Medizin
Familiärer Alzheimer: Antikörper können Verlust von kognitiven Fähigkeiten in Studie nicht verhindern
Mittwoch, 12. Februar 2020
St. Louis/Missouri – Die beiden Antikörper Gantenerumab und Solanezumab, die Beta-Amyloide aus dem Gehirn entfernen sollen, haben in einer internationalen Studie den Verlust von kognitiven Fähigkeiten bei Personen mit einer dominant vererbten Alzheimer-Krankheit nicht verhindert. Dies teilten die beteiligten Institutionen und Hersteller in Pressemitteilungen der Öffentlichkeit mit. Endgültige Ergebnisse sollen im Frühjahr auf Fachtagungen vorgestellt werden.
Etwa 1 % aller Alzheimer-Erkrankungen werden durch Mutationen in einem der 3 Gene APP, PSEN1 oder PSEN2 verursacht. Die Erkrankung ist autosomal-dominant. Die Kinder der Patienten haben deshalb mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % ebenfalls die genetische Anlage zur Alzheimer-Erkrankung. Die Erkrankung ist zwar extrem selten (weniger als 1 % aller Alzheimerfälle), sie bietet jedoch die Möglichkeit, neue Therapien zu erproben, die in der Frühphase der Erkrankung wirksam sein könnten.
Zu den aktuellen Therapieansätzen gehören die beiden monoklonalen Antikörper Gantenerumab und Solanezumab. Sie sollen die Beta-Amyloide aus dem Gehirn entfernen, bevor es zu einer Akkumulation kommt. Ablagerungen von Beta-Amyloide sind ein zentrales Kennzeichen des Morbus Alzheimer. Dass sie auch für die Erkrankung verantwortlich sind (und nicht einfach Folge des Neuronentods) wird zunehmend bezweifelt. Denn bisher sind alle Versuche, den Verlauf der Erkrankung durch Antikörper zu beeinflussen, erfolglos geblieben.
Jetzt gab das internationale Forscherteam DIAN („Dominantly Inherited Alzheimer Network“) das Scheitern einer weiteren Studie bekannt. An der DIAN-TU (TU steht für „Trials Unit“) nahmen an 42 Zentren in 14 Ländern (deutsche Beteiligung: Tübingen und LMU München) 194 Patienten teil, in deren Familie eine autosomal-dominante Alzheimer-Erkrankung aufgetreten war und die deshalb eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, selbst zu erkranken.
Die Teilnehmer wurden auf eine Behandlung mit Solanezumab, Gantenerumab oder Placebo randomisiert. Zum Vergleich wurden auch Familienmitglieder einbezogen, die keine Alzheimer-Mutation hatten. Die Behandlung erfolgte alle 4 Wochen intravenös (Solanezumab versus Placebo) oder subkutan (Gantenerumab versus Placebo). Die Dosis der Antikörper wurde zu Beginn der Studie langsam erhöht, um eine möglichst große Wirkung zu erzielen.
Die Behandlung wurde etwa 15 Jahre vor dem erwarteten Einsetzen der Symptome begonnen. Damit sollte einer Kritik an früheren Studien begegnet werden. Dort waren die Patienten erst behandelt worden, als sie bereits kognitive Störungen entwickelt hatten. Zu diesem Zeitpunkt könnten die Ablagerungen bereits soweit fortgeschritten sein, dass sich der Krankheitsprozess nicht mehr aufhalten lässt.
zum Thema
- Pressemitteilung der Washington University School of Medicine
- Pressemitteilung der Alzheimer’s Association
- Pressemitteilung von Genentech
- Pressemitteilung von Lilly
- Registrierung der Studie DIAN-TU
- Registrierung der A4-Studie
- Registrierung einer Phase-3-Studie zu Gantenerumab
- Registrierung einer Phase-3-Studie zu Gantenerumab
aerzteblatt.de
Diese Einwände treffen auf DIAN-TU nicht zu. Dennoch gelang es offenbar nicht, die kognitiven Fähigkeiten der Patienten zu erhalten. Details zu den Ergebnissen wurden noch nicht mitgeteilt. Es besteht zudem noch Hoffnung, dass in den Hirnscans noch ein Rückgang der Ablagerungen gefunden werden oder die Liquor- und Blutproben noch Hinweise auf eine positive Wirkung der Behandlung enthalten.
Die Auswertungen seien noch nicht abgeschlossen, teilte das Team um Randall Bateman von der Washington University School of Medicine in St. Louis mit. Abschließende Ergebnisse sollen am 2. April auf der Tagung „Advances in Alzheimer’s and Parkinson’s Therapies“ in Wien und im Juli auf der „Alzheimer’s Association International Conference“ in Amsterdam vorgestellt werden.
