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Ausland

COVID-19: Düstere Erwartungen in den USA

Montag, 30. März 2020

Corona-Notlazarett in New York Citys Central Park. /picture alliance, AP Photo

Washington – Noch vor Kurzem versprach Donald Trump den US-Bürgern in der Corona­krise eine rasche Rückkehr zur Normalität – nun hat der US-Präsident seine Vorhersagen stark revidiert und erwartet kein rasches Abflauen der Pandemie in seinem Land mehr. Erst Anfang Juni würden sich die USA auf dem Weg hinaus aus der Krise befinden, sagte Trump gestern. Zugleich bereitete er die Bevölkerung auf einen dramatischen Anstieg bei den Todesfällen vor.

Die Vereinigten Staaten hatten sich zuletzt innerhalb kurzer Zeit zum neuen weltweiten Hauptzentrum der Pandemie entwickelt. Nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität gibt es in den USA inzwischen mehr als 144.000 bestätigte Infektionsfälle. Fast 2.600 Menschen starben demnach bis heute Abend (18 Uhr) an den Folgen ihrer Infektion.

In der Statistik der Todesfälle liegen die Vereinigten Staaten zwar weiterhin klar hinter Italien, Spanien und China. Der US-Seuchenexperte Anthony Fauci, der Trump im Kampf gegen die Pandemie berät, rechnet allerdings mit einem sprunghaften weiteren Anstieg der Todesfälle. Nach seinen Szenarien könnten zwischen 100.000 und 200.000 Menschen in den USA an der von dem neuartigen Erreger ausgelösten Lungenkrankheit COVID-19 sterben.

Auch Trump machte gestern deutlich, dass er inzwischen mit zehntausenden Todes­opfern durch das neuartige Coronavirus rechnet. „Manche Leute“ gingen gar von Opfer­zahlen in Millionenhöhe aus, sagte der Präsident. Wenn es den USA gelinge, die Zahl der Todesfälle auf „100.000 bis 200.000“ zu begrenzen, „dann haben wir alle sehr gute Arbeit geleistet“, sagte Trump.

Ihren Höhepunkt wird die Rate der Todesfälle in den USA nach Einschätzung Trumps zu Ostern erreichen. Danach werde die Zahl neuer Todesfälle nachlassen, und zwar „hoffent­lich sehr substanziell". Noch kürzlich hatte der Präsident eine deutliche Besserung der Lage bereits zu Ostern vorausgesagt.

Feldlazarett im Cental Park

Besonders stark in den USA von der Pandemie betroffen ist der Bundesstaat New York. Dort starben nach Angaben von Gouverneur Andrew Cuomo bislang mindestens 965 Men­schen, bei rund 60.000 Menschen wurde das Virus diagnostiziert.

Die Hilfsorganisation Samaritan's Purse errichtete gestern im New Yorker Central Park ein Feldlazarett zur Versorgung von Corona-Patienten. „Die Krankenhäuser überall in der Stadt füllen sich, un sie brauchen so viel Hilfe wie möglich“, sagte der Arzt Elliott Ten­penny.

Trump hatte zwischenzeitlich erwogen, eine Quarantäne für den Bundesstaat New York und angrenzende Gebiete anzuordnen. Gestern nahm er davon jedoch Abstand: „Eine Quarantäne wird nicht nötig sein“, schrieb der Präsident im Kurzbotschaftendienst Twitter. In der Stadt New York gelten bereits weitreichende Ausgangsbeschränkungen.

Der Präsident gab ferner bekannt, dass die Richtlinien seiner Regierung für die Bevölke­rung im Kampf gegen die Pandemie in ihrer Gültigkeit um 15 Tage bis zum 30. April ver­längert werden. Darin werden die US-Bürger aufgerufen, möglichst zu Hause zu arbeiten, auf nicht notwendige Reisen zu verzichten, keine Gruppen von mehr als zehn Menschen zu bilden und bei Krankheitssymptomen umgehend zu Hause zu bleiben.

