungnahme bewerten Verbände und Organisationen den Entwurf für eine neue ärztliche Approbationsordnung zwar als grundsätzlich positiv und als eine gute Grundlage für die weitere Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020.
Gleichzeitig sehen sie erheblichen Änderungsbedarf an dem Arbeitsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für eine neue Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO), den das BMG Anfang Dezember 2019 fast drei Jahre nach Verabschiedung des Masterplans vorgelegt hatte.
Mit der geplanten Reform des Medizinstudiums soll auf die Herausforderungen für die künftige ärztliche Versorgung reagiert werden.
Neben der Vermittlung wissenschaftlicher Grundlagen und der Fähigkeiten, wissenschaftliche Studien zu interpretieren, wird in dem Papier aus dem Haus von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) viel Wert auf eine praxisnahe Gestaltung der universitären Ausbildung von Medizinern und die Förderung der Allgemeinmedizin gelegt. Zudem sollen die Themen Datennutzung und digitale Anwendungen als Ausbildungsinhalte neu ins Medizinstudium aufgenommen werden.
Der Entwurf der Reform der Approbationsordnung enthalte viele richtige Ansätze, resümiert die Bundesärztekammer (BÄK) in ihrer Stellungnahme, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Damit die Reform aber tatsächlich zu einem Erfolg werde, seien zahlreiche Nachbesserungen notwendig.
Krankenpflegepraktikum verkürzen
Problematisch ist für die BÄK unter anderem die geplante Ausweitung des Umfangs des Medizinstudiums. Es müsse geprüft werden, inwiefern im Gegenzug etablierte Studieninhalte reduziert werden könnten. Konkret schlägt die BÄK vor, das vorgeschriebene dreimonatige Krankenpflegepraktikum im Rahmen des Medizinstudiums auf zwei Monate zu verkürzen.
Diskussionsbedarf wird zudem bezüglich der Umsetzung der geplanten Lehre im ambulanten Bereich gesehen. Dem Arbeitsentwurf aus dem BMG zufolge sollen künftig Lehrinhalte aus der Allgemeinmedizin aufgestockt und longitudinal in das gesamte Studium integriert werden.
Außerdem wird das Praktische Jahr (PJ) von derzeit drei Tertialen auf vier Quartale umgestellt. Dabei bleiben dem Entwurf zufolge die Fächer Innere Medizin sowie Chirurgie als Pflichtquartal erhalten, mindestens ein Wahlfach soll in einem weiteren Fach im ambulanten Bereich absolviert werden.
Augenmerk auf medizinische Ausbildungsstätten
Um dies zu ermöglichen, sei eine ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung der medizinischen Ausbildungsstätten, insbesondere der nun zu gewinnenden ambulanten Lehrpraxen erforderlich, mahnt die BÄK.
Dass diese in der erforderlichen Menge und Qualität rechtzeitig zur Verfügung stehen, sei „herausfordernd“: „Ein langfristiges Konzept, um studentische Ausbildung als selbstverständliche Aufgabe in die ambulante Versorgung zu integrieren, ist dringend erforderlich“, betont die BÄK in ihrer Stellungnahme.
Ähnlicher Ansicht ist die Deutsche Hochschulmedizin, vertreten durch den Medizinischen Fakultätentag (MFT) und dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD). Neben den qualifizierenden, logistischen und finanziellen Herausforderungen, die die Vergaben zur Stärkung der Allgemeinmedizin im Medizinstudium mit sich bringen werden, bereitet den Medizinischen Fakultäten die Gewinnung von ausreichend Lehrärzten Sorgen.
„Juristisch dürften die Fakultäten kaum in der Lage sein, Lehrärztinnen und Lehrärzte zu einer Zusammenarbeit zu zwingen“, heißt es in der Stellungnahme der Deutschen Hochschulmedizin, die dem Deutschen Ärzteblatt ebenfalls vorliegt.
Lob von Allgemeinmedizinern
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) begrüßte indes, dass der Stellenwert, den das Fach Allgemeinmedizin in der Versorgung hat, nun auch in der Ausbildung von Nachwuchsärzten adäquat abgebildet werden soll. Vor allem die longitudinale Verankerung der Allgemeinmedizin im gesamten Studium sei aus didaktischen, inhaltlichen und versorgungspraktischen Gründen sinnvoll, betont die Fachgesellschaft.
Positiv bewertet sie zudem die von ihr lange geforderte Quartalisierung des Praktischen Jahrs sowie die Verankerung der Allgemeinmedizin als Prüfungsfach im vierten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung. Allerdings sei eine ausreichende Finanzierung der Maßnahmen sicherzustellen, betont die DEGAM.
