Politik
Gen-, Zell- und Gewebetherapie sollen der Nutzenbewertung unterliegen
Freitag, 7. Februar 2020
Berlin – Zugelassene Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) – also für die Gen-, Zell-und Gewebetherapie – sollen künftig mit Ausnahme biotechnologisch bearbeiteter Gewebeprodukte automatisch die frühe Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) durchlaufen.
Das sieht ein Änderungsantrag von Union und SPD im Bundestag für das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz vor, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Das Gesetz soll in der kommenden Woche vom Bundestag verabschiedet werden. Mit dem Antrag will die Große Koalition den Weg von ATMP über das AMNOG strikt vorgeben.
ATMP sollten „ausschließlich Gegenstand der Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen“ sein, heißt es in der Begründung des Antrags. Es werde so sichergestellt, dass für ATMP nachfolgend ein Erstattungsbetrag verhandelt wird, schreiben Union und SPD.
Die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf „zugelassene“ ATMP stelle klar, dass nur solche ATMP Gegenstand der Nutzenbewertung würden, die das zentralisierte europäische Zulassungsverfahren durchlaufen hätten. Nicht erfasst seien damit ATMP, die auf nationaler Ebene genehmigt würden.
Für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bedeutet die Neuregelung, dass dieser nicht mehr beurteilen muss, ob ein zugelassenes ATMP im Einzelfall nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Methodenbewertung oder der Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen unterliegt.
Von der Regelung sollen biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte ausgenommen werden. Bei allen Arzneimitteln, die in diese Kategorie von ATMP fielen, habe der G-BA in der Vergangenheit festgestellt, dass ihre Anwendung im sozialrechtlichen Sinne – aufgrund ihres hohen ärztlichen Behandlungsanteils – als Methode einzustufen sei, heißt es.
Für die autologe Chondrozytenimplantation (mit biotechnologisch bearbeiteten Knorpelzellen) führe der G-BA bereits ein Methodenbewertungsverfahren durch. Es sei daher anzunehmen, „dass bei der Anwendung dieser Produkte der ärztliche Behandlungsanteil in der Regel überwiegt“. Für biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte werde deshalb auf einen Eingriff in die geltende Rechtslage verzichtet.
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„Es bleibt daher im Falle der biotechnologisch bearbeiteten Gewebeprodukte dabei, dass der Gemeinsame Bundesausschuss im Einzelfall entscheidet, ob es sich bei dem entsprechenden ATMP im sozialrechtlichen Sinne um eine Methode oder um ein Arzneimittel handelt“, schreibt die Große Koalition. Bei allen anderen ATMP komme es künftig nicht mehr darauf an, ob und inwieweit die ärztliche Behandlung über die schlichte Verabreichung des Arzneimittels hinausgehe.
„Zugelassene ATMP einschließlich des ärztlichen Behandlungsanteils werden damit sozialrechtlich wie Arzneimittel – das heißt nicht wie Methoden – behandelt und stehen damit unmittelbar mit Zulassung nicht nur für die Versorgung im Krankenhaus, sondern auch für die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten zur Verfügung“, so Union und SPD. Die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungsanteile bei der Anwendung der ATMP werde durch eine gegebenenfalls erforderliche zeitgleiche Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) geregelt.
Für Reserveantibiotikum gilt der Zusatznutzen als belegt
Neben den Neuerungen für die Gen-, Zell- und Gewebetherapie haben Union und SPD zahlreiche weitere Vorhaben – sowohl mit fachfremdem als auch fachlichem Inhalt – für das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz vorgelegt.
Ein weiterer Änderungsantrag zum Gesetz sieht zum Beispiel vor, dass pharmazeutische Unternehmer beim G-BA künftig für Arzneimittel einen Status als Reserveantibiotika beantragen können. Werde dieser vergeben, gelte der Zusatznutzen automatisch als belegt.
Union und SPD begründen den Vorstoß damit, Anreize setzten zu wollen, um neue Antibiotika zu entwickeln. Derzeit fehlten aufgrund von Resistenzen gegen vorhandene Antibiotika „vermehrt wirksame Arzneimittel zur Behandlung von bakteriellen Infektionen“, hieß es.
Eine Korrektur sieht der Gesetzgeber auch bei den bereits geplanten Maßnahmen für den Kampf gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln vor. So soll neu geregelt werden, dass die Krankenkassen für den Fall, dass ein rabattiertes Arzneimittel oder ein alternatives Produkt zum Festbetrag, nicht bereitstehen, die Krankenkasse eine eventuelle Aufzahlung für ein Alternativpräparat übernehmen muss. Bislang hätte das der Patient selbst tragen müssen.
Neu vorgesehen ist darüber hinaus, dass Krankenkassen für Impfstoffe bei Schutzimpfungen als Satzungsleistung einen Abschlag auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers erhalten. Diese dienten „ebenfalls dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und dem Ziel der Erhöhung von Impfquoten“, schreiben Union und SPD. © may/aerzteblatt.de

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