Medizin
Akutes Nierenversagen: „suPAR“ als Marker und Ansatzpunkt für neue Therapie
Donnerstag, 6. Februar 2020
Chicago – US-Forscher haben einen möglichen Marker für ein drohendes akutes Nierenversagen entdeckt, der gleichzeitig Angriffspunkt für eine präventive Behandlung sein könnte.
Laut ihrem Bericht im New England Journal of Medicine (2020; 382: 416-426) haben Klinikpatienten mit einer erhöhten Serumkonzentration von „suPAR“ ein 2 bis 3-fach erhöhtes Risiko auf eine akute Niereninsuffizienz. Ein Antikörper gegen „suPAR“ hat bei Tieren ein drohendes Nierenversagen verhindert.
Das Protein „suPAR“ (für „soluble urokinase plasminogen activator receptor“) wird bei Entzündungen von der Oberfläche von Abwehrzellen freigesetzt. In den Glomeruli der Nieren soll es durch eine Interaktion mit dem Integrin „Alpha-v beta-3“ die Funktion der Podozyten schädigen.
In einer früheren Studie hatte ein Team um Jochen Reiser von der Rush Universität in Chicago bereits zeigen können, dass eine höhere Plasmakonzentration von „suPAR“ den altersabhängigen Rückgang der glomerulären Filtrationsrate beschleunigt und damit langfristig die Entwicklung eines chronischen Nierenversagens fördert.
Jetzt haben die Forscher den Einfluss von „suPAR“ auf die Entwicklung eines akuten Nierenversagens untersucht, einem zunehmend häufiger diagnostizierten Problem von Klinik- und Intensivpatienten. Etwa 2 bis 5 % aller Krankenhauspatienten und bis zu 50 % aller Intensivpatienten entwickeln ein akutes Nierenversagen. Die wenigsten werden (und meist nur vorübergehend) dialysepflichtig. Die Nierenschädigung erschwert jedoch die Erholung der Patienten und verschlechtert langfristig ihre Prognose.
Ein Bluttest auf „suPAR“ könnte anzeigen, wer am ehesten gefährdet ist. Die Forscher haben hierzu retrospektiv die Daten von 3 Patientengruppen untersucht. Die 1. Gruppe bestand aus 3.827 Patienten, die sich einer Koronarangiografie unterzogen. Von den Patienten mit den höchsten „suPAR“-Konzentrationen (oberstes Quartil) erlitten 14 % ein akutes Nierenversagen, im niedrigsten Quartil waren es nur 4 %.
Reiser ermittelt eine adjustierte Odds Ratio von 2,66, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,77 bis 3,99 signifikant war. Das Risiko auf eine akute Nierenschädigung oder einen Tod innerhalb von 90 Tagen war mit einer Odds Ratio von 2,29 (1,71 bis 3,06) ebenfalls erhöht.
Ähnliche Ergebnisse wurden in den beiden anderen Gruppen gefunden. Von den 250 Patienten, die sich einer Herzoperation unterzogen, erkrankte das Quartil mit den höchsten „suPAR“-Konzentrationen zu 40 % an einem akuten Nierenversagen gegenüber 16 % im untersten Quartil. In der 3. Gruppe von 692 Intensivpatienten betrugen die Inzidenzen 53 % im obersten und 15 % im untersten Quartil.
Die unmittelbare klinische Relevanz dieser Befunde ist nach Ansicht von Frank Tacke von der Berliner Charité zwar gering, da das akute Nierenversagen in der Regel mild war und die Patienten sich wieder erholten. Langfristig gesehen könnte sich die Prognose der Patienten jedoch verschlechtern. Schon ein leichter Anstieg der Serumkreatininwerte nach einer Koronarangiografie sei mit einem Anstieg der Mortalität assoziiert, berichtet der Editorialist.
„suPAR“ könnte jedoch mehr als nur ein neuer Biomarker für das akute Nierenversagen sein, wie die von Reiser vorgestellten tierexperimentellen Ergebnisse zeigen. Die US-Forscher haben Mäusen größere Mengen des Kontrastmittels Iohexol in die Bauchhöhle injiziert, das dann über die Nieren ausgeschieden wurde.
Eine Gruppe von Mäusen war genetisch so modifiziert, dass sie größere Mengen von „suPAR“ bildeten. Diese Tiere entwickelten schwerere akute Nierenschäden als die Vergleichsgruppe mit normalen „suPAR“-Werten. Eine präventive Behandlung mit einem monoklonalen Antikörper gegen „suPAR“ verhinderte, dass die Tiere erkrankten.
Reiser hofft deshalb, dass eine Vorbehandlung mit dem Antikörper auch Patienten nützen könnte, bei denen vor einer Koronarangiografie oder einer Herzoperation oder bei der Aufnahme auf eine Intensivstation erhöhte „suPAR“-Werte gemessen wurden. Die Entwicklung der Behandlung ist allerdings noch in einem frühen Stadium. Klinische Tests sind derzeit offenbar nicht geplant. © rme/aerzteblatt.de
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