Ausland
Früher Entdecker des 2019-nCoV an Infektion verstorben
Freitag, 7. Februar 2020
Peking – Ein chinesischer Mediziner, der als einer der ersten vor dem neuartigen Coronavirus 2019-nCoV gewarnt hatte, ist nun selbst an der Infektion gestorben. Der 34-jährige Li Wenliang habe sich im Kampf gegen das Virus selbst angesteckt, teilte das Zentralkrankenhaus der Millionenmetropole Wuhan heute im Onlinedienst Weibo mit. Die „umfassenden Anstrengungen“, sein Leben zu retten, seien vergeblich gewesen.
Gestern Abend hatte es noch Verwirrung um den Gesundheitszustand Lis gegeben. Während die chinesische staatliche Zeitung Global Times am Nachmittag berichtete, Li sei an dem Virus verstorben, schrieb der Spiegel mit Verweis auf einen Sprecher des Wuhan-Zentralkrankenhauses am Abend, Li werde weiterhin künstlich beatmet. Man kämpfe immer noch um sein Leben.
Li war als Augenarzt an dem Krankenhaus tätig. Er stellte Ende des vergangenen Jahres bei Patienten Symptome fest, die jenen des SARS-Erregers ähnelten. An dem SARS-Virus waren laut der offiziellen Bilanz in den Jahren 2002 und 2003 insgesamt 349 Menschen in Festlandchina gestorben.
In einer Botschaft an Kollegen vom 30. Dezember informierte Li über seine Erkenntnisse. Zusammen mit sieben Kollegen, die ebenfalls von der Existenz des neuartigen Virus berichtet hatten, wurde er daraufhin von der Polizei wegen der „Verbreitung von Gerüchten“ ermahnt. Li steckte sich später bei der Behandlung eines Patienten an.
In den chinesischen Online-Netzwerken sorgte Lis Tod für Trauer und Wut. Von vielen Internetnutzern wurde Li gepriesen. Er sei „ein Held“, der seinen Einsatz gegen das Virus mit dem Leben bezahlt habe, schrieb ein Nutzer, der sich als orthopädischer Chirurg bezeichnete, im Netzwerk Weibo.
Regierung in der Defensive
Schon vor Lis Tod hatte es in China immer mehr Kritik am Umgang der chinesischen Behörden mit der Epidemie gegeben. Nun kündigten die chinesischen Korruptionsbehörden eine Untersuchung an. Die Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei wird nach eigenen Angaben ein Ermittlerteam nach Wuhan schicken, das eine „umfassende Untersuchung“ zu von der Bevölkerung aufgebrachten „Fragen“ im Zusammenhang mit Lis Tod vornehmen soll.
Im Januar hatte bereits das oberste Gericht Chinas das Vorgehen der Polizei in Wuhan kritisiert. Die Polizei habe die ersten „Gerüchteverbreiter“ bestraft, statt auf die Informationen zu reagieren, erklärte das Gericht. Die Ausbreitung des Erregers hätte demnach eingedämmt werden können, „wenn die Öffentlichkeit die ,Gerüchte' zu der Zeit geglaubt hätte“.
Am vergangenen Montag hatte auch Chinas Führung in einem ungewöhnlichen Schritt „Fehler“ im Umgang mit der Epidemie eingeräumt. Der Ständige Ausschuss des Politbüros der regierenden Kommunistischen Partei erklärte, die Reaktion auf die Epidemie habe „Fehler und Schwierigkeiten“ beim nationalen Notfallmanagement offengelegt.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sieht den Kampf gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus in einer „entscheidenden Phase“. In einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump gab sich Xi Jinping heute zuversichtlich, dass China die Epidemie in den Griff bekomme.
Das ganze Land sei mobilisiert und habe sehr strenge Maßnahmen zur Vorbeugung ergriffen. „Wir sind vollauf zuversichtlich und in der Lage, die Epidemie zu besiegen.“ Er übte Kritik an dem Einreiseverbot der USA für Chinesen und Ausländer, die in China waren – mit Ausnahme von Angehörigen von US-Bürgern.