Diese Richtlinien haben allerdings lediglich den Charakter nicht bindender Empfehlun­gen. Auf der Ebene von Bundesstaaten und Bezirken in den USA wurde bereits eine Fülle von verpflichtenden Vorgaben - von Geschäftsschließungen bis hin zu Ausgangssperren - zur Einschränkung des öffentlichen Lebens getroffen.

Lage in Spanien weiter ernst

Im schwer von der Corona-Pandemie betroffenen Spanien ist erstmals nach langer Zeit die Zahl der neuen Todesfälle zurückgegangen. Man habe in den vergangenen 24 Stun­den 812 neue Todesopfer unter den Infizierten registriert, teilte das Gesundheitsminis­te­rium in Madrid mit. Das sind 26 weniger als gestern. Spanien hatte damit allerdings bereits am dritten Tag in Folge mehr als 800 Tote zu beklagen. Die Gesamtzahl der To­des­opfer kletterte auf über 7.300.

Mit inzwischen insgesamt mehr als 85.000 nachgewiesenen Infektionen verdrängte Spa­nien außerdem China vom dritten Platz hinter den USA und Italien. Es gab heute gut 6.000 Neuinfektionen. Unter denjenigen, die sich mit dem Virus SARS-CoV-2 angesteckt haben, sind den Angaben zufolge schon weit mehr als 12.000 Ärzte, Sanitäter und Pfleger – fast 15 Prozent aller Fälle.

Die Anstiegsrate von 8,1 Prozent bei den Neuinfektionen war aber die niedrigste seit Beginn des Ausgangsverbots am 15. März. „Schon seit dem 25. März beobachten wir hier eine Umkehr der Tendenz“, sagte die Sprecherin der Behörde für Gesundheitliche Notfälle (CCAES), María José Sierra. Man dürfe aber nicht nachlassen. Sorgen mache weiterhin der drohende Kollaps der Intensivstationen.

Sierra löste am Montag das „Gesicht“ des Kampfes gegen die Pandemie in Spanien ab, den Epidemiologe Fernando Simón, der positiv auf das Virus SARS-CoV-2 getestet wurde. Der 57-Jährige CCAES-Chef sei zu Hause in Quarantäne, ihm gehe es gut, so Sierra.

Italien denkt über Schritte Richtung Normalität nach

Angesichts von Hoffnungen auf eine Stabilisierung bei den Corona-Neuinfektionen hat in Italien eine Debatte über Wege zur Lockerung der Beschränkungen begonnen. Gleichzei­tig warnten Experten, eine Rückkehr zur Normalität werde nur in kleinen Schritten er­folgen.

„Es gibt zwar noch keine Signale eines Rückgangs, doch es geht besser“, sagte der Präsi­dent des nationalen Gesundheitsinstitutes ISS, Silvio Brusaferro, der Zeitung La Repubbli­ca. „Wir warten bis Ostern und werden dann die Zahlen prüfen, um weitere Schritte zu unternehmen“, beschrieb er den möglichen Zeitrahmen. In Italien gelten bis Freitag stren­ge Ausgangsverbote mit wenigen Ausnahmen. Es wird erwartet, dass die Regierung sie verlängert.

Den richtigen Weg aus den Maßnahmen mit ihren harten Folgen für Bürger und Wirt­schaft zu treffen, werde schwer. „Das Problem besteht darin, herauszufinden, welche Öff­nungsformen sicherstellen, dass die Kurve nicht wieder wächst“, sagte der Regierungs­be­rater. Möglich sei, dass der Staat mehr Freiheiten erlaube und sie wieder zurücknehmen müsse. Über den Einsatz von Apps, die die Bewegung von Patienten kontrollieren, werde nachgedacht. Aktuell steuert Italien auf 100.000 bestätigte SARS-CoV-2-Infektionen zu.

Österreich kündigt Maskenpflicht in Supermärkten an

Als weitere Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus hat die österreichische Regie­rung eine Mundschutzpflicht in Supermärkten angekündigt. Von Mittwoch an würden in den Märkten Mundschutzmasken an Kunden verteilt, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz heute in Wien. Der ÖVP-Politiker verlängerte zudem die seit Mitte März geltenden Aus­gangsbeschränkungen bis zum 13. April.

