Politik
Masken in jeglicher Form bleiben Diskussionsthema
Donnerstag, 2. April 2020
Berlin – Die Diskussion um das öffentliche Tragen von Schutz- und Behelfsmasken sowie die Bestellungen für medizinische Einrichtungen gehen auch zum Ende der Woche weiter. So beklagen viele medizinische Einrichtungen seit Wochen, dass die Kosten explodieren und kaum bestelltes Schutzmaterial ankommt.
Nun hat auch das Robert-Koch-Institut (RKI) seine Empfehlungen verändert und schreibt auf der Webseite, dass durch das Tragen von Behelfsmasken das Risiko einer Ansteckung anderer Personen verringert werden kann.
Gerade bei Menschen, die zwar mit COVID-19 infiziert sind, nur leichte Symptome entwickeln, aber dennoch ansteckend sind, „könnte in diesen Fällen das vorsorgliche Tragen von Behelfsmasken dazu beitragen, das Übertragungsrisiko zu vermindern“, so das RKI.
„Deshalb könnte das Tragen von Behelfsmasken durch Personen, die öffentliche Räume betreten, in denen der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann, dazu beitragen, die Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen“, heißt es weiter.
Aber: „Auf keinen Fall sollte das Tragen eines MNS oder einer Behelfsmaske dazu führen, dass Abstandsregeln nicht mehr eingehalten oder Husten- und Niesregeln beziehungsweise die Händehygiene nicht mehr umgesetzt werden.“
Auch Peter Walger, Vorstandssprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) plädierte dafür, dass wer angehustet werde und einen Mundschutz trage, „schützt sich vor dem größten Teil der Tröpfchen, die im Tuch oder Stoff hängen bleiben", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Regierung billigt Wiederverwendung von Schutzmasken in Ausnahmefällen
Berlin – Der Krisenstab der Bundesregierung billigt in der aktuellen Versorgungskrise die Wiederverwendung von Schutzmasken in Ausnahmefällen, wenn nicht ausreichend Material zur Verfügung steht. Angesichts der Beschaffungsprobleme gelte es, „pragmatische und zielführende, aber dennoch sichere Lösungen zu finden“, hieß es gestern in einer gemeinsamen Erklärung der Bundesministerien für Gesundheit [...]
Medizinische Einrichtungen beklagen weiterhin, dass es ihnen an Schutzausrüstung fehle: So erklärte die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB), dass der „eklatante Mangel an notwendiger Schutzausrüstung“ die ambulante Versorgung in Bayern „zunehmend gefährden“ würde.
Ähnlich wie in anderen Bundesländern sei „aufgrund offensichtlich völlig unzureichender Planungen im Bundesgesundheitsministerium“, bislang zu wenig von dem bestellten Material angekommen, heißt es in einer Mitteilung. Die Bayerischen Staatsregierung hatte am Anfang der Woche eine Million hochwertiger Schutzmasken für die verschiedenen Versorgungsebenen in Bayern angekündigt, diese seien laut KV weder bei ihnen noch in den Praxen angekommen.
„Wir werden in Sachen Schutzausrüstung jetzt seit Wochen hingehalten und vertröstet. Allen Versprechungen zum Trotz kommt bei den Praxen in Bayern praktisch nichts an. Es ist den Ärztinnen und Ärzten nicht zuzumuten, sich ohne entsprechenden Schutz der Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus auszusetzen“, erklärten die KVB-Vorstände Wolfgang Krombholz, Pedro Schmelz und Claudia Ritter-Rupp in einer Mitteilung. Sie fordern die Landesregierung auf, auch von ihrem Recht der Beschlagnahmung von Material in Unternehmen Gebrauch zu machen.
Ein wenig anders offenbar die Situation in Baden-Württemberg: Dort erklärte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Norbert Metke, dass Ausrüstung für die 15.000 Praxen im Land angekommen seien.
