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Politik

Arzneimittel­nutzenbewertung: Gemeinsamer Bundesausschuss sollte Register finanzieren

Dienstag, 18. Februar 2020

/unpict, stock.adobe.com

Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sollte die Register finanzieren, in de­nen anwendungsbegleitend Daten zum Zusatznutzen von neuen Arzneimitteln ge­sammelt und ausgewertet werden. Das hat heute in Berlin der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, gefordert. „Das hätte den großen Vorteil, dass wir dann auch Herr der Daten wären“, sagte er bei einer Veranstaltung von RS Medical Consult zur evidenz­generierenden Versorgung.

Zum Hintergrund: Insbesondere Medikamente gegen seltene Erkrankungen oder be­schleu­nigt zugelassene Arzneimittel werden häufig auf einer relativ begrenzten Daten­grund­lage zugelassen. Das stellt auch deren frühe Nutzenbewertung vor große Heraus­forde­rungen. Der Gesetzgeber hat deshalb im Gesetz für mehr Sicherheit in der Arznei­mittelversorgung (GSAV) dem G-BA die Möglichkeit eingeräumt, für betroffene Präparate „anwendungs­begleitende Datenerhebungen“ anzuordnen.

In der Folge hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Januar die Qualitätsanforderungen für diese Daten veröffentlicht. Es kommt zu dem Schluss, dass neben zusätzlich aufgelegten individuellen Studien in erster Linie in­di­kationsbezogene Patientenregister für die Bewertung des Zusatznutzens eines neuen Arz­neimittels infrage kommen.

Evidenzlücken schließen

„Wir müssen die Evidenzlücken identifizieren, die wir unbedingt schließen müssen“, sagte Hecken heute. Eine anwendungsbegleitende Datenerhebung werde der G-BA nur dann einfordern, wenn sich ernsthafte Fragen hinsichtlich des Schadenspotenzials eines neuen Medikaments stellten oder Aussagen zu patientenrelevanten Endpunkten fehlten.

Dabei teilt der G-BA-Vorsitzende die Ansicht, die auch das IQWiG in seinem Bericht zu den Qualitätsanforderungen an die Datenerhebung beschreibt, dass zurzeit elektronische Patientenakten (ePA) und die Abrechnungsdaten der Krankenkassen als Quellen für die Bewertung des Zusatznutzens nicht infrage kommen.

Die ePAs seien flächendeckend schlicht nicht vorhanden und die Krankenkassendaten seien „viel zu unvalide“, erklärte Hecken. Daraus könne man keine Aussagen zu patienten­relevanten Endpunkten wie Morbidität, Mortalität, Lebensqualität oder Nebenwirkungen ableiten. „Da kann ich bestenfalls sehen, ob der Patient noch lebt. Wenn nicht, kann ich aber kaum erkennen, woran er gestorben ist“, meinte der G-BA-Vorsitzende.

Patienten haben rasch Zugang zu Innovationen

Man könne stolz darauf sein, dass in Deutschland Arzneimittel mit der Zulassung er­stattungsfähig und damit gerade auch für schwer kranke Patienten verfügbar seien, meinte Hecken. Allerdings habe der G-BA bei zwei Drittel der neu zugelassenen Arznei­mittel gegen seltene Erkrankungen aufgrund von Evidenzlücken keinen Zusatznutzen quantifizieren können. Dabei hätten Orphanpräparate einen Verordnungsanteil von 0,05 Prozent, machten aber 9,1 Prozent des Arzneimittelumsatzes aus.

Neben der Möglichkeit, anwendungsbegleitende Datenerhebungen einzufordern, kann der G-BA nach dem GSAV die Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien auf spezialisierte Zentren beschränken. Auch das hält Hecken für sinnvoll. Es gelte einige der neuen Therapien „aus der Allerweltsversorgung“ herauszuhalten.

So komme es bei Zolgensma, der millionenteuren Gentherapie zur Behandlung der Spina­len Muskelatrophie bei Kindern, vor allem auf eine saubere Indikationsstellung an, die nur Spezialisten vornehmen könnten.

Interview mit Prof. Dr. med. Jürgen Windeler, Leiter(IQWiG): „Wir vergleichen neue Therapien mit dem Versorgungsstandard“

IQWiG-Leiter Jürgen Windeler über Evidenzlücken, die die Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln erschweren und die Notwendigkeit, Register zu schaffen, die es ermöglichen, schnell zusätzliche Daten zu generieren. Warum ist die anwendungsbegleitende Datenerhebung für die Bewertung des Zusatznutzens neuer Arzneimittel wichtig? Die Datenlage ist vor allem bei Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen

Bei CAR-T-Zellen gehe es dagegen darum sicherzustellen, dass die Zentren über eine gute intensivmedizinische Ausstattung verfügten, um mögliche schwere Nebenwirkungen zu managen. Nur wenn solche Maßnahmen zur Qualitätssicherung eingehalten würden, könne man am Ende des Tages sagen, ob ein Patientenschaden auf ein neues Medika­ment oder die fehlende Infrastruktur zurückzuführen sei, erklärte Hecken.

Unternehmen im Vorfeld der Zulassung beraten

Evidenzlücken gebe es vor allem bei Aussagen zu den patientenrelevanten Endpunkten, erklärte IQWiG-Ressortleiter Thomas Kaiser. Regelhaft fehlten auch Daten zur Kontroll­gruppe, selbst wenn bereits andere Medikamente für die betroffene Indikation im Markt seien. Wolle man diese Lücken mithilfe von Registern schließen, müssten diese aber be­stimmten Anforderungen genügen.

So könne man eine Erhebung nicht auf Daten beschränken, die per se in der Versorgung erfasst würden. Patientenrelevante Endpunkte würden dabei ausgeklammert. Außerdem müsse der Erhebung ein Studienprotokoll zugrunde liegen.

„Wir brauchen Standardprotokolle“, sagte Kaiser an die Industrie gewandt. „Und wir brau­chen eine ausreichende Finanzierung der Register.“ Man dürfe die Zulassung neuer Thera­pien nicht verzögern, erklärte der IQWiG-Ressortleiter.

„Aber wir müssen uns um die Lücken kümmern und dafür sorgen, dass sie zügig ge­schloss­en werden.“ Kaiser plädierte ähnlich wie Hecken dafür, dass sich die Pharmaunter­nehmen möglichst bereits im Vorfeld der Zulassung über mögliche Anforderungen für die Nutzenbewertung beraten lassen. © HK/aerzteblatt.de

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