Ausland
Chinesische Forscher befürchteten schon im März 2019 neues Coronavirus
Donnerstag, 20. Februar 2020
Peking – Schon vor einem Jahr haben chinesische Wissenschaftler eindringlich vor dem möglichen Auftauchen eines neuen Coronavirus gewarnt. Das Forschungspapier liest sich wie das Skript für den Ausbruch des Coronavirus Sars-CoV-2, mit dem sich in China und in mehr als zwei Dutzend Ländern inzwischen Zehntausende Menschen angesteckt haben. Mehr als 2.000 sind gestorben.
Die Autoren sind vier Forscher des Instituts für Virologie in der heute schwer von der Covid-19 genannten Lungenkrankheit betroffenen Metropole Wuhan und der Universität der chinesischen Akademie der Wissenschaften.
Es sei „höchst wahrscheinlich“, dass der Erreger von Fledermäusen ausgehen werde. „Und es gibt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass es in China passiert“, hieß es in der Studie, die bereits im März 2019 im Fachjournal Viruses veröffentlicht wurde.
Die Studie zeigt, dass eine solche Epidemie durchaus erwartbar war. Verwiesen wird darin auf das Virus Sars-CoV 2002/2003 hinter dem Schweren Akuten Atemwegssyndrom (Sars) mit 774 erfassten Toten weltweit und ein weiteres, Sads-CoV genanntes Coronavirus 2017 in China, das nur Schweine befallen hatte. Beide Erreger stammten von Fledermäusen.
Es sei dringend erforderlich, die Hintergründe dafür zu analysieren, dass die Erreger auf Menschen beziehungsweise Schweine übergingen, hatten die Forscher angemahnt. In China lebten Fledermäuse nahe bei Menschen. Erreger könnten leicht auf Menschen oder Tiere übertragen werden. Auch die Nahrungsmittelkultur in China erhöhe das Risiko. „China ist wahrscheinlich der Krisenherd.“
Auf die Warnungen gab es keine Reaktionen. Auch nach der Sars-Epidemie 2002/2003 blühte der Wildtierhandel im Land weiter. Wie bei Sars wird auch bei Covid-19 davon ausgegangen, dass der Erreger auf einem Wildtiermarkt auf den Menschen übersprang.
Als Ursprungsort gilt ein Markt in Wuhan, auf dem exotische Tiere zum Verzehr verkauft wurden. Welche Tierart als Zwischenwirt zwischen Fledermaus und Mensch fungierte, ist bisher unklar. Ein direkter Übergang von Fledermäusen auf den Menschen gilt als unwahrscheinlich.
Frühe Warnungen von Ärzten, die schon im Dezember 2019 Übertragungen einer neuartigen Lungenkrankheit von Mensch zu Mensch beobachtet hatten, wurden in den Wind geschlagen. Ärzte wie der Anfang des Monats selbst an der Lungenkrankheit gestorbene Li Wenliang wurden mundtot gemacht. Erst am 20. Januar 2020 wurde offiziell eingeräumt, dass das Virus zwischen Menschen übertragen werden kann.
Die anfängliche Vertuschung und langsame Reaktion lokaler Behörden hat scharfe Kritik ausgelöst – jetzt scheint auch Staats- und Parteichef Xi Jinping unter Druck geraten zu sein. Das Milliardenvolk fragt sich, wer von den Verantwortlichen was und vor allem wann schon gewusst hat – und warum zunächst trotzdem nichts geschah.
Solche Fragen könnten Xi Jinping gefährlich werden. Der Präsident ging in die Offensive. Eine Rede wurde veröffentlicht, die demonstrieren soll, dass er sich schon zwei Wochen früher als bisher bekannt in den Kampf gegen die Epidemie einschaltete.
Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus ist in China nach offiziellen Angaben heute auf dem tiefsten Stand seit Wochen gefallen – allerdings sorgt eine erneut geänderte Zählweise für Verwirrung. Wie aus einem gestern veröffentlichen Papier der Gesundheitskommission hervorging, sollen klinische Diagnosen nicht mehr als offiziell bestätige Fälle in die Statistik einfließen.
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Die besonders betroffene Provinz Hubei, wo das Virus ursprünglich in der Millionenstadt Wuhan ausgebrochen war, hatte vergangene Woche damit begonnen, auch solche Diagnosen zu zählen, die auf einer Kombination von Faktoren wie etwa Lungenbildern und dem körperlichen Zustand beruhen. Nun sollen auch dort wieder nur Labortests maßgeblich sein, die aber laut Experten in der Vergangenheit auch offensichtliche Erkrankungen nicht immer gleich erkannt haben.
Wie die Gesundheitskommission in Peking mitteilte, ging die Zahl neu bestätigter Infektionen auf 394 Fälle zurück, nachdem es am Vortag noch 1.749 gewesen waren. Die Zahl neuer Todesopfer wurde mit 114 angegeben. In Hubei gingen die neuen Infektionen im Vergleich zum Vortag von 1.649 auf 349 zurück. Mehrere Städte meldeten auch negative Zahlen bei neuen Infektionen, was mit der erneut angepassten Zählweise zusammenhängen dürfte.
Insgesamt haben in China nach den offiziellen Angaben bislang 74.576 Menschen die Covid-19 genannte Lungenkrankheit, die vom Coronavirus ausgelöst wird. Experten gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus.
Trotz der rückläufigen Zahlen warnte ein führender chinesischer Wissenschaftler davor, dass das Coronavirus zu einer etablierten Krankheit wie die Influenza-Grippe werden könnte. „Das neue Coronavirus könnte zu einer Langzeitkrankheit werden, die genau wie die Grippe mit dem Menschen koexistiert“, sagte Wang Chen, Präsident der China Academy of Medical Science, gestern im chinesischen Staatsfernsehen.
Außerhalb des chinesischen Festlands sind bislang mehr als 1.000 Infektionen und acht Todesopfer bekannt, davon Infektionen 16 in Deutschland. Der Iran hat nach dem Tod zweier Covid-19-Patienten in Ghom in der iranischen Stadt Sondermaßnahmen ergriffen. Alle Schulen und Hochschulen in Ghom wurden vorläufig geschlossen, wie die staatliche Nachrichtenagentur IRNA berichtete.
Das Gesundheitsministerium schickte Expertenteams in die religiöse Stadt 140 Kilometer südlich der Hauptstadt Teheran. Alle Familienangehörigen der beiden Toten sollen auf das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 getestet werden. Außerdem wurden die fast 1,2 Millionen Einwohner der Stadt gebeten, unnötigen physischen Kontakt zu vermeiden. © dpa/aerzteblatt.de

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