Ärzteschaft
SARS-CoV-2: Kassenärztliche Vereinigung empfiehlt Selbstabstrich zu Hause
Montag, 9. März 2020
Berlin – Aufgrund der außerordentlichen Dringlichkeit für die Beschaffung medizinischer Schutzausrüstung hatte der Krisenstab des Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das des Innern, für Bau und Heimat (BMI) den Export medizinischer Schutzausrüstung (unter anderem Atemmasken, Handschuhe, Schutzanzüge) am 4. März ins Ausland verboten. Für Ärzte, bei denen es an Schutzausrüstung mangelt, gibt es aber auch andere, kurzfristige Lösungsvorschläge.
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) empfiehlt seit Kurzem, dass Menschen mit Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion, den Abstrich eigenständig durchführen. Das genaue Vorgehen hat die KV im „KVWL Telegramm“ vom 3. März ausführlich beschrieben: Der Patient oder ein Angehöriger holt das Teströhrchen an (nicht in) der Praxis ab und übergibt dieses dort auch wieder – beides kontaktlos.
In einer Patienteninformation heißt es: „Streichen Sie mit dem Tupfer mehrfach über die Mundschleimhaut (nicht die Zunge, nicht die Zähne, nicht die Lippen) im hinteren Teil der Mundhöhle. Um Würgereflex zu vermeiden, können Sie dabei tief ausatmen.“
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hält den Selbsttest zu Hause für eine „gute Möglichkeit“, wie sie dem Deutschen Ärzteblatt auf Anfrage mitteilt – auch wenn diese Vorgehensweise bei Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion auf ihrer Webseite nicht als Option aufgeführt wird.
Auch Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, hält einen solchen Selbstabstrich für eine gute, unproblematische Möglichkeit. „Ich hoffe sehr, dass sich solche pragmatischen Lösungen verbreiten“, sagte er heute in der Bundespressekonferenz in Berlin auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.
Er machte nur auf eine kleine Einschränkung aufmerksam: „Es muss natürlich ein koordinierter Patient sein, dem es gelingt, den Tupfer hinter das Gaumensegel zu führen.“ Er empfiehlt, den Abstrich mithilfe einer Taschenlampe durchzuführen. Bei älteren Patienten wäre es laut Drosten aber besser, wenn der Arzt beim Abstrich dabei ist.
Von den aktuell vermarkteten Schnelltests auf Antikörperbasis hält Drosten genausowenig wie die KBV. Sie könnten den Erregernachweis durch einen PCR-Test in einem Abstrich nicht ersetzen, heißt es auf der Webseite der KBV.
„Die Serokonversion tritt bei SARS-CoV-2 etwa nach gut der ersten Woche ein. Das ist fast eine Woche früher als bei SARS damals.“ Die kritische Phase in der breiten Testung sei jedoch während der frühen Infektiösität – hier sei der Antikörpertest negativ und könne eine PCR nicht ersetzen.
Drosten setzt seine Hoffnung auf einen neuen Antigentest, der in den kommenden Wochen zum Einsatz kommen könnte. Dieser Test ähnelt einem Schwangerschaftstest und basiert auf einer Immunchromatografie.
Mehr als 35.000 PCR-Tests seit dem 2. März und 1.112 bestätigte Infektionen
Neueste Zahlen zur Anzahl der durchgeführten PCR-Tests hat die KBV dem Deutschen Ärzteblatt heute mitgeteilt: In der vergangenen Wochen (KW 10) seien allein im ambulanten Bereich rund 35.000 Labortests durchgeführt worden, Tests in Kliniken müssten noch hinzugerechnet werden. Dazu liegen der KBV allerdings keine Zahlen vor.
Nach Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) mit Stand von heute früh sind in Deutschland inzwischen 1.112 Infektionen in 198 Landkreisen und 15 Bundesländern bestätigt. Am stärksten betroffen sind demnach neben dem nordrhein-westfälischen Landkreis Heinsberg die Städteregion Aachen sowie die Landkreise München, Köln und Freising. © gie/aerzteblatt.de

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