Ärzteschaft
SARS-CoV-2: Kassenärzte warnen vor unnötigem Ansturm auf Arztpraxen
Dienstag, 3. März 2020
Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) appelliert an die Bevölkerung, unnötige Praxisbesuche aus Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu vermeiden. Das deutsche Gesundheitssystem sei durchaus in der Lage, mit der Epidemie umzugehen, solange die Arztpraxen nicht durch Menschen überrannt würden, die sich nur „wegen eines Kratzens im Hals“ testen lassen wollten. Dies betonte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen, heute bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Um das System der ambulanten medizinischen Versorgung zu entlasten, rief die KBV Arbeitgeberverbände, Tarifpartner und Unternehmen dazu auf, die Zahl der Karenztage für Mitarbeiter, die an Infekten der oberen Atemwege erkrankt sind, vorübergehend auf sechs Tage zu erhöhen. So ließe sich vermeiden, dass leicht Erkrankte Arztpraxen nur aufsuchen, um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Eine umfangreiche Testung von klinisch Gesunden auf SARS-CoV-2 sei dagegen keine geeignete Maßnahme zur Eindämmung der Epidemie, sondern „medizinischer Unfug“, wie Gassen erklärte.
Menschen, die Symptome bei sich bemerken, sollten zunächst darüber nachdenken, ob sie tatsächlich einem Ansteckungsrisiko ausgesetzt waren. Dafür sei nämlich ein echter physischer Kontakt zu einem infizierten Menschen beziehungsweise dessen Sekreten aus Nase oder Rachen erforderlich. Im Verdachtsfall sollten die Betroffenen außerdem keinesfalls unangemeldet ihre Hausarztpraxis aufsuchen.
„Bürger mit einer Infektion der oberen Atemwege, die den Verdacht haben, mit dem neuen Coronavirus infiziert zu sein, sollten zunächst zuhause bleiben und ihren Hausarzt telefonisch kontaktieren, alternativ auch die Hotline 116117 oder speziell eingerichtete Behördennummern anrufen“, sagte Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV.
Die üblichen Infektionsschutzmaßnahmen sind ausreichend
Arztpraxen müssen Hofmeister zufolge keine anderen Vorkehrungen treffen, als sie dies angesichts der Erkältungs- und Grippesaison sowieso schon tun: eine ausreichende Distanz von 1,5 bis 2 Metern einhalten, Händeschütteln vermeiden, regelmäßiges Händewaschen, einfache chirurgische Atemschutzmasken für Personal und hustende Patienten und eventuell die Einrichtung einer Infektionssprechstunde. All dies erfülle aber nur dann seinen Sinn, wenn sich potenziell infizierte Patienten vorher telefonisch anmeldeten.
Grundsätzlich kann jede Haus- und Kinderarztpraxis einen Test per Rachenabstrich machen. Die Bezahlung durch die Kassen ist geklärt. Allerdings stoßen Praxisinhaber derzeit auf das Problem, Schutzausrüstung wie Masken und Kittel nicht nachbestellen zu können.
Auf Nachfrage bestätigte Hofmeister, dass die entsprechenden Materialien knapp würden. Deshalb sei man mit dem Bundesinnenministerium, der Bundeswehr, dem Katastrophenschutz – sprich allen, die noch über solche Materialien verfügen könnten – im Gespräch, außerdem werde im Ausland angefragt und nach Möglichkeiten gesucht, technisch geeignete FFP2-Masken kurzfristig vom TÜV mit dem deutschen CE-Zertifikat auszeichnen zu lassen.
Hofmeister sieht aber auch den einzelnen Praxisinhaber in der Pflicht: „Es ist die Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, unter welchen Umständen er es seinen Mitarbeitern noch zumuten kann, weiterzuarbeiten.“ Eine Hilfe für diese Entscheidung soll noch in dieser Woche vom Robert-Koch-Institut (RKI) kommen.
Unter anderem sei wahrscheinlich keine komplette Schutzausrüstung für das gesamte Praxisteam erforderlich, so Hofmeister. Entscheidend ist die Gefahr der Aerosolbildung: Diese bestehe im alltäglichen Umgang nicht, so dass die Distanz von 1,5 bis 2 Metern, das Vermeiden von Händeschütteln und das regelmäßige Händewaschen ausreichten.
Knappe Ressourcen sollen nicht für Gesunde verbraucht werden
Wichtig sei, die wenigen Ressourcen nicht auch noch für eigentlich gesunde Menschen verbrauchen zu müssen. Ein Test auf SARS-CoV-2 sei dann sinnvoll, wenn jemand Symptome einer Erkrankung der oberen Atemwege aufweise und womöglich Kontakt zu Infizierten gehabt habe. Fällt ein Test in einer Praxis positiv aus, ist es die Ausgabe des zuständigen Gesundheitsamts zu entscheiden, ob die Praxis geschlossen werden muss.
„Genau das wollen wir vermeiden“, sagte Hofmeister. Sollten zu viele Praxen und Ärzte ausfallen, entweder aus Quarantänegründen oder weil sie sich selbst angesteckt haben, könnte dies ernsthafte Probleme für die Patientenversorgung bedeuten, so der KBV-Vize.
„Insgesamt sind wir gut aufgestellt, aber wir haben einen Regelbetrieb aufrecht zu erhalten“, so Hofmeister. „Wir müssen uns um die Kranken kümmern können.“ Deshalb müssten die Bürger ganz genau darüber informiert werden, wann sie das System nutzen sollten und wann nicht. © nec/dpa/aerzteblatt.de

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