Medizin
Pankreatitismittel aus Japan stoppt SARS-CoV-2 in Zellkulturen
Freitag, 6. März 2020
Göttingen – Der Protease-Inhibitor Camostat, der in Japan zur Behandlung der chronischen Pankreatitis zugelassen ist, hat in Zellkulturen den Eintritt des neuartigen SARS-CoV-2 in Pneumozyten verhindert. Ein deutsches Forscherteam kann in Cell (2020; doi: 10.1016/j.cell.2020.02.052) außerdem zeigen, dass Antikörper von Überlebenden der SARS-Epidemie auch SARS-CoV-2 neutralisieren können.
Camostat ist in Japan ein verbreitetes Medikament zur Behandlung der chronischen Pankreatitis. Der Protease-Inhibitor soll die Enzyme blockieren, die vom erkrankten Organ an die Umgebung abgegeben werden.
Das Mittel wird zur Linderung der starken Schmerzen eingesetzt. Die Evidenz scheint begrenzt zu sein. Camostat ist außerhalb Japans kaum bekannt. Virusforscher wurden auf den Wirkstoff aufmerksam, weil er auch die Protease TMPRSS2 blockiert. TMPRSS2 wird von den Epithelzellen der unteren Atemwege gebildet.
Coronaviren benötigen das Enzym für das Eindringen in die Zellen. Die Viren binden mit dem Spike (S)-Protein an dem ACE2-Rezeptor auf den Pneumozyten. Danach kommt es zu einer Aktivierung des S-Proteins durch TMPRSS2. Ohne dieses „Priming“ ist ein Eindringen der Viren in die Zellen nicht möglich.
Ein US-Forscherteam, an dem auch Stefan Pöhlmann vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen beteiligt war, konnte vor einigen Jahren zeigen, dass Camostat Mäuse vor einer tödlichen Infektion mit dem ersten SARS-CoV schützen kann (Antiviral Research 2015; 116: 76-84).
Camostat ist auch als mögliches Mittel gegen MERS in der Diskussion, scheint dort klinisch aber noch nicht eingesetzt worden zu sein, obwohl das Mittel aus Japan verfügbar wäre und Erfahrungen zur Verträglichkeit beim Menschen vorliegen.
Das Auftreten der ersten SARS-CoV-2-Infektionen in Deutschland bot einem Team um Pöhlmann jetzt die Möglichkeit, die potenzielle Wirksamkeit von Camostat auch bei SARS-CoV-2 zu untersuchen. Die Forscher infizierten im Labor Pneumozyten mit den Viren, die von dem Patienten isoliert worden waren. Es gelang ihnen, den Eintritt von SARS-CoV-2 zu blockieren.
Ob Camostat eine Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern und den Verlauf der Krankheit COVID-19 günstig beeinflussen kann, ist damit sicherlich noch nicht belegt. Die Ergebnisse von Labor-Experimenten bestätigen sich erfahrungsgemäß nur selten in den folgenden präklinischen und klinischen Tests.
Da Camostat jedoch in Japan zugelassen ist, könnte unter Umgehung der sonst notwendigen tierexperimentellen Sicherheitstests kurzfristig mit klinischen Studien begonnen werden.
Ein Eindringen der Viren konnte in den Zellexperimenten auch durch Antikörper verhindert werden, die aus dem Blut von drei Überlebenden der SARS-Epidemie der Jahre 2002/2003 isoliert wurden.
Dies könnte bedeuten, dass Impfstoffe gegen SARS, die nach der Epidemie entwickelt wurden, aber niemals zum Einsatz kamen, vor SARS-CoV-2 schützen. Auch hier liefern Ergebnisse aus Laborstudien sicherlich nur einen ersten Hinweis, der in weiteren Studien geprüft werden müsste. © rme/aerzteblatt.de

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