Politik
Antikörper-Studie soll Immunität der Bevölkerung aufzeigen
Freitag, 27. März 2020
Berlin – Die Mehrzahl der SARS-CoV-2-Infektionen verläuft leicht – oft gar unbemerkt. Informationen zur tatsächlichen Verbreitung des Virus in der Bevölkerung und der damit einhergehenden Sterberate soll eine große Antikörperstudie liefern.
Wie der Spiegel berichtet, soll die Studie von dem Epidemiologen Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig koordiniert werden. Beteiligt seien außerdem das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung, die Blutspendedienste, die NAKO-Gesundheitsstudie, das Robert Koch-Institut und das Institut für Virologie der Berliner Charité.
Die endgültige Bewilligung für die Studie fehlt noch. Aber die Wissenschaftler hoffen, ab April die ersten von geplanten mehr als 100.000 Blutproben auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 untersuchen zu können. Anschließend soll die Testung in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um den weiteren Verlauf der Pandemie zu überwachen.
Erste Resultate werden für Ende April erwartet. Die Studienergebnisse könnten auch Einfluss darauf haben, wie lange die von der Bundesregierung beschlossenen Eindämmungsmaßnahmen aufrechterhalten werden.
Allerdings: Es fehlt momentan noch ein wirklich verlässlicher Test auf SARS-CoV-2. Antikörpertests gibt es zwar mittlerweile schon von verschiedenen Anbietern. So hat zum Beispiel ein Schnelltest auf SARS-CoV-2-Antikörper des Berliner Pharmaunternehmen PharmACT AG gerade eine Notfall-Zulassung der US-Arzneimittelbehörde FDA erhalten.
Aber es bleibt das Problem, dass die derzeit erhältlichen Tests manchmal auch dann positiv ausfallen, wenn die getestete Person Antikörper gegen harmlose Coronaviren in sich trägt – und das ist bei der Mehrzahl der Erwachsenen der Fall.
Die Wissenschaftler hoffen, dass es in zwei bis drei Monaten ein genaueres Testverfahren geben wird. Dann ließe sich verlässlich feststellen, ob jemand bereits immun gegen SARS-CoV-2 ist. „Den Immunen könnte man eine Art Impfpass ausstellen, der es ihnen zum Beispiel erlaubt, von Einschränkungen ihrer Tätigkeit ausgenommen zu werden", wird Krause zitiert.
Allerdings gibt es zum Immunschutz nach einer SARS-CoV-2-Infektion noch viel Forschungsbedarf: Derzeit kann zum Beispiel noch nicht belastbar gesagt werden, ob und wie lange ein solcher Schutz anhält. © nec/aerzteblatt.de

corona antikörper
Was bedeuten nun diese Zahlen für die Anwendung von Antikörpertests in der Bevölkerung? Hier ist der „positive Vorhersagewert“ (PPV=positive prediktive value) entscheidend. Dieser beschreibt, wieviele Personen tatsächlich die Infektion durchgemacht haben (und damit wohl immun sind), wenn der Antikörpertest positiv ausfällt. PPV kann berechnet werden, wenn man die vermutete Durchseuchung (P=Prävalenz) mit berücksichtigt. Diese variiert aber stark – je nach Region und etwaiger Dunkelziffer dürfte sie derzeit zwischen 1:1000 in Niedrigrisiko- und 1:10 in Hochrisikoumgebungen liegen. Damit schwankt aber auch der PPV massiv, wie die Anwendung der „Bayes-Formel“ zeigt: PPV = PxSE/(PxSE+(1-P)x(1-SP)): Bei positivem Test sind danach maximal 1% der Personen mit positivem Antikörpertest tatsächlich immun, wenn die Durchseuchung gering ist (P=1:1000), aber etwa 50% bei hoher Durchseuchung (P=1:10). Für PPV-Werte über 90% braucht man eine massive Durchseuchung (P=1:2) – oder viel spezifischere Tests: Dies ist erst der Fall, wenn SP-Werte über 0.99 erreicht werden (weitgehend unabhängig von den SE-Werten) – aber auch dann nur in Hochrisikoumgebungen. In allen anderen Situationen – und diese liegen derzeit (noch) vor - bleibt eine große Gefahr, dass Personen als immun ausgewiesen werden, die es tatsächlich nicht sind!

Spezifität testen - ad Clemens Hess

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