Vermischtes
Erste Krankenhäuser beantragen Kurzarbeit
Freitag, 17. April 2020
Berlin – Die Kurzarbeiterregelung ist nach Ansicht der Bundesregierung nicht für Krankenhäuser gedacht. Dennoch gibt es nun die ersten Einrichtungen, die diese Möglichkeit für ihre Mitarbeiter nutzen wollen. Dazu gehört die Geschäftsführung des finanziell angeschlagenen Kreiskrankenhauses Greiz. Dort wurde Kurzarbeit für die Belegschaft ab April angemeldet. Grund sei die Absage von verschiebbaren Operationen wegen der Pandemie, heißt es in einer Mitteilung der Geschäftsführung.
Das Krankenhaus müsse Betten für potenzielle Coronapatienten frei halten. Dadurch sei die Auslastung auf etwa zwei Drittel der Bettenkapazität gesunken, es werde weniger medizinisches und pflegerisches Personal für die Patientenbehandlung benötigt. Ohnehin sei die finanzielle Situation des Hauses angespannt. Auch für den Standort Schleiz sei Kurzarbeit beantragt worden, teilte die Gewerkschaft Verdi mit.
Verdi äußerte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens durch die Geschäftsführung. Weder in Greiz noch in Schleiz sei die Zustimmung des Betriebsrats zur Kurzarbeit eingeholt worden, sagte Verdi-Sekretär Philipp Motzke. Dies sei nach dem Betriebsverfassungsgesetz aber Voraussetzung bei einem solchen Schritt.
Die Gewerkschaft hat nach eigenen Angaben die für die Bewilligung von Kurzarbeit zuständigen Arbeitsagenturen über das Versäumnis informiert. Er gehe davon aus, dass die Agentur unter diesen Umständen Kurzarbeit nicht genehmige, sagte Motzke. Vom Krankenhaus war zu dem Vorwurf zunächst keine Stellungnahme zu bekommen.
Das Krankenhaus Greiz unterliege als Vollmitglied im kommunalen Arbeitgeberverband dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, betonte der Gewerkschaftssekretär Motzke. Verdi und die Vereinigung kommunaler Arbeitgeber hätten sich auf Bundesebene auf eine auf die COVID-19-Pandemie zugeschnittene Tarifregelung geeinigt, die zur Abmilderung von Einkommensverlusten für die Beschäftigten eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds für Beschäftigte im öffentlichen Dienst vorsähen.
„Es hat den Anschein, dass die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat nun auch die COVID-19-Pandemie nutzen wollen, um das Krankenhaus zu sanieren“, erklärte Motzke. Die Kreiskrankenhaus Greiz GmbH kämpft mit einem Millionendefizit, allein 2019 verbuchte es ein Minus von 2,2 Millionen Euro. Bis Ende des Monats will die Geschäftsführung ein Sanierungskonzept vorlegen. In den Häusern in Greiz und Schleiz wurden im vergangenen Jahr rund 18.000 Patienten behandelt. Das Krankenhaus Greiz hat rund 540 Beschäftigte, das Haus in Schleiz etwa die Hälfte.
Der private Klinikkonzern Asklepios plant nach Angaben des Marburger Bundes (MB) Niedersachsen, die Beschäftigten in den Asklepios Harzkliniken Goslar und Seesen in Kurzarbeit zu schicken. In Seesen gelte dies für alle Beschäftigten. In Goslar seien unter anderem Beschäftigte in der Pflege ausgenommen, wohingegen ärztliches und therapeutisches Personal betroffen wäre. Der Konzern habe sich mit entsprechenden Plänen an die Betriebsräte gewandt, so der MB.
Der MB Niedersachsen kritisiert die geplante Kurzarbeit für Beschäftigte der Asklepios Harzkliniken Goslar und Seesen scharf. „Wir halten diese Pläne für unverantwortlich. Diese verordnete Zwangspause reißt Lücken in die Versorgung,“ sagt Andreas Hammerschmidt, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes Niedersachsen. Es brauche alle verfügbaren Personalkapazitäten, um auf eine mögliche Zuspitzung der Lage vorbereitet zu sein. Das gelte auch im Harz.
Er betonte, es gebe auch abseits von COVID-19 weiterhin genug zu tun. Es werde immer wieder vergessen, dass es auch andere Notfälle gebe. „Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Frakturen hören doch nicht auf zu existieren, weil zurzeit eine Corona-Pandemie herrscht. Zudem können wir nicht wissen, wie sich die Lage entwickeln und wie viele COVID-19-Erkrankte es in den kommenden Wochen geben wird. Auch wenn Niedersachsen aktuell relativ gut da steht“, sagte er.
Die Zahl der Erkrankten könne sich binnen kürzester Zeit stark erhöhen, so Hammerschmidt weiter. Die Kliniken müssten jetzt darauf vorbereitet sein, alle möglichen Kapazitäten offen zu halten. „Das Vorgehen macht absolut keinen Sinn, ist geringschätzend und demoralisierend,“ kritisiert Hammerschmidt. „Wir brauchen in dieser Situation alle Beschäftigten. Alles andere ist unverantwortlich.“
Um Einnahmeausfälle von Krankenhäusern in der Coronakrise zu kompensieren, hatte der Bund eine gesetzliche Regelung geschaffen, um die Kliniken finanziell zu entlasten. Demnach erhalten die Häuser für entgangene Einnahmen aus Operationen und Behandlungen und vorsorglich frei gehaltene Betten Ausgleichszahlungen.
Hammerschmidt vertritt hier eine klare Meinung: „Das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz wurde ja gerade dafür geschaffen, Einnahmeausfälle zu kompensieren und Maßnahmen wie Kurzarbeit zu verhindern, damit alle möglichen Kapazitäten zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie offen gehalten werden.“
Man könnte den Eindruck bekommen, Asklepios wolle einerseits die Mittel aus dem Sozialsicherungspaket mitnehmen und gleichzeitig seine Personalausgaben für Goslar und Seesen auf Kosten der Beschäftigten senken. © dpa/may/aerzteblatt.de

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