Politik
Ärzte und Psychotherapeuten begrüßen geplantes Verbot von Konversionsmaßnahmen
Donnerstag, 12. März 2020
Berlin – Das von der Bundesregierung geplante Verbot sogenannter Konversionsbehandlungen zur vermeintlichen Heilung Homosexueller wurde von Experten bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages gestern einhellig begrüßt.
„Homosexualität ist keine Krankheit und muss entsprechend auch nicht behandelt werden. Es gibt keinerlei Evidenz für solche Maßnahmen und die gesundheitlichen Auswirkungen sind immens“, erklärte der Vertreter der Bundesärztekammer (BÄK) Johannes Schopohl.
Die BÄK plädierte deshalb gemeinsam mit der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) dafür, nicht von „Konversionstherapien oder –behandlungen“ zu sprechen, sondern von „Maßnahmen“. Die Begriffe Behandlung und Therapie suggerierten, dass es um die Heilung von Krankheit gehe.
Nikolaus Melcop, der Vertreter der BPtK, verdeutlichte, dass die Veränderung homosexueller in heterosexuelle Orientierung kein Therapieziel in einer psychotherapeutischen Behandlung sei. Dies gelte genauso für Versuche, die selbst empfundene Geschlechtsidentität zu unterdrücken. „Beides verstößt gegen allgemein anerkannte medizinische und psychotherapeutische Standards und ist berufsrechtlich bereits verboten“, sagte er.
Mit dem Entwurf eines „Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“ (Drucksache 19/17278) will die Bundesregierung die sexuelle und geschlechtliche Entwicklung und Selbstbestimmung sowie die körperliche Unversehrtheit besonders vulnerabler Personen schützen. Verboten werden sollen deshalb Konversionsmaßnahmen an Minderjährigen sowie an „Volljährigen, deren Einwilligung auf einem Willensmangel beruht“.
Bei Verstoß gegen die Verbote sind Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr vorgesehen. Der Gesetzentwurf stellt auch Werbung für Konversionsmaßnahmen unter Strafe. Wer dagegen verstößt, soll mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro belegt werden können.
Medizinisch anerkannte Störungen der Sexualpräferenz von Behandlungsverbot ausgenommen
Die Behandlung von medizinisch anerkannten Störungen der Sexualpräferenz ist von dem Gesetz ausdrücklich ausgenommen. Operative medizinische Eingriffe oder Hormonbehandlungen, die der selbstempfunden geschlechtlichen Identität zum Ausdruck verhelfen, sind demnach keine Konversionsmaßnahmen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert darüber hinaus in ihrem Antrag „Gefährliche Pseudotherapien mit dem Ziel der Änderung der sexuellen Orientierung ein Ende setzen“ (Drucksache 19/7931) mehr Aufklärung. So solle unter anderem die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Patientenbeauftragte der Bundesregierung eine Öffentlichkeitskampagne starten, die über die Vielfalt sexueller Orientierungen, geschlechtlicher Identitäten sowie über die Gefährlichkeit von Konversionsmaßnahmen aufklärt.
Für mehr Aufklärung und Akzeptanz über sexuelle Vielfalt zu sorgen, stellte auch die Einzelsachverständige Lieselotte Mahler von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin als „wichtigen präventiven medizinischen Aspekt“ heraus. So könne der „Minderheitenstress“ reduziert werden unter dem viele Homosexuelle litten.
„Es verstärkt den Grundkonflikt bei gestörtem Selbstwert, wenn Menschen in solche Maßnahmen geraten. Erscheinen sie dann nicht erfolgreich – wofür es keinerlei Evidenz gibt – können Depressionen, Angststörungen, Substanzmissbrauch und Suizid die Folge sein“, erläuterte die Psychiaterin.
Kritik an Beschränkung auf Schutz von Minderjährigen
Kritik übten einige Experten an der im Gesetzentwurf vorgegebenen Altersgrenze von 18 Jahren, bis zu der Konversionsmaßnahmen verboten werden sollen. „Ein Verbot, das sich auf Minderjährige beschränkt suggeriert, dass solche Maßnahmen bei Erwachsenen grundsätzlich erlaubt sein sollten“, sagte der BÄK-Vertreter Schophol. Berufsrechtlich seien sie aber Ärzten ganz klar verboten.
Auch der BPtK-Vertreter forderte einen Verzicht auf die Altersgrenze in dem Gesetz. „Die standes- und berufsrechtlichen Regelungen beschränkten sich auch nicht auf eine Altersstufe“, sagte Melcop.
Bei Verstoß gegen das Gebot die Würde, das Selbstbestimmungsrecht und die Integrität von Patienten zu achten, drohten Psychotherapeuten Rügen, Geldbußen, Approbationsentzug sowie eine Meldung an die Kassenärztliche Vereinigung wegen Abrechnungsbetrug.
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e.V. forderte eine höhere Altersschutzgrenze: Junge Erwachsene würden mit dem jetzigen Gesetz nicht ausreichend geschützt. „Mit 18 Jahren ist die Persönlichkeitsentwicklung bei vielen nicht abgeschlossen. Der Einfluss der Eltern, vor allem im religiösen Kontext, ist oftmals noch groß“, sagte der Vertreter des Verbandes. © PB/aerzteblatt.de

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