Vermischtes
Mit Robotertechnologie gegen Viren
Dienstag, 7. April 2020
Odense/Quingdao/München – Roboter können bei der Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 hilfreich sein, so etwa bei der Desinfektion in Krankenhäusern. Ein Beispiel dafür ist der Desinfektionsroboter UVD des dänischen Herstellers Blue Ocean Robotics, der das Reinigungspersonal bei seiner Arbeit unterstützt.
Nach Angaben des Unternehmens werden die Roboter in mehr als 40 Ländern weltweit genutzt, derzeit allein mehr als 2.000 Roboter in der chinesischen Provinz Wuhan. „Die Nachfrage für den UVD ist mit Ausbruch der COVID-19-Infektionen sprunghaft gestiegen“, sagte Claus Risager, CEO des Unternehmens.
Der Roboter nutzt ultraviolettes Licht (UV-C), um schädliche Krankheitserreger abzutöten. Die Geräte fahren dabei autonom durch Operationssäle und Patientenzimmer und bestrahlen die kritischen Oberflächen.
Je intensiver der Roboter eine Oberfläche bestrahlt, desto mehr schädliche Mikroorganismen werden zerstört – laut Hersteller lassen sich 99,99 Prozent aller Viren und Bakterien in einem typischen Patientenzimmer innerhalb von zehn Minuten beseitigen.
Aus Sicherheitsgründen arbeiten die Roboter in den Räumen autonom und schalten das UV-C-Licht sofort automatisch ab, sobald eine Person den Raum betritt.
„Das Potenzial der Roboter, uns bei der aktuell schweren Corona-Pandemie zu unterstützen, ist enorm", sagte Susanne Bieller, Generalsekretärin der International Federation of Robotics (IFR).
„Sie unterstützen uns im Gesundheitswesen, aber auch bei der Entwicklung, Prüfung und Herstellung von Medikamenten, Impfstoffen und anderen medizinischen Geräten und Hilfsmitteln.“
Desinfektionsaufgaben – wie sie der UVD-Roboter durchführt – oder die sichere Verteilung von Krankenhausmaterial in Quarantänezonen ohne menschlichen Kontakt – die beispielsweise der mobile Roboter Phollower von Photoneo leisteten, seien nur zwei von vielen Beispielen.
Medizinroboter bilden inzwischen einen eigenen, gut etablierten Serviceroboter-Markt mit beträchtlichem Wachstumspotenzial. Der Absatz von Medizinrobotern stieg im Jahr 2018 um 50 Prozent auf 5.100 Einheiten. Das geht aus dem von der IFR vorgestellten Bericht „World Robotics“ hervor.
Elektrischer Desinfektionsroboter
Auch Siemens arbeitet zusammen mit dem chinesischen Unternehmen Aucma im gemeinsamen Labor für Roboterapplikationen in Quingdao an einem intelligenten Desinfektionsroboter, der gegen das Coronavirus in Krankenhäusern zum Einsatz kommen soll.
Der Roboter kann den Entwicklern zufolge innerhalb einer Stunde eine Fläche von bis zu 36.000 Quadratmeter reinigen und überwindet mit seinem Fahrwerk dabei Hindernisse und Höhenunterschiede. Ein erster Prototyp wurde Mitte Februar fertiggestellt.
Im Unterschied zu Desinfektionsrobotern, die mit einer Kombination aus benzinbetriebener Vernebelungspistole und einem elektrischen Fahrwerk arbeiten, will das Team einen rein elektrischen Roboter entwickeln, denn das Auftanken der Roboter vor Ort ist schwierig und kann zu Verunreinigungen führen.
Zu den größten Herausforderungen für die Entwickler gehörten ein möglichst hohes Maß an Sterilisationswirkung bei geringstmöglichem Einsatz von Desinfektionsmitteln und die 360-Grad-Abdeckung selbst in engen Räumen.
Über eine 360-Grad-Kameraplattform auf der Oberseite werden Bilddaten und Informationen in Echtzeit übertragen. In Verbindung mit einem Bilderkennungs-Algorithmus kann der Anwender die betroffenen Bereiche per Fernbedienung ansteuern. Damit der Roboter auch auf unterschiedlichen Oberflächen eingesetzt werden und Hindernisse, Steigungen und Neigungen besser überwinden kann, entschied sich das Team statt für Räder für ein Raupenfahrwerk.
Gerade in der Krise, in der das medizinische Personal oft an seine Belastungsgrenzen gerät, kann ein Serviceroboter wertvolle Unterstützung leisten. Er ist rund um die Uhr belastbar, ohne zu ermüden und damit anfällig für Fehler zu werden, und auch auf Isolierstationen einsetzbar. Ärzte und Pfleger erhalten dadurch mehr Freiraum, für qualifizierte Leistungen und für den persönlichen Kontakt zu ihren Patienten.
Serviceroboter als multifunktionaler Assistent
Das Münchner Technologieunternehmen Robotise, ein Spin-off der Technischen Universität München, hat daher angekündigt, seinen Serviceroboter „JEEVES“ für den Einsatz im Gesundheitsbereich zu modifizieren.
Derzeit ist der 1,10 Meter hohe Roboter vor allem für den Minibar-und Roomservice in Hotels im Einsatz. Aus dem Butler soll jetzt ein autonomer Assistent für den Gesundheitssektor werden. Er ist ab sofort bestellbar, wird für jeden Einsatz in Absprache mit dem Auftraggeber individuell angepasst und laut Hersteller innerhalb weniger Wochen einsatzbereit.