Die Versorgung der Supermärkte mit Schutzmasken werde einige Tage dauern, räumte Kurz ein. Sobald alle Märkte mit den Masken ausgestattet seien, werde das Tragen eines Mundschutzes beim Einkaufen jedoch Pflicht. Dies entspreche zwar nicht den Gewohn­hei­ten der Österreicher, die Maßnahme sei aber nötig, um andere Menschen zu schützen.

Mit Blick auf Engpässe bei der Versorgung mit Schutzmasken sagte Kurz, er sei sich der angespannten Lage auf dem Weltmarkt bewusst. Selbstgemachte Masken würden eben­falls als ausreichender Mundschutz akzeptiert. Offiziellen Angaben zufolge haben sich bisher 9.100 Menschen in Österreich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert, 108 Menschen starben.

Umstrittenes Corona-Notstandsgesetz in Ungarn verabschiedet

Ministerpräsident Viktor Orban hat in Ungarn heute seine Macht mit Hilfe der Coronakrise erheblich ausgebaut. Das Parlament in Budapest billigte mit deutlicher Mehrheit einen Gesetzentwurf der Regierung, der es Orban nun ermöglicht, im Rahmen eines Not­stands von unbegrenzter Dauer per Dekret zu regieren.

Kritiker in Ungarn und im Ausland wer­fen Orban vor, die Pandemie als Vorwand zu nut­zen, um die Machtstellung seiner na­ti­onalkonservativen Regierung noch weiter auszu­bauen. Dem Gesetz zufolge kann die Regierung den am 11. März wegen der Pandemie verhäng­ten Notstand ohne die Zustimmung des Parlaments unbegrenzt verlängern.

Sie erhält das Recht, „die Anwendung bestimmter Gesetze per Dekret auszusetzen“, feste Vorgaben nicht einzuhalten und „andere außergewöhnliche Maßnahmen einzuführen, um die Stabilität des Lebens, der Gesundheit, der persönlichen und materiellen Sicherheit der Bürger wie der Wirtschaft zu garantieren“.

„Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen“, verteidigte Justizministerin Judit Varga den Gesetzentwurf vor der Parlaments­abstimmung. Er füge sich „perfekt in den verfassungsmäßigen Rahmen“.

Orbans Kritiker befürchten angesichts seiner Politik in den vergangenen zehn Jahren ei­nen Missbrauch der neuen Sonderrechte: Zahlreiche unabhängige Organisationen ver­wei­sen darauf, dass es in Ungarn seit 2010 vielfache Angriffe auf den Rechtsstaat in den Be­reichen Justiz, Zivilgesellschaft und Meinungsfreiheit gegeben habe. Für Beunruhigung sorgt auch eine Klausel in dem Entwurf, welche die Möglichkeit einer „erzwungenen par­lamentarischen Pause" vorsieht.

Seitdem Vertreter der Opposition vergangene Woche eine Verabschiedung des Gesetzent­wurfs im Schnellverfahren ablehnten, sehen sie sich des Vorwurfs des „Verrats“ ausge­setzt. Der unabhängige Abgeordnete Akod Hadhazy erklärte, das Gesetz sei in erster Linie „eine Falle für die Opposition“, der die Regierung vorwerfe, „auf Seiten des Virus“ zu stehen.

Regierungssprecher Zoltan Kovacs erklärte heute, das Gesetz sei durch das Widerspruchs­recht des Parlaments und die Pandemie selbst begrenzt, die „hoffentlich irgendwann aufhören wird“. Allerdings ist das Widerspruchsrecht des Parlaments nur formal, da die Fidesz-Partei von Orban über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament verfügt.

Ungarn hat bislang 408 Coronavirus-Infektionen sowie 13 Todesfälle gemeldet. Das EU-Land hat wegen der Pandemie seine Landgrenzen ebenso geschlossen wie seine Schulen sowie andere öffentliche Einrichtungen. Der Rechtspopulist Orban steht wegen Angriffen auf die Gewaltenteilung immer wieder in der Kritik. In der EU läuft ein Rechtsstaatlich­keitsverfahren wegen der Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Ungarn. © dpa/afp/kna/aerzteblatt.de

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