Steigende Infektionszahlen
Der tägliche Anstieg der neu bestätigten Infektionen in China scheint sich leicht stabilisiert zu haben – ist aber weiter sehr hoch. Die Zahl der Ansteckungen legte bis heute erneut um 3.143 zu. Damit sind 31.161 Virusfälle bestätigt, so die Gesundheitskommission in Peking.
Es war der zweite Tag in Folge, an dem nicht mehr neue Ansteckungen als am Vortag gemeldet wurden. Innerhalb eines Tages starben aber wieder 73 Patienten an der neuartigen Lungenkrankheit – so viele wie am Vortag. Damit sind in China schon 636 Todesfälle zu beklagen.
Ob mit den neuen Zahlen bereits ein Trend bei den Ansteckungen erkennbar ist, scheint offen, da die Statistik auch mit der Zahl der laufenden Untersuchungen schwanken kann. Der Verlauf der Epidemie ist aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch schwer vorherzusagen. Abgesehen von den besonders betroffenen Gebieten in Zentralchina scheine die Lage in China im Moment relativ stabil zu sein, sagte WHO-Experte Michael Ryan in Genf.
Außerhalb von Festland-China sind in mehr als zwei Dutzend Ländern über 270 Infektionen und zwei Todesfälle bestätigt. In Deutschland gab gestern einen 13. Fall. Allein elf stehen im Zusammenhang mit der bayerischen Firma Webasto, wo sich Mitarbeiter bei einer Kollegin aus China angesteckt hatten.
Auch wurden zwei aus China ausgeflogene Rückkehrer positiv getestet. Der jüngste Virennachweis stammt von der 38-jährigen Frau eines der Patienten aus Bayern, wie das bayerische Gesundheitsministerium mitteilte. Auch zwei Kinder des Paares hatten sich angesteckt. Bei dem dritten Kind, einem Säugling, wurde das Virus bisher nicht nachgewiesen.
In dem Telefonat mit Trump verwies Chinas Präsident ausdrücklich auf die WHO, die Länder vor Überreaktionen gewarnt habe. Er hoffe, dass die USA „ruhig“ die Lage einschätzten und ihre Maßnahmen als Antwort darauf „angemessen“ träfen und anpassten. Xi Jinping bezog sich damit offensichtlich auf das vor einer Woche erlassene Einreiseverbot der USA. China sieht den Bann als Überreaktion, die WHO-Empfehlungen widerspreche. Eine Sprecherin hatte den USA vorgeworfen, „Angst zu schüren und zu verbreiten, was ein schlechtes Beispiel ist“.
Wegen Virusfällen werden in Japan und Hongkong zwei Kreuzfahrtschiffe mit rund 7.000 Passagieren und Besatzungsmitgliedern in Quarantäne festgehalten. Auf der „Diamond Princess“ vor Yokohama wurden weitere 41 Infektionen festgestellt, wie das Gesundheitsministerium bekannt gab.
Damit erhöht sich die Zahl der Ansteckungen an Bord auf 61. Unter ihnen sind keine Deutschen. Nach neuen Erkenntnissen der Botschaft sind zehn Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit auf dem Schiff. Ihnen gehe es den Umständen entsprechend gut, hieß es.
Keine Angst vorm Virus
Die Deutschen sind unterdessen entspannt. Die meisten fürchten sich nicht vor dem neuen Coronavirus. Bei neun von zehn Deutschen (89 Prozent) ist die Sorge, dass sie oder Familienmitglieder sich mit dem Virus anstecken, weniger groß oder klein. Das ergab eine Umfrage von infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend.
Nur bei jedem Zehnten ist diese Sorge groß (7 Prozent) oder sehr groß (3 Prozent). Für die Umfrage wurden am Montag und Dienstag dieser Woche insgesamt 1.003 Wahlberechtigte in Deutschland per Telefon befragt.
Das Vertrauen der Bürger in die Behörden und Gesundheitseinrichtungen ist in Deutschland mit Blick auf das Virus hoch. Vier von fünf Deutschen (82 Prozent) sind der Meinung, diese hätten die Situation alles in allem unter Kontrolle. 14 Prozent sehen das anders: Sie meinen, diese haben die Situation nicht unter Kontrolle. © afp/dpa/may/aerzteblatt.de

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