Der Serviceroboter soll unter anderem die Arbeit in Kliniken, Reha-Zentren, Pflegeeinrichtungen, Laboren und großen Arztpraxen unterstützen. Er kann beispielsweise als eigenständige Logistikeinheit eingesetzt werden und Getränke verteilen, Stationen mit Medikamenten versorgen sowie Laborproben oder OP-Besteck transportieren.
Der mit mehreren Schubladen ausgestattete Roboter hat ein Gesamt-Ladevolumen von rund 100 Litern. Er kann bei Bedarf den Inhalt der Schubladen kühlen und daher laut Anbieter auch sensible Güter klimasicher transportieren, etwa Blutproben.
JEEVES besteht aus einer Basis, die mit unterschiedlichen Modulen für den jeweiligen Anwendungsfall bestückt und je nach Bedarf individuell konfiguriert werden kann. Nach einer Installationsphase arbeitet der Roboter in einer vorher definierten Umgebung selbstständig.
Dafür nutzt er eine Art interne Landkarte, zum Beispiel einer bestimmten Station der Klinik, um zu navigieren. Zusätzlich helfen ihm dabei diverse Sensoren, mit denen er etwa Hindernissen auf Klinikfluren wie Betten ausweichen kann.
Der Roboter fährt auf Wunsch autonom mit dem Aufzug in andere Stockwerke, kann allein arbeiten oder Ärzten beziehungsweise Pflegern bei der Visite folgen, um Utensilien wie Verbandsmaterial und Medikamente bereitzustellen. Anweisungen nimmt er über eine App beziehungsweise Computersoftware entgegen. Zudem kommuniziert er über ein 18,5-Zoll-Display mit seinem Gegenüber.
In der aktuellen Krisensituation kann der Roboter die Versorgung von isolierten COVID-19-Patienten erleichtern, ihnen zum Beispiel Getränke oder Snacks anbieten. Dadurch wird der Kontakt von COVID-19-Patienten zu anderen Menschen und somit die Ansteckungsgefahr für das Klinikpersonal auf ein Minimum reduziert.
Im nächsten Schritt ist eine Sprachausgabe vorgesehen. Geplant ist zudem, den Roboter so auszustatten, dass er bestimmte Klinikbereiche eigenständig desinfiziert. Zudem arbeiten die Ingenieure an einer automatisierten Temperaturmessung.
Roboter sortieren Blutproben
Im Universitätsklinikum Aalborg wird seit August 2019 eine Systemkombination aus Roboteranlage und intelligenter Transportbox eingesetzt, um die bis zu 3.000 Blutproben, die täglich in dem Krankenhaus eintreffen, zu kontrollieren und zu sortieren. Die Roboterlösung stammt von der Firma LT Automation, die Software zur Temperaturüberwachung der Blutproben beim Transport von Intelligent Systems.
Zuvor mussten die Blutproben manuell vorsortiert werden – eine monotone und anstrengende Tätigkeit, die gleichzeitig fehleranfällig war. Mit dem neuen System lassen sich die Qualität der Blutproben und deren Temperatur besser kontrollieren. In der Sortieranlage sind zwei Roboter des Herstellers KUKA verbaut, die über ein Steuerungssystem geführt werden. Auf einem Förderband laufen die Transportboxen zu den durch Plexiglaswände abgeschirmten Robotern.
Über die integrierten RFID-Datenlogger der Transportboxen lässt sich nicht nur der Transportweg der einzelnen Box nachverfolgen, sondern auch, welche Temperatur zu welcher Zeit im Inneren der Box geherrscht hat. Um die Qualität der Blutproben zu gewährleisten, muss die Temperatur konstant bei 21°C +/- 1°C liegen. Mit der Einführung der „intelligenten“ Transportbox hat das Klinikum festgestellt, dass dies zuvor nicht immer der Fall war.
Entnommen werden die Blutproben in den allgemeinmedizinischen Arztpraxen im Umkreis der Klink. Die Ärzte dort stellen die befüllten Glasröhrchen in die transparenten Transportboxen und bewahren diese in einem speziellen Schrank auf. Bei der Abholung scannt der Kurierfahrer die Boxen und bringt die Blutproben ins Klinikum, wo sie bei ihrer Ankunft wiederum gescannt und registriert werden.
Im Labor werden die Transportboxen auf dem Zuführband der Roboteranlage platziert. Gleichzeitig liest ein im Raum montierter RFID-Scanner den Datenlogger aus. Erkennt der Scanner, dass die Temperatur einer Box zu irgendeinem Zeitpunkt von der vorgeschriebenen Temperatur abgewichen ist, sendet er automatisch eine Information an den Roboter. Dieser schleust die betreffende Box aus der Anlage aus, sodass sie von einem Labormitarbeiter überprüft werden kann.
Werden keine Unregelmäßigkeiten festgestellt, öffnet der erste Roboter die Box, entnimmt die Blutproben und stellt sie zur Sortierung ab. Anschließend legt er den Deckel wieder auf die Box und schleust sie aus, damit sie für weitere Transporte verwendet werden kann.
Der zweite Roboter sortiert die ausgepackten Glasröhrchen nach der Farbe ihrer Deckel, die er mithilfe eines Scanners erkennt. Die vorsortierten Proben werden so aus der Anlage ausgegeben, dass der Labormitarbeiter die Blutuntersuchung durchführen kann. Im Schnitt benötigt das System 1,5 Minuten je Box und schafft bis zu vierzig Boxen in einer Stunde. © KBr/EB/aerzteblatt.de

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