Die beiden Hersteller teilten mit, dass sie die klinische Entwicklung der Antikörper trotz der enttäuschenden Ergebnisse fortsetzen wollen. Solanezumab wird derzeit in der A4-Studie („Anti-Amyloid Treatment in Asymptomatic Alzheimer’s“) an 1.150 Patienten untersucht, bei denen in der Positronenemissionstomografie mit dem Tracer Florbetapir Amyloidablagerungen nachgewiesen wurden, die im MMSE-Test aber noch keine Anzeichen einer Demenz haben. Ergebnisse werden für 2022 erwartet.
Die klinischen Wirkungen von Gantenerumab werden derzeit in 2 Phase-3-Studien (GRADUATE 1 und 2) an Patienten mit sporadischem Morbus Alzheimer untersucht. Erste Ergebnisse könnten ebenfalls für 2022 vorliegen.
In den vergangenen Jahren sind mehrfach monoklonale Antikörper in Studien zur Behandlung des Morbus Alzheimer gescheitert. Zuletzt waren Negativergebnisse zu Aducanumab und Crenezumab veröffentlicht worden. Solanezumab hatte in der EXPEDITION-Studie nicht die erwarteten Ergebnisse erzielt. © rme/aerzteblatt.de
Liebe Leserinnen und Leser,
diesen Artikel können Sie mit dem kostenfreien „Mein-DÄ-Zugang“ lesen.
Sind Sie schon registriert, geben Sie einfach Ihre Zugangsdaten ein.
Oder registrieren Sie sich kostenfrei, um exklusiv diesen Beitrag aufzurufen.
Login
Loggen Sie sich auf Mein DÄ ein
Passwort vergessen? Registrieren

Amyloid-Theorie bei M. Alzheimer löcherig
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-20564-2016-09-01.html
"Retinal amyloid pathology and proof-of-concept imaging trial in Alzheimer’s disease" von Yosef Koronyo et al. ist nur der augenärztliche Anschein eines Konzeptes einer unbewiesenen Hypothese.
https://insight.jci.org/articles/view/93621
Eine Spezifität von 91 Prozent bedeutet, bei neun Prozent fällt der Test irrtümlich positiv aus, obwohl die Patienten gesund sind. Damit ist ein Amyloid-Test nicht zur alleinigen Frühdiagnose von Morbus Alzheimer geeignet. Die Sensitivität von 71 Prozent übersieht Patienten mit beginnender Alzheimer-Demenz. Das Forschungsteam von Andreas Nabers et al. mit "Amyloid blood biomarker detects Alzheimer's disease"
DOI 10.15252/emmm.201708763 | Published online 06.04.2018 nimmt das
sportlich-zynisch: "Das wäre derzeit nicht so schwerwiegend. Da es keine wirksame Behandlung gibt, die den Verlauf der Erkrankung stoppt, hätten die übersehenen Patienten keine Nachteile".
Dass "ein Viertel aller Menschen, die an einer mittelschweren bis schweren Demenz erkrankt sind, gar keine ausgedehnten Amyloid-Ablagerungen im Gehirn [haben]. Dies kam in einer Studie in JAMA Neurology (2015; doi: 10.1001/jamaneurol.2015.1721) heraus. Bei Patienten ohne den genetischen Risikofaktor APOE4 lag der Anteil sogar nur bei einem Drittel", scheint Manchen unbekannt. "Die Entwicklung von Liquortests auf Beta-Amyloide und die PET mit dem Tracer Pittsburgh compound B haben...gezeigt, dass viele Patienten mit einer klinischen Alzheimer-Diagnose gar keine oder nur wenige Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn haben, die das zentrale Kennzeichen der Erkrankung" sein sollen. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/63899/Viele-Demenzpatienten-haben-keine-Amyloid-Ablagerungen-im-Gehirn
Die Alzheimer Krankheit monokausal auf Amyloid Ablagerungen im Gehirn reduzieren zu wollen, entspricht eher empirisch-naivem Denken als wissenschaftlichen Standards. Dazu eine Publikation aus 2017: "Poor sleep is associated with CSF biomarkers of amyloid pathology in cognitively normal adults" von Kate E. Sprecher et al.
http://n.neurology.org/content/early/2017/07/05/WNL.0000000000004171
Diese unterstreicht, dass die Amyloid-Theorie beim Alzheimer Symptomenkomplex in etwa so löchrig wie ein Schweizer Käse sein könnte.
Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Nachrichten zum Thema

Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.