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Medizin

SARS-CoV-2: Island ermittelt Kontakte mit Genomanalysen

Donnerstag, 16. April 2020

/dariaustiugova, stock.adobe.com

Reykjavik − In keinem anderen Land wird die Ausbreitung von SARS-CoV-2 so genau verfolgt wie auf Island. Bereits 6 % der Bevölkerung wurden auf das Virus getestet und in etwa der Hälfte der Infektionen wurde das Virus sequenziert. Laut einem Bericht im New England Journal of Medicine (2020; doi: 10.1056/NEJMoa2006100) wissen die Behörden, woher die Viren eingeschleppt wurden und häufig auch, wer sich wo infiziert hat.

Die Firma deCODE Genetics, die das relativ homogene Erbgut der Bevölkerung für die Suche nach seltenen Gendefekten nutzt, hat nach dem Beginn der Epidemie den Gesundheits­behörden frühzeitig ihre Mitarbeit angeboten. Dass die Insel mit ihren 364.000 Einwohnern von der Epidemie nicht verschont bleiben würde, war abzusehen. Über den internationalen Flughafen in Reykjavik reisen jährlich 7 Millionen Menschen auf die Insel (wenn auch häufig nur für einen Zwischenstopp).

Ab dem 31. Januar wurden alle Personen getestet, die aus Hochrisiko-Ländern nach Island eingereist waren. Am 28. Februar wurde die erste Infektion bei einem Rückkehrer aus Norditalien gefunden. Bis Ende März stieg die Zahl auf 1.308 an. Die meisten Fälle wurden durch die Untersuchung der Risikopersonen und ihre Kontakte gefunden. Der Anteil der Infizierten betrug hier 13,3 %, was auf die Ausbreitung der Epidemie in den Alpenländern schließen lässt, wo viele Infizierte ihren Urlaub verbracht hatten.

Seit dem 13. März konnten sich auch Isländer testen lassen, die nicht ins Ausland gereist waren. Von den 10.797 Einwohnern, die das Angebot annahmen, waren 87 infiziert, was eine Punktprävalenz von 0,8 % ergibt. Seit dem 1. April wird eine Zufallsstichprobe von bisher 2.283 Personen getestet, von denen 13 (0,6 %) positiv waren.

Auch auf der abgelegenen Wikingerinsel breitet sich das Virus aus. Im zeitlichen Verlauf ist der Anteil der positiven Tests leicht rückläufig. Das Screening kann nach Einschätzung von Kari Stefansson, dem Geschäftsführer von deCODE, einen Beitrag zur Eindämmung der Epidemie auf Island leisten.

Fast die Hälfte der Infizierten (43 %) hatte zum Zeitpunkt des positiven Tests keine Symptome. Ob sie später erkrankt sind oder asymptomatisch blieben, ist unklar. Kleinkinder und Frauen waren seltener infiziert als ältere Kinder/Erwachsene und Männer. Ob dies an den geringeren Kontakten liegt oder ob sie aus biologischen Gründen weniger anfällig sind, kann die Studie ebenfalls nicht klären.

Interessant sind die Ergebnisse der Genomanalysen, die an 643 Virusisolaten durchgeführt wurden. Das Erbgut des Virus ist seit seiner Entdeckung Anfang Januar an mehreren Stellen mutiert. Anhand der genetischen Veränderungen lässt sich die geografische Herkunft ermitteln. Die Haplotypen A und B sind in Ostasien häufig. Der Haplotyp B1a hat sich an der Westküste der USA ausgebreitet, der Haplotyp A2a kommt bisher ausschließlich in Europa vor.

In der ersten Phase (bei der gezielten Testung von Reiserückkehrern und deren Kontakten) überwogen mit einem Anteil von 65,6 % die Haplotypen A2a1 und A2a2. Diese Personen waren überwiegend aus dem Skiurlaub aus den Alpen zurückgekehrt. Im Screening wurden dann häufiger Viren gefunden, deren Ursprung sich nach Großbritannien zurückverfolgen ließ.

Diese Regionen waren damals noch nicht als Risikogebiete eingestuft worden – fälschlicherweise, wie die aktuell starke Ausbreitung in Großbritannien zeigt. Mittler­weile überwiegt der Haplotyp A2a3, der vielleicht aus der Schweiz eingeschleppt wurde und derzeit vor allem für die Infektionen in Island verantwortlich ist.

Mit der Genomanalyse lassen sich auch einzelne Infektionsketten nachvollziehen. Von 369 Infektionen, die durch Kontaktuntersuchungen gefunden wurden, konnten 295 durch die Genom-Analyse bestätigt werden. Es gab aber auch Fälle, bei denen erst durch die Genom-Analyse die möglichen Kontakte aufgespürt wurden.

Das Virus hat sich auch innerhalb von Island verändert. Laut Stefansson wurden bisher 291 Mutationen entdeckt, die bisher nur in Island aufgetreten sind. Tatsächlich zeigen die Kontaktuntersuchungen, das der Anteil der Personen, die sich im Urlaub infiziert haben, gegen Null geht. Etwa die Hälfte der Infektionen erfolgt mittlerweile in der Familie, bei den übrigen konnte die Herkunft der Viren nicht geklärt werden.

Die umfassenden Tests dürften dazu beigetragen haben, dass die Zahl der Infektionen seit dem 13. März leicht zurückgegangen ist. Das Virus hat sich jedoch auf der Insel festgesetzt und ohne die Fortsetzung der Tests würde es nach Einschätzung von Stefansson rasch zu einem erneuten Anstieg kommen. © rme/aerzteblatt.de

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