Medizin
Wie das Immunsystem SARS-CoV-2 besiegt
Donnerstag, 19. März 2020
Melbourne − Das menschliche Immunsystem ist auf neuartige Erreger wie SARS-CoV-2 in der Regel gut vorbereitet. Die genaue Untersuchung einer der ersten Erkrankungen in Australien in Nature Medicine (2020; DOI: 10.1038/s41591-020-0819-2) zeigt, wie die Abwehrzellen mit dem Erreger fertig werden.
Die 47-jährige Frau war 11 Tage nach ihrer Einreise aus Wuhan mit Abgeschlagenheit, Halsschmerzen, trockenem Husten, pleuritischen Brustschmerzen (stechend, beim Einatmen einsetzend), leichter Atemnot und Fiebergefühlen erkrankt.
Bei der Aufnahme in eine Klinik in Melbourne hatte sie eine Temperatur von 38,5°C und einen Puls von 120 pro Minute, einen Blutdruck von 140/80 mm Hg, eine Atemfrequenz von 22 Atemzügen pro Minute und eine Sauerstoffsättigung von 98 % beim Atmen der Umgebungsluft. Bei der Auskultation waren auf beiden Seiten an der Lungenbasis Rasselgeräusche zu hören. Die Frau war leicht bis mittelschwer erkrankt.
Am 4. Tag in der Klinik wurde SARS-CoV-2 in einem nasopharyngealen Abstrich gefunden. Auch die Wiederholungen an den Tagen 5 und 6 waren positiv. Am 6. Tag wurden die Viren auch im Sputum und einer Stuhlprobe nachgewiesen. Schon am 7. Tag war der nasopharyngeale Abstrich wieder negativ. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Immunsystem die Infektion bereits unter Kontrolle.
Die Patientin erholte sich in den folgenden Tagen von der Infektion, ohne dass sie mit Sauerstoff, Steroiden oder antiviralen Medikamenten behandelt worden wäre. Am Tag zehn hatten sich auch die bi-basalen Infiltrate im Röntgenthorax wieder aufgelöst. Die Frau wurde aus der Klinik entlassen und erholte sich in den folgenden Tagen vollständig.
Das Besondere des Falles war, dass ein Team um Katherine Kedzierska vom Doherty Institute genaue immunologische Untersuchungen durchgeführt hat. Das 1. Zeichen einer messbaren Immunreaktion war ein Anstieg der Antikörper-produzierenden Zellen, sie waren bei der 1. immunologischen Untersuchung am Tag 7 nachweisbar, als die Viren bereits aus dem Abstrich verschwunden waren, und erreichten bereits am Tag 8 ihren Gipfel.
In dieser Zeit kam es zu einem Anstieg der follikulären T-Helferzellen, die von essenzieller Bedeutung für die anhaltende Produktion von hochwirksamen Antikörpern sind. Ebenso wurde eine Zunahme der CD8-positiven T-Zellen beobachtet, deren Aufgabe die Zerstörung aller Zellen ist, in denen sich die Viren vermehren. Auch die CD4-Zellen, die ebenfalls zu den T-Helferzellen gehören, stiegen an.
Die Zahl der Monozyten (CD16+CD14+) war dagegen im Blut vermindert. Kedzierska deutet dies als Zeichen dafür, dass diese Zellen vermehrt für die Beseitigung der Folgen der Lungenentzündung rekrutiert wurden. Monozyten verwandeln sich nach dem Eindringen in das Gewebe in Makrophagen. Sie sind für die Beseitigung der zerstörten Zellen zuständig. Man könnte sie als Tatortreiniger bezeichnen.
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Der Kampf des Immunsystems gegen das neue Virus scheint kurz und nicht besonders heftig gewesen zu sein. Einen Anstieg der proinflammatorischen Zytokine und Chemokine, die bei einer Influenza einen schweren Verlauf anzeigen, ist laut Kedzierska bei der Patientin ausgeblieben.
Der Antikörper-Nachweis war am 7. Tag erstmals positiv, der Titer stieg bis zum 3. Tag deutlich an. Interessanterweise wurden die IgG-Antikörper 2 Tage vor den IgM-Antikörpern gefunden. Normalerweise produziert das Immunsystem zuerst die IgM-Antikörper. Die Ergebnisse bei einer einzelnen Patientin sind hier vielleicht noch nicht aussagekräftig.
Die Forscher haben bei der Patientin noch eine Mutation (SNP) im Gen IFITM3 gefunden. Bei der Schweinegrippe (H1N1) aus dem Jahr 2009 wurde entdeckt, dass das im IFITM3-Gen kodierte Protein eine wichtige Rolle bei der Abwehr der Grippeviren spielte.
1/4 der Chinesen hat die SNP rs12252-C/C, die die Immunabwehr hier beeinträchtigt. Die Abwehr von SARS-CoV-2 scheint durch die Mutation bei der Frau jedoch nicht geschwächt worden zu sein. Ihr Immunsystem hat innerhalb weniger Tage die notwendigen Schritte eingeleitet, um den Angriff der Viren abzuwehren. Warum dies nicht in allen Fällen gelingt und die Erkrankung bei einigen Menschen tödlich verläuft, dürfte in den nächsten Monaten Gegenstand weiterer Studien sein. © rme/aerzteblatt.de

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