Politik
Leistungen der häuslichen Pflege sollen entbürokratisiert werden
Mittwoch, 12. Februar 2020
Berlin – Der Pflegebevollmächtige der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, hat ein Diskussionspapier vorgelegt, mit dem er die Leistungen der Pflegeversicherung für die häusliche Pflege vereinfachen und entbürokratisieren will. Die Pflegeversicherung decke zwar grundsätzlich viele Bedürfnisse ab, heißt es in dem Papier. Aber den Menschen fehle oft das Wissen, welche Leistungen es überhaupt gibt.
„Denn das System ist komplex: Pflegebedürftige haben eine Vielzahl teilweise kleiner, kombinierbarer oder sich gegenseitig ausschließender Leistungsansprüche“, heißt es weiter. „Immer wieder müssen dafür spezielle Anträge gestellt werden. Insbesondere Leistungen, die pflegende Angehörige entlasten sollen, werden deshalb oftmals nicht abgerufen. Eine fatale Entwicklung.“
Pflegebudget soll monatlich zur Verfügung stehen
Westerfellhaus schlägt vor, die vorhandenen Leistungen der Pflegeversicherung für die häusliche Pflege in zwei Budgets aufzuteilen: ein Pflegebudget und ein Entlastungsbudget. Im Pflegebudget sollen den Menschen künftig die bisherigen Pflegesachleistungen beziehungsweise das Pflegegeld zur Verfügung stehen.
Zusätzlich sollen der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro, die 40 Euro für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel und ein Teil des für die Verhinderungspflege zur Verfügung stehenden Betrags in das Budget einfließen.
Die Gesamthöhe des Pflegebudgets soll sich am Pflegegrad der pflegebedürftigen Person orientieren. Das Budget soll monatlich zur Verfügung stehen. Pflegebedürftige Menschen sollen das Pflegebudget ganz oder anteilig für Leistungen der ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste sowie für zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmittel nutzen können. Nicht ausgeschöpfte Beträge sollen automatisch zu 50 Prozent ausbezahlt werden.
Entlastungsbudget soll in dieser Legislaturperiode kommen
Das Entlastungsbudget soll sich Westerfellhaus zufolge aus den bisherigen Beträgen der Kurzzeit-, der Verhinderungs-, der Tages- sowie der Nachtpflege zusammensetzen. Es soll sich ebenfalls am Pflegegrad der zu pflegenden Person orientieren und pro Quartal zur Verfügung gestellt werden.
Damit greift Westerfellhaus eine Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag von Union und SPD auf. Darin ist von einem „jährlichen Entlastungsbudget“ die Rede, mit dem „erheblich zur Entbürokratisierung in der ambulanten Pflege“ beigetragen werden soll. Da das Entlastungsbudget im Koalitionsvertrag stehe, gehöre es in dieser Legislaturperiode auf die Agenda, sagte der Pflegebevollmächtigte dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ).
Westerfellhaus fordert Pflege Co-Piloten
Westerfellhaus wiederholte zudem seinen Vorschlag, einen Pflege-Co-Piloten in das System einzuführen, der die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zu Hause qualifiziert und unabhängig berät.
Zudem soll der Pflege-Co-Pilot Pflegebedürftige und ihre Angehörigen mit bestehenden regionalen professionellen und ehrenamtlichen Strukturen vernetzen. Er sei ein von Anbietern und Kostenträgern unabhängiger Leistungserbringer mit einem spezifischen Qualifikationsprofil, heißt es in dem Diskussionspapier.
„Wir schätzen, dass zu Beginn je nach Pflegegrad etwa drei bis neun Stunden pro Monat und in der Folge etwa ein bis zwei Stunden pro Monat Zeit für die Koordination und Zusammenstellung des Pflegesettings erforderlich wären“, sagte Westerfellhaus zum DÄ.
„Die Kosten und auch der personelle Aufwand würden damit zunächst einmal steigen. Ich bin aber sicher, dass dieses Geld gut eingesetzt wäre. Denn wenn es Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen gelingt, ihr Leben mit Pflegebedürftigkeit nach ihren individuellen Wünschen und Bedarfen zu gestalten, dann heißt das: Sicherheit, mehr Lebensqualität, mehr Selbstbestimmung und Entlastung für die An- und Zugehörigen.“
„Der Pflege-Co-Pilot muss nicht nur über pflegerische, sondern auch über sozialversicherungsrechtliche, psychosoziale und Beratungskompetenzen verfügen“, so Westerfellhaus weiter. „In Betracht kommen Grundqualifikationen zum Beispiel in der Pflege oder anderen Gesundheits- und Sozialberufen. Die Weiterqualifikation ist aber auch aus anderen Berufsfeldern oder einer langjährigen ehrenamtlichen Pflegetätigkeit heraus denkbar“.
