Politik
RKI: Noch unklar, ob Eindämmungsmaßnahmen greifen
Mittwoch, 25. März 2020
Berlin – Das Robert-Koch-Institut (RKI) hält sich mit einer Bewertung der Maßnahmen zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Infektionen in Deutschland zurück. „Es ist zu früh, um zu sagen, ob die Maßnahmen greifen“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler heute in Berlin.
Deutschland stehe erst am Anfang der Epidemie, bekräftigte Wieler. Wie sie sich weiter entwickeln werde, sei völlig offen. Die Zahl der gemeldeten Fälle steige weiter an. Derzeit liegen etwa 1.000 mit SARS-CoV-2 infizierte Menschen in Deutschland auf einer Intensivstation.
Vorgestern hatte Wieler noch von einem ersichtlichen Trend gesprochen, dass die exponentielle Wachstumskurve etwas abflache, dies aber noch nicht bewerten wolle. Der RKI-Präsident warnte, dass auch jüngere und gesunde Menschen „sehr schwer" erkranken können und „es können auch Jüngere daran sterben".
Die Zahl der in Deutschland mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen gab das RKI heute mit 31.554 an – ein Plus von 4.118 seit dem Vortag. Die Inzidenz liegt nun bei 38 pro 100.000 Einwohnern. Die Johns Hopkins University geht mittlerweile von mehr als 34.000 Infizierten aus.
Das RKI, das nur die elektronisch übermittelten Zahlen aus den Bundesländern berücksichtigt und seine Aufstellung einmal täglich aktualisiert, registrierte bislang 149 Todesfälle, die US-Universität 172.
Neben der Zahl der Infizierten steige aber auch die Zahl der Genesenen, berichtete Wieler. Diese liege nach den aktuellen Schätzungen bei mindestens 5.600. Das Durchschnittsalter der Infizierten liege bei 45 Jahren, das der Verstorbenen bei 81 Jahren.
Bislang rund 1.000 COVID-19-Erkrankte auf Intensivstationen
Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) befinden sich etwa 3.000 bis 4.000 mit SARS-CoV-2 infizierte Menschen in Deutschland aktuell im Krankenhaus, rund 1.000 davon sind auf einer Intensivstation.
DKG-Präsident Gerald Gaß sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, er erwarte in den kommenden Tagen eine deutliche Steigerung der Infektionszahlen auf etwa 70.000 registrierte Infektionen in Deutschland. Mit Auswirkungen der Kontaktsperre in Form einer Verlangsamung der Infektionszahlen rechne er erst ab Anfang oder Mitte kommender Woche.
Die Lage auf den deutschen Intensivstationen ist nach Angaben von DKG und Intensivmedizinern derzeit noch entspannt, aber regional sehr unterschiedlich. Die DKG verwies auf das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Die Online-Datenbank zeigt die Verfügbarkeit von Intensivbetten in rund der Hälfte der Kliniken im Land an. Von konkreten Problemen auf den Intensivstationen infolge der Coronavirus-Pandemie sei der DKG bisher nichts bekannt.
DIVI-Präsident Uwe Janssens, Chefarzt für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler, sagte: „Im Moment geht es noch. Wir spüren so langsam, dass doch mehr Patienten mit Covid-19-Erkrankung reinkommen.“ Dies seien aber nicht unbedingt alles Schwersterkrankte. „Das sind tatsächlich viele Ältere mit dem klassischen Krankheitsbild, Fieber, Lungenentzündung“. Die Lage sei auch regional sehr unterschiedlich.
Regionale Unterschiede sieht auch die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI). Kleinere Krankenhäuser hätten weniger und oft einzelne Patienten, sagte Gernot Marx, Sprecher des Arbeitskreises Intensivmedizin der DGAI und Chefarzt der Klinik für Operative Intensivmedizin am Universitätsklinikum Aachen. „Die große Welle von Schwerkranken wird aber noch kommen, schätzungsweise in acht bis zehn Tagen.“ Es sei schwer zu sagen, wann der Höhepunkt zu erwarten sei.
Patientenbeauftragte warnt
Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, hat jüngere Menschen vor dem Trugschluss gewarnt, das Coronavirus sei keine Gefahr für sie. Es stelle nicht nur für ältere Menschen eine Gefahr dar, sondern eben auch für Jüngere, erklärte Schmidtke heute in Berlin. Die Annahme, junge Menschen seien von dem Virus nicht betroffen, trage auch zu seiner Verbreitung bei.
Schmidtke verwies auf aktuelle Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus verschiedenen Ländern, wonach der Anteil jüngerer Menschen, die aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus im Krankenhaus behandelt werden müssen, signifikant steigt. Zwar sei das Risiko, daran zu sterben, für junge Menschen weiterhin ausgesprochen gering, erklärte Schmidtke. „Doch ist es auch nicht auszuschließen, etwa im Fall einer möglicherweise nicht diagnostizierten Vorerkrankung.“
Ein schwerer Verlauf einer Infektion, zum Beispiel in Form einer Lungenentzündung, könne zudem auch bei jüngeren Patienten eine lange Behandlung im Krankenhaus bis hin zu einer künstlichen Beatmung auf einer Intensivstation erforderlich machen.
„Das ist keineswegs harmlos“, warnte die Patientenbeauftragte. Auch über mögliche Folgeschäden bei überstandenen Corona-Erkrankungen wisse man derzeit noch zu wenig. Jüngere Menschen müssten daher wie alle anderen auch vorsichtig sein und jeden unnötigen sozialen Kontakt vermeiden, appellierte Schmidtke. © nec/dpa/afp/aerzteblatt.de

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