Medizin
Studie: Smartphone Apps können Hautkrebs kaum erkennen
Mittwoch, 12. Februar 2020
Birmingham – Smartphone-Apps wie SkinScan oder SkinVision werden als Frühwarnsysteme für Hautkrebs beworben. Der klinische Nutzen der Algorithmen ist jedoch kaum untersucht und die wenigen publizierten Ergebnisse werfen laut einer systematischen Übersicht im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2020; doi: 10.1136/bmj.m127) kein günstiges Licht auf die Apps.
Die Kameras von Smartphones sind mittlerweile so gut, dass sie hochauflösende Bilder von Hautveränderungen ermöglichen. Die Bilder werden jedoch nicht, wie dies telemedizinisch möglich wäre, an einen Facharzt zur Bewertung übermittelt. Stattdessen entscheidet ein Algorithmus darüber, ob es sich um ein harmloses Naevus handelt oder um eine verdächtige Läsion, die eine ärztliche Überprüfung erfordert.
Die Apps werben damit, dass sie medizinische Geräte der Klasse 1 (CE-Zertifikat) „für unterstützende Informationen zu pigmentierten Hautläsionen und zur Selbstuntersuchung der Haut“ (SkinScan-Website) sind. SkinVision wähnt sich laut der Homepage gar auf einer „Mission, im nächsten Jahrzehnt 250.000 Menschenleben zu retten“.
Anders als in den USA müssen die Hersteller den klinischen Nutzen ihrer Apps in Europa nicht in Studien belegen, um ein CE-Zertifikat zu erwerben. In den USA ist deshalb keine App von der FDA zur Hautkrebsdiagnose zugelassen. Ohne diese Zulassung droht ein Verbot. Die Hersteller von „MelApp“ und “Mole Detective“ haben ihre Apps zurückgezogen, nachdem sie von der „Federal Trade Commission“, einer staatlichen Verbraucherschutzbehörde, eine Abmahnung erhalten hatten.
zum Thema
- Abstract der Studie im BMJ 2020
- Pressemitteilung des Journals
- Pressemitteilung der Universität Birmingham
Deutsches Ärzteblatt print
aerzteblatt.de
Ein Team um Jonathan Deeks von der Universität Birmingham hat in der Fachliteratur nach Studien gesucht, die die Effektivität der Apps untersucht haben. Zu SkinScan fanden sie eine einzige Studie. Dort wurden 15 Naevi untersucht, unter denen sich 5 Melanome befanden. Die App identifizierte laut Deeks keines der Melanome (Sensitivität 0 %), es wurde aber keine der unverdächtigen Naevi für ein Melanom gehalten (Spezifität 100 %).
SkinVision wurde in 2 Studien evaluiert. Eine Studie mit 108 Naevi (darunter 35 Krebse oder Präkanzerosen) erzielte eine Sensitivität von 88 % und eine Spezifität von 79 %. Dies bedeutet, dass 12 % der Patienten mit krebsartigen oder präkanzerösen Naevi übersehen wurden, während 21 % der gutartigen Naevi fälschlicherweise als potenziell krebsartig eingestuft wurden.
In einer Bevölkerung von 1.000 Anwendern, von denen 3 % ein Melanom haben, würde SkinVision 4 von 30 Melanomen übersehen. Dagegen würden 200 Menschen fälschlicherweise die Meldung erhalten, dass ihr Muttermal ein medizinisches Problem darstellt.
Die Fehlerrate könnte nach Ansicht von Deeks noch größer sein. Denn die Fotos wurden in den Studien nicht von Anwendern gemacht, sondern beispielsweise von Fachärzten, die wissen, wie man einen Naevus ins Licht setzt, um die Chancen auf eine Fotodiagnose zu erhöhen.
Nach Ansicht von Deeks können die Smartphone-Apps den Verbrauchern derzeit nicht zur Kontrolle von Muttermalen empfohlen werden. Die CE-Kennzeichnung sei nicht ausreichend, um die Nutzer vor den mit einer Fehldiagnose verbundenen Risiken zu schützen. © rme/aerzteblatt.de
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