Der Pflege-Co-Pilot könne so Möglichkeiten der Beschäftigung und Rückkehr in den Beruf für Fachkräfte ebenso wie für engagierte Betroffene schaffen. „Da der Pflege-Co-Pilot als Leistungsanspruch der sozialen Pflegeversicherung konzipiert ist, sollten Details zur Qualifikation und zu Umfang und Inhalten von Weiterbildungen von der Selbstverwaltung näher ausgestaltet werden“, so der Pflegebevollmächtigte.
VdK befürwortete das Konzept
Der Sozialverband VdK befürwortete die Forderungen von Westerfellhaus. „Menschen, die zu Hause gepflegt werden, fühlen sich oft wie im Dschungel. Keiner blickt mehr durch“, sagte die VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Die Bürokratie überfordert die Menschen. Viele beantragen bestimmte Leistungen erst gar nicht. Mit dem neuen Konzept des Pflegebevollmächtigten würde sich der Bürokratiedschungel lichten.“ © fos/aerzteblatt.de

Rechtsliche Stellung der Pflegeperson
Wenn überhaupt, müsste die Pflegekasse die Steuern bezahlen, da sie der Auftraggeber und Zahler ist, und darüber hinaus auch noch die Qualitätssicherung der Pflege, die mit dem Pflegegeld bezahlt wird, überwacht (vergl SGB XI §37 Absatz 3). Die Pflegekasse wäre hier der Arbeitgeber im Sinne des EStG §19 (vergl Schmidt, ESTG, Kommentar, 2019, §19 Absatz 1 Rd10 ff). Diesen Tatbestand mit seinen Merkmalen bestreitet jedoch das Finanzamt regelmäßig und will Lohnsteuer von dem Pflegebedürftigen für das gesetzliche Pflegegeld und Verhinderungspflege einfordern. Hier gilt es jedoch Kante zu zeigen, um Betrügereien von Seiten der Finanzwirtschaft, Zoll und Staatsanwaltschaft vorzubeugen. Wir haben eine Anrufauskunft (EStG §42e) beim Finanzamt, und in diesem Zusammenhang eine Klage vor dem Finanzgericht rechtshängig, mit der Maßgabe, dass nicht der Pflegebedürftige die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das gesetzliche Pflegegeld hat, sondern die Pflegekasse, und demzufolge auch die Pflegekasse, wenn überhaupt, als steuerlicher Arbeitgeber zur Zahlung der Lohnsteuer aus dem gesetzlichen Pflegegeld verpflichtet wäre.
Sozialrechtlich ist die Stellung der Pflegeperson SGB XI §19 (Ersatzpflegeperson SGB XI §39) in zahlreichen Sozialgesetzbüchern und vom Deutschen Bundestag geregelt (BT-Druck 12/5262, Seite 100ff) jedoch für die völlig überlasteten pflegenden Angehörigen unauffindbar und damit nicht einforderbar. Die Pflegeperson ist keine Beschäftigte (SGB IV §7 Absatz 1), weswegen auch die Gesamtheit der sozialen Schutzgesetze nicht greifen, nämlich Mindestlohngesetz, Arbeitszeitgesetz, Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz §2ff, usw. Das verstehen jedoch die Finanzverwaltungen nicht, die der Pflegeperson buw Pflegebedürftigen immer wieder ein Beschäftigungsverhältnis andichten wollen (EStG §19), damit sie Lohnsteuer abkassieren dürfen.
Das gesetzliche Pflegegeld ist von Sozialversicherungsabgaben bis zur ganzen bewilligten Höhe befreit (SGB VI §3 Nr 4 Satz 2). Mit Aufnahme bzw Bekanntgabe der Pflegetätigkeit ist die Pflegeperson gesetzlich rentenversichert, und unfallversichert (SGB XI §44). Die Beitragskosten gehen zu Lasten der gesetzlichen Pflegeversicherung des gesetzlichen Pflegebedürftigen. Unfälle im Zusammenhang mit der Pflege sind als Arbeitsunfälle versichert, und die Pflegezeit wird mit für die Berechnung der gesetzlichen Rentenzeit angerechnet. Hier muß die Pflegeperson auch wieder Kante zeigen gegenüber der Pflegekasse des Pflegebedürftigen, da es sich hier um eine beliebte Spielwiese des Abrechnungsbetruges zu Lasten der Pflegepersonen handelt.
Das System will es so, dass die Pflegebedürftigen und deren Angehörigen im Unklaren gelassen werden. Nur durch zahllose, verwirrende gesetzliche Vorgaben gelingt der Abrechnungsbetrug zu Lasten der Versicherten. Es ginge ja auch einfacher, wie zB bei der privaten Pflegeversicherung oder in Österreich. Hier bekommt die pflegebedürftige Person das gesetzliche Pflegegeld steuerfrei und sozialversicherungsfrei ausgezahlt und darf selbst bestimmt seine Pflege organisieren.

die pflegenden Angehörigen vergessen?
Sehr geehrter Herr Westerfellhaus,
Die von Ihnen zur Diskussion gestellte Broschüre zum Entlastungsbudget habe ich gelesen.
