Politik
Natur- und Artenschutz könnte künftig Pandemien verhindern
Donnerstag, 2. April 2020
Berlin − Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat heute in Berlin zu mehr Natur- und Artenschutz aufgerufen, um künftige Pandemien zu verhindern. Die Zerstörung von Ökosystemen mit der daraus resultierenden Verringerung der Artenvielfalt trage direkt zur Entstehung neuer Infektionskrankheiten bei.
Ein engagierter Naturschutz in vielen Weltregionen sei ein wichtiger Schlüssel, um neuen Infektionskrankheiten vorzubeugen, betonte Schulze. „Jetzt ist die Zeit für akute Krisenbekämpfung“, betonte sie, aber die aktuelle Krise sei auch eine Chance, um zu zeigen, „dass die Weltgemeinschaft aus der Coronakrise lernt, dass wir Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt beschließen, auch um das Risiko von Pandemien zu verringern“.
Rund 70 Prozent der menschlichen Infektionserreger stammen ursprünglich aus dem Tierreich, darunter HIV, Ebola, Vogelgrippe, MERS und SARS. Den Ursprung von SARS-CoV-2 vermutet man auf einem Markt in Wuhan, China, auf dem Wildtiere gehandelt wurden. Mittlerweile hat die chinesische Regierung nationale Wildtiermärkte verboten.
Widtiermärkte sind Schulze zufolge „besonders gefährlich“, da Menschen dort unter unhygienischen Bedingungen mit verschiedensten Wildtieren in engen Kontakt kämen. Dort herrschten sehr schlechte Bedingungen für die Tiere, aber leider sehr gute Bedingungen für die Übertragung und Verbreitung von Viren, erklärte sie.
Allerdings, den Blick alleine auf dieses Problem zu werfen, greife zu kurz, betonte die Ministerin mit Verweis auf die Wissenschaft. Noch viel größer sei das Problem, dass Menschen die Lebensräume von Wildtieren „schädigen, zerstückeln und zerstören“. Je mehr der Mensch die Natur zerstöre, desto größer sei das Risiko, dass ein Virus von Wildtieren auf den Menschen überspringe und desto größer sei das Risiko eines Krankheitsausbruches bis zu einer Pandemie, so Schulze.
Artenvielfalt schützt vor neuen Infektionskrankheiten
Für den Zusammenhang zwischen der Zerstörung von Lebensräumen, der Reduktion der Biodiversität und dem Auftreten neuer Infektionskrankheiten beim Menschen gibt es eine biologische Erklärung. Die Biodiversität, also die Vielfalt der Arten, spiele eine ganz entscheidende Rolle bei der Regulation von Erregern, erläuterte Sandra Junglen vom Institut für Virologie der Berliner Charité.
Während in einem intakten Ökosystem alle ökologischen Nischen gefüllt seien, entstehe durch die Zerstörung der Natur, etwa die Rodung von Regenwaldflächen, freier Raum, der nur von Arten ausgefüllt werden könne, die sehr anpassungsfähig seien.
Während spezialisierte Arten in diesen Bereichen aussterben, siedeln sich Generalisten an. „Und das Fatale daran ist, dass sich mit den anpassungsfähigen Generalisten auch die Erreger stark ausbreiten, die ebenfalls sehr anpassungsfähig sind“, so Junglen.
Auf diese Weise steigt das Risiko der Übertragung von Viren zwischen den verschiedenen Generalisten. Aber auch der Kontakt mit Menschen und ihren Nutztieren nimmt zu, etwa wenn diese in Siedlungen nahe den dann oft landwirtschaftlich genutzten, gerodeten Flächen leben.
So entstehe „eine ganz unnatürliche Nähe zwischen Menschen und Wildtieren“, die das Risiko von Übertragungen erhöhe, warnte Schulze. Umgekehrt bedeute dies aber auch, dass Umweltschutz in vielen Weltregionen ein wichtiger Schlüssel sei, um dem Ausbruch von Infektionskrankheiten vorzubeugen, er könne zu einer Art Lebensversicherung für die Menschen werden.
Eine wichtige Aufgabe für die Zeit nach der Pandemie sei es, den weltweiten Wissensstand zum Zusammenhang zwischen Naturzerstörung und der Zunahme von neuen Infektionskrankheiten zu versammeln und zu erweitern. Sie regte an, dass sich der Weltbiodiversitätsrat dieser aktuellen Fragestellung widmen und politische Handlungsmöglichkeiten aufzeigen könnte.
Illegaler Wildtierhandel muss mit allen Mitteln bekämpft werden
Darüber hinaus müsse zur Vermeidung von Viruserkrankungen dringend der Handel mit Wildtieren eingeschränkt werden. Die Wildtiermärkte seien „nur ein ganz kleiner Ausschnitt des viel größeren und wachsenden Problems des illegalen Wildtierhandels“.
Der illegale Handel mit Wildtieren und den aus ihnen gewonnen Produkten gehöre inzwischen zu den größten und lukrativsten Formen der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität und müsse mit allen verfügbaren Mitteln bekämpft werden.
Zentral wichtige sei außerdem die Schaffung eines neuen, tragfähigen, internationalen Rahmens für den Naturschutz. „Die Weltgemeinschaft hat verabredet, sich bei der nächsten UN-Konferenz zum Schutz der biologischen Vielfalt eine globale Biodiversitätsstrategie zu geben.“ Dann werde sich zeigen, ob die Weltgemeinschaft aus der Coronakrise gelernt und auch verstanden habe, dass Umwelt- und Naturschutz auch präventive Gesundheitspolitik sei. © nec/aerzteblatt.de

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