Ärztliche Prüfung: Vier statt drei Abschnitte
Tatsächlich soll es dem Entwurf zufolge künftig vier statt wie bisher nur drei Abschnitte der Ärztlichen Prüfung geben (ÄP1, 2, 3, 4): Der Erste Abschnitt (ÄP1) wird schriftlich nach einem Studium von mindestens zwei Jahren abgelegt; der Zweite Abschnitt (ÄP2) dann mindestens ein Jahr nach Bestehen des Ersten Abschnitts in Form einer strukturierten klinisch-praktischen Prüfung („Objective Structured Clinical Examination“/OSCE).
Den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (ÄP3) sollen die Studierenden schriftlich mindestens zwei Jahre nach Bestehen des Zweiten Abschnitts absolvieren. Nach dem Praktischen Jahr soll dann das Studium mit dem Vierten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (ÄP4) als mündlich-praktische Prüfung an Patienten aus dem stationären Bereich und dem ambulanten Bereich und durch eine strukturierte klinisch-praktische OSCE-Prüfung abgeschlossen werden.
Hochschulmedizin hält Regelung für problematisch
Die Deutsche Hochschulmedizin bewertet die vier geplanten separaten Abschnitte der Ärztlichen Prüfung als problematisch. Sie müssten aus didaktischer wie konzeptioneller Sicht hinterfragt werden, heißt es in ihrer Stellungnahme.
Mit ihnen würde „ein starres staatliches Prüfungskorsett mit Abschnitten von jeweils nur ein bis zwei Jahren Dauer geschaffen, was nur wenige Freiräume für die im Masterplan verankerten fakultären Schwerpunktsetzungen und Innovationen ließe sowie die Lehrfreiheit über die Maße einschränke“.
Darüber hinaus konterkarier die strikte Abfolge die jetzt geforderte, vorher nicht notwendige inhaltliche Verschränkung der Inhalte der Lehrveranstaltungen. Eine Alternative sieht die Hochschulmedizin in dem Zusammenlegen von ÄP1 und ÄP2 nach dem 6. Semester.
Kritik an Innovationsklausel
Auf heftige Kritik stößt die Innovationsklausel, die gänzlich neu in die Approbationsordnung aufgenommen werden soll. Mit dieser Klausel, die in Paragraf 137 des vorgelegten Entwurfs verankert ist, sollen bei Bedarf weitgehende Abweichungen vom Regelstudiengang ermöglicht werden. Sie eröffnet sogar die Möglichkeit, die Dauer des Medizinstudiums künftig auf fünf Jahre zu reduzieren.
Voraussetzung für eine solche Sonderregelung ist, dass ein Innovationsziel beschrieben wird, was erkennen lässt, welche qualitativen Verbesserungen für die medizinische Ausbildung erwartet werden. Außerdem sollen uneingeschränkt Unterrichtsveranstaltungen im Rahmen digitaler Lehrformate als Fernunterricht ermöglicht werden.
Die Ärzteschaft lehnt die Innovationsklausel komplett ab und fordert die Streichung der entsprechenden Passage. Die Bundesärztekammer sieht stattdessen in dem Arbeitsentwurf ausreichend Spielräume für universitätsspezifische Schwerpunkte im Rahmen des Regelstudiengangs.
Nach Ansicht der Deutschen Hochschulmedizin steht die Innovationsklausel in „deutlichem Widerspruch zu den Zielen des Masterplans und zur Gestaltung des Medizinstudiums als universitäres Studium“. Eine erhebliche Überarbeitung sei nötig.
Regelung für Aufwandsentschädigung im PJ
Ergänzt werden müsste nach Ansicht der Bundesärztekammer zudem eine rechtliche Regelung für eine obligate Aufwandsentschädigung während des PJ. Die Bundesärztekammer weist darauf hin, dass viele Studierende im PJ keiner Nebentätigkeit zur Sicherstellung des Lebensunterhalts nachgehen können. Neuregelungen seien zudem bei der Gleichwertigkeitsprüfung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens von in Drittstaaten erworbener Ausbildungsnachweise notwendig.
Der Anerkennung vorausgehen müssten eine Prüfung der vorgelegten ausländischen Zertifikate auf Echtheit durch eine Bundesbehörde, eine Fachsprachenprüfung auf Niveau C1 sowie eine obligate Kenntnisprüfung auf der Basis des aktuell Dritten und eventuell zukünftig Vierten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung.
Positiv bewertet die Deutsche Hochschulmedizin das Bestreben des Ministeriums, das Medizinstudium gemäß Masterplan Medizinstudium 2020 noch stärker als bisher kompetenzorientiert auszugestalten. Dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) werde dabei zurecht eine zentrale Funktion zugesprochen.
Auch die explizite Verankerung der Wissenschaftlichkeit im Medizinstudium und auch der Wunsch, die Digitalisierung der Medizin stärker zum Studieninhalt zu machen, seien zu begrüßen. Die parlamentarischen Verfahren und Beratungen zum Entwurf sollen im ersten Halbjahr 2020 beginnen. © ER/aerzteblatt.de

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