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Ärzteschaft

KBV legt Vorschläge für eine Rückkehr der Vertragsarztpraxen zum Regelbetrieb vor

Donnerstag, 16. April 2020

KBV-Vorstandsvorsitzender Andreas Gassen /picture alliance, Annegret Hilse, Reuters-Pool

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat heute in Berlin ein Papier vor­gelegt, in dem sie Vorschläge und Voraussetzungen für eine Rückkehr der Praxen von niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten zum Regelbetrieb formuliert.

Angesichts der Empfehlungen verschiedener wissenschaftlicher Gesellschaften und erster Schritte von Bund und Ländern, die strengen Einschränkungen des öffentlichen Lebens in­folge der Coronapandemie zu lockern, wolle man mit dem Papier „Back to Life“ aus me­dizinischer Sicht einen Beitrag zu einer Exit-Strategie leisten, erklärte der KBV-Vorstands­vorsitzende Andreas Gassen bei einer Online-Pressekonferenz.

Denn eine Lockerung des Shut Downs sei angesichts der Folgen für die Wirtschaft aber auch für die medizinische Versorgung alternativlos. Wesentliche Voraussetzung für eine Rückkehr in die Routineversorgung sei, dass die Praxen über ausreichend persönliche Schutzausrüstung verfügten, sagte Gassens Vorstandskollege Stephan Hofmeister.

Nur so könnten Praxispersonal und Patienten wirksam vor einer Ansteckung mit dem neuen Coronavirus geschützt werden. „Mit ausreichender Schutzausrüstung steht und fällt alles“, sagte der stellvertretende KBV-Vorsitzende. Diese sei allerdings weiterhin knapp.

In diesem Zusammenhang wies Hofmeister darauf hin, dass die KBV eine Million FFP-2-Masken in China bestellt habe, die jetzt sukzessive über die Kassenärztlichen Vereinigun­gen (KVen) an die Praxen verteilt würden. Die KBV werde auch weiterhin Masken bestell­en, um dabei mitzuhelfen, die Versorgung zu sichern.

COVID-Patienten von anderen Patienten trennen

Der „strukturierte Weg in die Normalität“ muss nach Ansicht der KBV nach dem Prinzip bestmöglicher Risikoverminderung erfolgen. Das bedeute, dass so weit wie möglich COVID-19-Verdachts- und Erkrankungsfälle von anderen Patienten getrennt werden müss­ten.

Geschützt werden müssten insbesondere Risikogruppen wie ältere Patienten, Raucher, Patienten mit Vorerkrankungen wie COPD, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und onkologi­schen Erkrankungen sowie immunsupprimierte Patienten, die mit höherer Wahrschein­lichkeit schwere Krankheitsverläufe entwickelten.

In der akuten Phase der Pandemie mit steigenden Infektionszahlen hätten die KVen, zum Teil gemeinsam mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst, dafür gesonderte Strukturen ge­schaffen. Entstanden seien Corona-Schwerpunktpraxen und –Ambulanzen, Coronasprech­stunden bei Hausärzten sowie Telefonsprechstunden und Besuchsdienste zur Abklärung von Verdachtsfällen und zum Monitoring bestätigter Fälle in häuslicher Quarantäne.

Dauerhaft sei die Aufrechterhaltung von eigenständigen Versorgungsstrukturen für Coro­naverdachtsfälle und COVID-19-Patienten aber weder wirtschaftlich noch notwendig, er­klärte KBV-Vize Hofmeister. Die Zahl der Patienten, die mit Verdachtssymptomen die Co­ro­napraxen aufsuchten, liege mittlerweile täglich zwischen null und vier.

Infektsprechstunden flächendeckend anbieten

Mittelfristig müssten deshalb die Aufgaben der COVID-Zentren in den Regelbetrieb der Praxen integriert werden, heißt es im Papier der KBV. Haus- und Kinderärzte sowie Fach­gruppen wie Kardiologen, Pneumologen, Radiologen oder HNO-Ärzte sollten dafür flä­chendeckend „Infektsprechstunden“ anbieten, um auf diese Weise mutmaßliche COVID-19-Patienten von den anderen Patienten getrennt zu versorgen.