„Wir haben durch Belieferung der Bundesregierung und eigene Aktivitäten auf dem Markt über 100.000 Masken, etwa eine Million Mund-Nasenschutz-Tücher sowie Einmalhandschuhe und Schutzkittel beschafft, die wir aktuell an unsere Praxen ausliefern. Das ist leider nicht die Menge, die für die Versorgung erforderlich wäre, dennoch werden aber die Praxen damit den Betrieb erst einmal aufrechterhalten können.“
Die Lieferungen seien für die KV auch ein logistischer Aufwand: „Wir mussten unsere Organisation innerhalb weniger Tage von einer reinen Verwaltung in ein Logistikunternehmen umwandeln.“
Auch die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DGHNO-KHC) fordert, dass besonders HNO-Ärzte besser mit Schutzmaterialeien ausgerüstet werden. Denn: „Bei vielen HNO-ärztliche Untersuchungen und Eingriffen wirbeln feinste Tröpfchen auf und lassen einen stark virushaltigen Sprühnebel entstehen“, erklärt Andreas Dietz, Präsident der DGHNO-KHC und Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Leipzig.
„Noch einmal gesteigert werde die Ansteckungsgefahr dadurch, dass für die Behandlung eine große räumliche Nähe zum Patienten erforderlich sei.“ Daher rät er dringend HNO-Ärzten dazu, bei allen Eingriffen zusätzlich FFP-2-Schutzasten sowie einen Augenschutz anzulegen.
Aufgrund des Materialmangels werden inzwischen viele Betriebe kreativ – so hat beispielsweise die Optik-Kette Fielmann die Entwicklung und Produktion von Schutzbrillen für Ärzte und medizinisches Fachpersonal aufgenommen. „Wir rechnen binnen zwei Wochen mit der Zertifizierung und können dann qualitativ hochwertige Schutzbrillen in unterschiedlichen Ausführungen zur Verfügung stellen“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Marc Fielmann in Hamburg.
Auch ein Automobilzulieferer, der sonst Autositze produziert, nun auch Masken her. Im niederbayrischen Weng besuchte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sowie der Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die dortige Produktion. Söder sagte dort, „Deutschland werde Milliarden Masken brauchen“. In dem Betrieb sollen künftig bis zu fünf Millionen Schutzmasken pro Monat genäht werden.
„Das sind Corona-Schutzmasken“, sagte Söder in Weng. Diese seien höherwertiger als OP-Masken und „auf dem Weg zu einer FFP2-Maske“. Aiwanger ergänzte, die Masken seien von der Prüfgesellschaft Dekra getestet worden und seien zertifiziert. Er verwies darauf, dass von Textilbetrieben oder Privatpersonen genähte Gesichtsmasken nicht vorgeben dürften, dass sie gegen alles schützen. Seine Empfehlung sei, solche Exemplare schlicht Mund-Nasen-Masken statt Mund-Nasen-Schutz zu nennen.
Denn das Wort Schutz sei kritisch und daher nicht erlaubt, erläuterte Aiwanger. „Das wäre eine Irreführung und somit angreifbar.“ Viele Textilbetriebe wie Nähereien oder Kostümabteilungen von Theatern haben in den vergangenen Wochen auf die Produktion von Gesichtsmasken umgestellt. Mehrere Medien hatten darüber berichtet, dass Betriebe sich mit einer Reihe von Abmahnschreiben konfrontiert sahen.
Die Stadt Essen hat inzwischen ihre vor einigen Tagen veröffentlichte Nähanleitung in vier weitere Sprachen übersetzen lassen, so dass die achtseitige Anleitung nun auch auf Englisch, Türkisch, Persisch und Arabisch zur Verfügung steht. Die Stadt empfiehlt vor allem Pflegediensten und pflegenden Angehörigen, einen sogenannten Behelf-Mund-Nasen-Schutz (BMNS) zu tragen. Auch die Stadt Essen selbst lässt sich solche Mundschutzmasken nähen. Insgesamt sollen 15.000 Masken hergestellt werden.
Laut einer Umfrage sind inzwischen 57 Prozent der Deutschen für eine allgemeine Atemmaskenpflicht im Kampf gegen eine weitere Ausbreitung des Coronavirus. Dies geht aus einer heute veröffentlichten Umfrage des Instituts Forsa für die RTL-Mediengruppe hervor. 35 Prozent lehnen dies ab. Allerdings glaubt rund ein rund ein Viertel der Befragten (26 Prozent), dass sie sich durch Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auch selbst vor Infektionen schützen. © bee/dpa/afp/aerzteblatt.de

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