Ärzteschaft
Psychische Belastungen durch COVID-19: Hilfestellung in der Krise
Donnerstag, 26. März 2020
Berlin – Die COVID-19-Pandemie verändert die Gesellschaft und das Leben jedes Einzelnen. Durch die aktuelle Lage können Ängste und seelische Belastungen ausgelöst werden, die sich auch körperlich auswirken, indem sie das Immunsystem schwächen. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin (DGPM) hin. Die Fachgesellschaft gibt Tipps wie die seelische Gesundheit aufrechterhalten werden kann.
Wenn Menschen viel Zeit allein verbringen müssen, sei das nicht selten mit erheblicher seelischer Belastung verbunden. Längerdauernde Quarantäne könne dazu führen, dass das Pflegen sozialer Kontakte immer schwerer falle, und die psychische Gesundheit auch nach der Zeit der physischen Isolation beeinträchtigt sei, heißt es aus der DGPM.
„Die einschneidenden Alltagsveränderungen belasten uns alle – insbesondere aber jene sind gefährdet, die neben den allgemeinen Belastungen noch spezifische Belastungen erleiden müssen, etwa durch Existenzängste oder besondere berufliche Herausforderungen, wie sie beispielsweise Mitarbeiter in Gesundheitsberufen aktuell erleben“, sagte Harald Gündel, Mediensprecher der DGPM.
Guter Draht nach draußen
Die Fachgesellschaft rät, Internet und Telefon zu nutzen, um die Verbindung zu Freunden und Familie aufrecht zu erhalten. Gleiches gelte im beruflichen Kontext: Regelmäßige persönliche Kontakte zu den Kollegen über Telefon oder Videokonferenzen könnten beitragen, den Arbeitstag zu erleichtern, Normalität zu bewahren und sich gegenseitig zu unterstützen.
Strukturierter Alltag und sinnvolle Aktivitäten
Auch wer derzeit keiner Arbeit nachgeht, sollte seinen Alltag strukturieren, etwa mit festen Aktivitäts-, Ruhe- und Schlafenszeiten. Gesucht werden sollten sinnvolle Aktivitäten wie körperliche Betätigung und Bewegung an der frischen Luft. Eine weitere Möglichkeit könne sein, sich kreativ zu betätigen oder lang aufgeschobene Tätigkeiten anzugehen, raten die Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.
Keine Stigmatisierung und Ausgrenzung
Jeder könne dazu beitragen, das Wohlbefinden von Menschen, die akut an COVID-19 erkrankt sind, zu steigern – indem man die Erkrankten bestmöglich in der Versorgung unterstütze und potentielle Risikogruppen wie ältere und vorerkrankte Menschen sowie Personen aus Risikogebieten nicht über das zur Infektionsvermeidung notwendige Maß meide. Das könne etwa bedeuten, den Einkauf für Betroffene zu erledigen oder persönliche Kontakte über Telefon und Internet zu pflegen.
Gruppenstress in Familien und Wohngemeinschaften thematisieren
Quarantäne in einer Familie oder einer Wohngemeinschaft könne zu völlig neuen Dynamiken und Gefühlen bei den Beteiligten führen, heißt es aus der DGPM. Im schlimmsten Fall erschwerten sich Familien- und WG-Mitglieder gegenseitig die ohnehin belastende Isolation, anstatt die Vorteile der Gemeinschaft zu nutzen.
Die Fachgesellschaft rät, die eigenen Bedürfnisse etwas mehr zurück zu nehmen und einen Rahmen zu finden, etwa das tägliche gemeinsame Abendessen, um mögliche Spannungen oder Probleme in Ruhe anzusprechen. Verschweigen und Überspielen könne toxisch auf das Gruppengefüge wirken, und sich beim Einzelnen durch körperliche Symptome bemerkbar machen.
Die DGPM rät darüber hinaus, nur vertrauenswürdige Quellen für die Informationsgewinnung zu nutzen, wie Robert-Koch-Institut, das Bundesgesundheitsministerium oder die Tagesschau. „Dabei komme auch den Medien und Internetnutzern eine besondere Verantwortung zu: Bilder von leeren Regalen, dramatisierende Vergleiche oder das Verbreiten von Gerüchten tragen nicht zur gemeinsamen Sicherheit bei“, sagte Gündel.
Chronischer Stress hemmt das körpereigene Immunsystem
Die skizzierten Maßnahmen können dazu beitragen, Angst, Depression und allgemeinen Stress zu reduzieren. Letzteres sei gerade in Zeiten von COVID-19 von besonderer Bedeutung: Experimentelle Studien zeigten, dass chronischer Stress das körpereigene Immunsystem hemme, dem eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung von viralen Infektionen, zu denen auch das neuartige Virus zählt, zukomme.
Angst vor einer Infektion mit COVID-19 könne sich auch darin äußern, dass Krankheitssymptome körperlich erlebt werden, obwohl keine Infektion vorliegt. „Dann verschlimmern sich die gesundheitlichen Ängste nochmal und es droht ein Teufelskreislauf“, so Gündel.
Ein erster Schritt der Bewältigung sei es, seine Ängste zu benennen und sich mit anderen darüber auszutauschen. Nehmen Angstzustände überhand, sollten Betroffene sich professionelle Hilfe durch einen ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten suchen.
Hochbetagten Menschen Aufmerksamkeit schenken
Die Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und –psychotherapie (DGGPP) appelliert an alle, alte Menschen, die schon vor der COVID-19-Pandemie oft allein und einsam waren, zu unterstützen. Älteren Verwandten, Bekannten aber auch allein lebenden Nachbarn sollte einmal am Tag ein Zeichen gesendet werden, um ihnen Unterstützung und Mitgefühl zu signalisieren.
„Es gibt so viele Möglichkeiten, hier etwas zu tun“, sagte Stefan Kreisel Vorstandsmitglied der DGGPP. Das könne ein Anruf, ein Zettel unter der Tür, eine Postkarte oder ein Ständchen vor dem Fenster sein. Viele dieser Altersgruppe seien nicht mit E-Mail und WhatsApp ausgestattet. Ganz wichtig ist es nach Ansicht der Alterspsychiater, aktiv zu werden, denn viele der alleinlebenden hochbetagten Menschen zögen sich zurück und wollten niemandem zur Last fallen. © PB/aerzteblatt.de

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