Politik
Nordrhein-Westfalen arbeitet Medikamentenversuche in Kinderheimen weiter auf
Montag, 3. Februar 2020
Düsseldorf – Die nordrhein-westfälische Landesregierung geht dem Verdacht von Medikamentenversuchen an früheren Heimkindern weiter nach. Untersucht werden mögliche Vorfälle in Einrichtungen der Jugend- und Behindertenhilfe zwischen 1950 und 1975.
Die vorliegenden Informationen ließen bislang den Schluss zu, dass Heimkindern „durch die medizinisch nicht indizierte Verabreichung von Arzneimitteln schweres Leid zugefügt“ worden sei, teilte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) heute dem Gesundheitsausschuss im Landtag mit. In diesem Jahr sollen Studien vorliegen. Dann wolle er über weitere Maßnahmen entscheiden, um den Skandal aufzuklären.
Laumann zufolge haben die Träger von fünf Kinderheimen in NRW externe Wissenschaftler beauftragt, mögliche Medikamentenversuche in ihren Einrichtungen zu untersuchen.
Insgesamt kontaktierte das Gesundheitsministerium 50 Heime. Davon hätten 15 ausgeschlossen, dass der Verdacht für ihre Einrichtungen zutreffe. In 12 Fällen hätten sich nach Prüfung von Unterlagen zumindest keine Hinweise für Medikamentenversuche an Kindern ergeben. Weitere 18 Heime hätten keine Akten mehr aus dem angefragten Zeitraum.
Der Minister verwies darauf, dass in der Bundesrepublik zwischen 1950 und 1975 vor allem „patriarchalische Erziehungsstrukturen“ geherrscht hätten. Nicht selten hätten damals Jugendliche als krank gegolten, wenn sie straffällig, erziehungsschwierig oder verhaltensauffällig waren. Daher seien in Heimen auch Psychopharmaka „umfassend angewandt“ worden.
Die Caritas im Erzbistum Köln sagte dem Gesundheitsministerium, dass die katholischen Träger der Jugendhilfe in der Erzdiözese „keine Hinweise auf regelhafte Medikamententests“ gefunden hätten.
Allerdings hätten die Einrichtungen nur noch vereinzelt Akten aus dem angefragten Zeitraum. Die Caritas habe das Historische Archiv des Erzbistums angefragt, ob dort noch Unterlagen vorhanden seien. Eine Antwort stehe aus.
Die Krefelder Pharmazie-Doktorandin Sylvia Wagner hatte vor drei Jahren gezeigt, dass es zwischen 1950 und 1975 mindestens 50 Medikamentenversuchsreihen in nordrhein-westfälischen Kinderheimen gegeben habe.
Vor allem Psychopharmaka und Impfstoffe sollen erprobt worden sein. In mindestens einem Fall gebe es Hinweise, dass ein Neuroleptikum auf ausdrücklichen Wunsch der Jugendhilfe eingesetzt worden sei, um Kinder ruhiger und lernfähiger zu machen. © kna/aerzteblatt.de

Neuro - Pädiater

Nachrichten zum Thema




Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.