Dazu gehöre auch, dass die Bürger immer wieder darauf hingewiesen würden, dass sie bei typischen COVID-19-Symptomen, nach Kontakt zu COVID-19-Patienten und bei unkla­ren Symptomen von Infektionen der oberen Atemwege vor dem Arztbesuch telefonisch Kontakt zur Praxis aufnehmen und das weitere Vorgehen besprechen.

Ebenso wie im ambulanten Bereich müssten aus medizinischer Sicht auch in den Kran­ken­häusern COVID-19 Verdachts- und Erkrankungsfälle strikt von anderen Patienten ge­trennt werden. In ihrem Exit-Papier schlägt die KBV deshalb eine gemeinsame Diskussion über den möglichen Aufbau von COVID-19-Krankenhäusern oder separaten COVID-19-Sta­tionen vor.

Massentests sind nicht sinnvoll

Damit Kontaktbeschränkungen gelockert werden könnten, müssten Infizierte schnell er­kannt und isoliert werden können, heißt es in dem KBV-Papier weiter. In Deutschland wer­de bereits umfangreich getestet, sagte KBV-Chef Gassen. Dieses Niveau gelte es aufrecht zu erhalten. Massentests machten hingegen aus medizinischer Sicht keinen Sinn.

Stattdessen sollten symptomatische Patienten sowie medizinisches und Pflegepersonal re­gelmäßig auf eine Coronainfektion getestet werden. Die KBV hält auch vorsorgliche Tests für die Bewohner in Alten- und Pflegeheimen für sinnvoll, weil diese zu den beson­ders vulnerablen Gruppen zählten. Für ein solches Testregime müssten aber klare Finan­zie­rungsregelungen geschaffen werden.

Für unrealistisch hält man bei der KBV die Forderung, die Testkapazitäten auf etwa 500.000 pro Tag auszuweiten. Dafür fehle es sowohl an Reagenzien und Materialien als auch an Personal, das diese gigantische Anzahl von Rachenabstrichen durchführe und in den Laboren die Hochdurchsatzmaschinen für die Auswertung der Tests bediene.

Patienten trauen sich nicht mehr zum Arzt

Zurzeit sei noch nicht verlässlich abzusehen, wann und in welcher Menge ein gegen das SARS-CoV-2 Virus wirksamer Impfstoff zur Verfügung stehen werde, erklärte KBV-Vor­stand Hofmeister. Jedenfalls könne man mit einer Rückkehr zur Regelversorgung darauf nicht warten. Denn es sei schon heute so, dass sich schwer kranke Patienten aus Angst vor dem Virus nicht mehr in die Praxen und Krankenhäuser trauten.

„Wir müssen mit dem Coronavirus leben“, sagte Hofmeister. „Arztbesuche aus medizini­scher Indikation müssen weiterhin stattfinden können.“ Zur Wiederaufnahme des Normal­betriebs benötige man pragmatische Lösungen wie sie das KBV-Papier vorschlage. „Bei vorhandener Schutzausrüstung und funktionierender Trennung der Patientenströme können wir den Regelbetrieb morgen wiederaufnehmen“, bekräftigte Hofmeister.

COVID-19 sei zurzeit das alles beherrschende Thema, sagte der KBV-Vorsitzende Gassen. „Aus ärztlicher Sicht ist das aber nicht die Hauptkrankheitslast.“ Es gebe viele schwere Er­krankungen wie Herzinfarkte oder Krebs, deren Behandlung nicht in den Hintergrund tre­ten dürfe. Diese endeten unbehandelt fast immer tödlich, während eine Infektion mit SARS-CoV-2 in 80 Prozent der Fälle glimpflich verlaufe.

Es sei sinnvoll gewesen, sich auf die Pandemie vorzubereiten und zusätzliche Behand­lungs­kapazitäten insbesondere auf den Intensivstationen zu schaffen, erklärte Gassen. Jetzt hätten aber viele Krankenhäuser Kurzarbeit eingeführt, weil der befürchtete An­sturm an COVID-19-Erkrankten zum Glück ausgeblieben sei. Auch die Praxen seien leerer. „Der Regelbetrieb kann nicht dauerhaft ausgesetzt bleiben. Wir müssen allmählich wieder zum Alltag zurückzukehren“, betonte der KBV-Vorsitzende. © HK/aerzteblatt.de

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