Ausland
Drastischer Anstieg neuer Sars-CoV-2-Fälle in China
Donnerstag, 13. Februar 2020
Peking – Eine neue Einstufung der Ansteckungen in der schwer vom Coronavirus Sars-CoV-2 besonders betroffenen Provinz Hubei in Zentralchina hat zu einem drastischen Anstieg offiziell gemeldeter Fälle geführt. Die Zahl erfasster Todesfälle habe sich mit 254 landesweit innerhalb eines Tages mehr als verdoppelt, berichtete die Gesundheitskommission heute in Peking.
Damit sind schon mehr als 1.300 Tote zu beklagen. Die Zahl neuer Infektionen versiebenfachte sich im Vergleich zu den Tagen davor: Mehr als 15.100 Fälle kamen hinzu. Landesweit steigt die Zahl der Fälle auf fast 60.000.
Allein in der schwer betroffenen Provinz Hubei stieg die Zahl der offiziell erfassten Infektionen um mehr als 14.800 auf 48.200. Wie die Gesundheitskommission der Provinz mitteilte, wurde die Erfassung von Diagnoseergebnissen nach einer Untersuchung „überarbeitet“.
Patienten seien gemäß der neuen Klassifikation hinzugefügt worden. Demnach werden jetzt auch klinische Diagnosen in die Statistik bestätigter Fälle aufgenommen. Nach Angaben der Pekinger Gesundheitskommission handelt es sich allein um gut 13.300 neue Fälle mit klinischen Diagnosen. Unklar war zunächst, wie weit sie zurückgehen.
Wie die Zeitung China Daily unter Berufung auf chinesische Experten erläuterte, können Ärzte jetzt eine offizielle Diagnose stellen, die auf einer Kombination von Faktoren wie Lungenbildern, dem physischen Zustand und der epidemiologischen Vorgeschichte beruht.
Bislang waren demnach nur Tests im Labor dafür maßgeblich. Mit diesem Verfahren waren aber wohl viele Erkrankungen erst nach drei oder vier Tests auch tatsächlich als Sars-CoV-2-Infektion erkannt worden.
Generell vermuten Experten eine sehr hohe Dunkelziffer im Land. So sind die Möglichkeiten für Labortests begrenzt. Zudem erscheint das sich wandelnde Berichterstattungssystem Chinas mit unterschiedlichen Definitionen der einzelnen Fälle kompliziert. Die täglich berichteten Zahlen repräsentieren laut Experten somit eher die Fähigkeiten, Fälle zu identifizieren und zu melden, als das wirkliche Ausmaß der Epidemie.
Rund zwei Monate nach dem Ausbruch der Epidemie gab es indessen weitere personelle Konsequenzen: Die Parteichefs sowohl der Provinz als auch der Metropole Wuhan wurden abgelöst, wie das Staatsfernsehen berichtete. Zuletzt war die Kritik an der Untätigkeit oder langsamen Reaktion der Behörden auf den Ausbruch immer lauter geworden.
Der Parteichef der Provinz Jiang Chaoliang wurde von Shanghais Bürgermeister Ying Yong ersetzt, der als Schützling von Staats- und Parteichef Xi Jinping gilt. In Wuhan wurde der städtische Parteichef Ma Guoqiang vom bisherigen Parteichef der Metropole Jinan in der Provinz Shandong abgelöst.
Bereits vorgestern waren die Chefs der Gesundheitskommission der Provinz entlassen worden. Die Personalwechsel werteten Beobachter als Zeichen der Unzufriedenheit der chinesischen Führung mit den örtlichen Politikern.
Für landesweite Bestürzung und Anteilnahme hatte vergangene Woche der Tod des Arztes Li Wenliang gesorgt, der früh vor dem Ausbruch einer neuartigen Lungenkrankheit gewarnt hatte, aber laut Berichten gezwungen wurde, diese „Gerüchte“ nicht weiter zu verbreiten. Der 34-Jährige starb, weil er selbst an Covid-19 erkrankte. Die Parteiführung entsandte vor knapp einer Woche eine Kommission nach Wuhan, um die „Fragen des Volkes“ zu den Vorfällen zu untersuchen. © dpa/aerzteblatt.de

Um mindestens den Faktor 10 geschönt
Mai He, Li Li, Louis P Dehner, Lucia Dunn: "Cremation based estimates suggest significant under- and delayed reporting of COVID-19 epidemic data in Wuhan and China" (1)
Danach ergeben sich: "[...] the estimates projected on February 7, 2020 in Wuhan range from 305,000 to 1,272,000 for infections and from 6,811 to 7,223 for deaths - on the order of at least 10 times the official figures (13,603 and 545)."
(1) medRxiv 2020.05.28.20116012; doi: https://doi.org/10.1101/2020.05.28.20116012

Dem offiziellen chinesischen Zahlenwerk
Setzt man dagegen die außerhalb Chinas ermittelten Zahlen an, wird das Abbild der Epidemie schon deutlicher.
Im heute Nachmittag live abgehaltenen Pressebriefing (1) der Leopoldina in Zusammenarbeit mit dem Sciencemediacentre (2) kamen Prof. Dr. Christian Drosten (Virologie, Charité), Prof. Dr. Heyo K. Kroemer (Vorstand Charité), Prof. Dr. Lothar H. Wieler (RKI) und per Schalte Prof. Dr. Clemens Wendtner (Infektiologie München Schwabing ) mit jeweils ihrer aktuellen Einschätzung und der Faktenlage zu Wort.
Wesentliche Erkenntnis: der Hauptbereich, in dem sich das Virus vermehrt, liegt nicht wie bei SARS in den tieferen Regionen der Lunge, sondern im Nasen- Rachenraum. Und ähnelt – auch in Bezug auf die Infektiosität – damit der Influenza. Die Mortalität wird den Experten zufolge auf 0,2% beziffert.
Drosten verwahrte sich ausdrücklich gegen Schuldzuweisungen, diese Epidemie wie auch alle anderen seien stets ein Naturphänomen. Und für den Fall eines hiesigen Auftretens mahnte er, „ […] jeder in Deutschland möge dann mitdenken!“
Mit dem vorhin genannten Quotienten von 0,2% und angenommenen Todesfällen von 1.500 (1.300 sind Stand gestern) ergibt sich die Zahl der Infektionen zu realistischeren 750.000
(1) Aufzeichnung, DUR: ca. 69 Min
https://www.youtube.com/watch?v=U0XKAqgxfqk
( Livestream Zuschauer Ø = 76 )
(2) Hier wird in den nächsten Tagen auch noch das komplette Transkript eingestellt:
https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/press-briefing/details/news/wie-gefaehrlich-wird-das-neue-coronavirus/

Nachrichten zum Thema



Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.