Ich pflege seit 18 Jahren meinen schwerstbehinderten Mann nach einer Hirnblutung (Rollstuhl, Aphasie), inzwischen in Pflegegrad 5. Unterstützt werde ich von meiner Tochter, Familienmitgliedern, einem Assistenzdienst und immer wieder von privat gesuchten Entlastungshilfen.
Außerdem sucht mein Mann eine ambulante Tagespflege auf, (die inzwischen von der PV nicht mehr anerkannt wird). Wir können sie nur durch die Umwidmung der Sachleistung in Entlastungsangebote in Anspruch nehmen. Das ist zwar ein desaströses Abrechnungsmonster, aber war bisher ein Mehrgewinn. Durch die von Ihnen vorgestellten Veränderungen sehe ich diese wichtige Entlastung für mich in Gefahr.
Wertschätzung für die Leistung der pflegenden Angehörigen kann ich Ihrer Broschüre nicht entnehmen. Darin werden „Pflegepersonen“ als durchweg überlastet und unselbständig dargestellt. Mein breitgefächertes Aufgabengebiet von der Grundpflege bis zur rechtlichen Betreuung wird in keiner Weise gewürdigt, sondern als von mir zu erbringende Leistung einkalkuliert. Statt Bürokratie abzubauen, schaffen sie einen neuen Berufsstand zur Bewältigung der neuen Gesetze (die ja angeblich einfacher werden sollen), den Pflege Co-Piloten. Es stimmt. Viele wünschen sich Pflegebegleitung, aber sie haben dabei ganz andere Bedürfnisse: Gespräche , zuhören , Verständnis, Unterstützung im Alltag, Warnung vor den Tücken der Gesetze, die viele nicht durchschauen. Sind nicht die Pflegestützpunkte der Ort, der die Beratung und regionale Vernetzung übernimmt ?
Ich habe eine verwaltungs – als auch kaufmännische Ausbildung, aber die Hürden und Hintertüren der Krankenkassen bringen mich oft zur Verzweiflung oder zum Scheitern. Um diesen Dschungel zu lichten müssten ganz andere Stellschrauben gedreht werden.
Ihr anvisiertes Pflegebudget lässt offen, ob das Pflegegeld weiter steuer- und anrechnungsfrei im Sozialbezug als Anerkennung an die Pflegeperson weitergegeben werden darf.
Ein Beispiel: Sie geben in PG 5 ein Pflegebudget von 1100€ (50%) bei Nicht-Inanspruchnahme professioneller Pflege an.
Unter den bisherigen Voraussetzungen bekomme ich 901 Pflegegeld, monatlich 201€ bei höchstmögliche Verhinderungspflege(1.612 zzgl. 50% Übertrag der Kurzzeitpflege durch 12), zzgl.40 € für Pflegehilfsmittel, das ergibt 1.142 EUR. Allein das sind schon 41 Euro mehr, als die in ihrem Budget anvisierten Beträge. Bei gleichbleibenden Pflegeleistungen wird mein Mann einen voraussichtlichen Verlust von über 100€ Pflegegeld, dann Pflegebudget haben.
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Was wird aus den Eigenanteilen im teil-/stationären Bereich? Es soll viel Geld geben, das uns aber schon heute als Rechtsanspruch zusteht.
Was ist mit nachbarschaftlichen und freundschaftlichen Hilfen? Diese für uns unersetzlichen Entlastungen können wir bisher über Verhinderungspflege abrechnen, sind aber in Zukunft nicht mehr vorgesehen schmälern das Pflegebudget weiter als je zuvor. Ambulante Kurzeitpflegemöglichkeiten und neue Pflegekonzepte fallen damit völlig unter den Tisch. Diese Fragen bleiben für uns pflege erfahrenen Familienmitglieder offen.
Sie wollen Anreize schaffen für den stationären Bereich. Ja, es fehlen Kurzzeitpflegeplätze, ja es werden Tagespflegen und insbesondere Nachtpflegen benötigt, aber diese zu Lasten der Angehörigen anzuregen, finde ich unter den realen Pflegebedingungen schon fast verwerflich.
Ich dachte, Sie seien als Pflegebevollmächtigter nicht nur für den Ausbau der professionellen und stationären Hilfen zuständig, sondern ebenso für die Rahmenbedingungen der pflegenden Angehörigen. Schließlich tragen sie die die Hauptlast der Pflegearbeit – unentgeltlich!
Sie protegieren die professionelle Pflege und trieben damit einen noch größeren Keil in die formelle und informelle Pflege. Wir brauchen „“Eines für Alles“ um eine freie Entscheidung für das richtige Pflegearrangement treffen zu können. Ich möchte deswegen auf das BTHG verweisen , das auf dem Papier -wenigstens teilweise- die Trennung von ambulant und stationären Wohnformen aufgegeben hat. So müsste endlich auch die Trennung der drei Pflegebereiche endlich aufgebrochen werden.
Enttäuschte Grüße

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