Politik
Equal Care Day: Kulturwandel zur Entlastung der Frauen gefordert
Freitag, 28. Februar 2020
Berlin – Hilfsorganisationen haben anlässlich des morgigen Equal Care Day eine Aufwertung der überwiegend von Frauen geleisteten Erziehungs-, Sorge- und Pflegearbeit gefordert.
„Es sind in Deutschland hauptsächlich Frauen, die sich um andere kümmern – sei es beruflich oder im privaten Umfeld“, erklärte Caritas-Präsident Peter Neher heute in Berlin. Das sei aber mitnichten eine rein private Angelegenheit, zumal es gravierende soziale und sozialpolitische Folgen habe.
Mit dem Equal Care Day wird am Schalttag, dem 29. Februar, alle vier Jahre darauf aufmerksam gemacht, dass Frauen im Durchschnitt viermal so viel Erziehungsarbeit, Pflege von Angehörigen und Haushaltsführung leisten wie Männer.
Der Tag symbolisiert das Verhältnis von 4:1 bei der Verteilung dieser Arbeit und erinnert daran, dass Männer rechnerisch etwa vier Jahre bräuchten, um so viel private, berufliche und ehrenamtliche Fürsorgetätigkeiten zu erbringen wie Frauen in einem Jahr.
Das wiederum hat laut Caritas Folgen für die soziale Absicherung: Erwerbsunterbrechungen und familienbedingte Teilzeitbeschäftigung führen zu geringen Lebenserwerbseinkommen, begründen geringe eigenständige Renten und sind weiter ein Risikofaktor für Altersarmut.
„Viele Paare wollen eine partnerschaftlichere Aufteilung der Familienarbeit“, sagte die Bundesvorsitzende des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), Hildegard Eckert. Steuer- und familienpolitische Strukturen stünden diesem Wunsch in vielen Fällen entgegen.
„Geringe Löhne in typischen Frauenberufen oder Regelungen wie die geringfügigen Beschäftigungen oder Ehegattenmitversicherungen schaffen häufig Anreize, das klassische Modell der Mitverdienerehe zu wählen“, so Eckert.
Auch die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) wies auf negative Auswirkungen einer ungleichen Verteilung von Sorgearbeit hin. Die kfd will mit einem neuen Projekt Frauen bei der Existenzgründung in der Care-Branche unterstützen.
Umfrage zeigt Selbstbild
Eine Umfrage der Organisation Oxfam stellte fest, dass fast die Hälfte der Männer, aber nur ein Viertel der Frauen der Meinung ist, dass die Sorgearbeit in ihrer Partnerschaft gleich aufgeteilt sei. Männer und Frauen bewerten demnach auch den Stand der Geschlechtergerechtigkeit unterschiedlich.
25 Prozent der Männer und nur sechs Prozent der Frauen sind überzeugt davon, dass Gleichberechtigung in Deutschland bereits in allen Bereichen erreicht ist. Drei Viertel der Frauen und zwei Drittel der Männer stimmen zudem der Forderung nach stärkerem Engagement der Bundesregierung in armen Ländern zu, um dort die Rechte von Frauen zu stärken.
Oxfam forderte deswegen von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) eine Stärkung von Frauenorganisationen in Entwicklungsländern sowie mehr Investitionen in öffentliche Infrastruktur, die Frauen und Mädchen von unbezahlter Pflege- und Fürsorgearbeit entlasten.
Katja Dörner, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Pflegepolitik der Grünen im Bundestag, verwiesen darauf, dass die unbezahlte Arbeitszeit von Frauen noch immer fast doppelt so hoch wie die von Männern und damit extrem unfair verteilt sei.
Gleichzeitig erfahre diese Arbeit nur wenig Wertschätzung, obwohl die gesamte Gesellschaft und auch die Wirtschaft ohne sie nicht funktionieren könnten. „Das hohe private Engagement in den Familien und die fachlichen Fähigkeiten in den sozialen Berufen sind das Rückgrat dieser Gesellschaft“, so die Politikerinnen.
Die Bundestagsfraktion Die Linke hat anlässlich des Equal Care Day einen Kultur- und Politikwandel gefordert, der bei der Gleichstellung von Männern und Frauen auch die gleiche Verteilung von Verantwortung und Zeit im Privatleben mitdenkt. „Arbeit und Zeit gerecht zu verteilen, ist eine der dringlichsten Aufgaben der Politik“, sagte Doris Achelwilm, gleichstellungspolitische Sprecherin der Linke.
Es sei nicht akzeptabel, dass Frauen und Familien finanziell nach wie vor stark von männlichen Haupteinkommen oder steuerlichen Fehlanreizen wie dem Ehegattensplitting abhängig sein sollen. „Es ist eine Aufgabe gesellschaftlicher Emanzipation und überfälliger Lohngerechtigkeit, dass Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, auf der Einkommensskala mit zum Beispiel technischen Fachberufen gleichgestellt werden“, sagte Achelwilm.
Darüber hinaus unterstützt auch Sozialverband VdK Deutschland die Ziele des Equal Care Day. Eine Gesellschaft, die weiter die Pflege und Sorgearbeit geringschätzt, sei wenig lebenswert, sagte die VdK-Präsidentin Verena Bentele: „Liebe Männer, Frauen haben kein Hausarbeits-Gen, sie haben auch kein Pflege-Gen oder Ehrenamts-Gen. Seid deshalb endlich modern: Organisiert und übernehmt die Hälfte der Fürsorgearbeit“, so Bentele. © hil/sb/kna/aerzteblatt.de

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