Politik
Spahn verspricht „personelles und digitales Update“ des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
Montag, 20. April 2020
Berlin – Angesichts der Corona-Pandemie soll der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) in Deutschland personell verstärkt und digital besser ausgestattet werden. Das hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) heute in Berlin angekündigt.
Er bezog sich dabei auf Ergebnisse einer Arbeitsbesprechung, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern mit dem sogenannten Coronakabinett geführt hatte. In dem Kabinett sind neben Merkel die Minister für Gesundheit, Forschung und Verteidigung, der Bundesaußen- und der Bundesinnenminister sowie der Chef des Bundeskanzleramts vertreten.
Der ÖGD spiele für die Kontrolle und Eindämmung der Coronaepidemie eine entscheidende Rolle, erklärte Spahn vor Journalisten. Die Gesundheitsämter in den Kommunen seien für die Meldung bestätigter Infektionen mit SARS-CoV-2 an das Robert-Koch-Institut (RKI) ebenso zuständig wie für die Nachverfolgung möglicher Kontaktpersonen und die Überwachung von Quarantänemaßnahmen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wolle deshalb die Arbeit der rund 400 lokalen Gesundheitsämter in Deutschland bestmöglich unterstützen.
Unterstützung aus der Verwaltung und von Studierenden
Unter anderem sollen Mitarbeiter aus anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen unterstützen. In besonders von der Epidemie betroffenen Regionen sollen zusätzlich Teams aus den Ländern oder auch geschultes Personal der Bundeswehr eingesetzt werden. Bereits am 25. März hatten Bund und Länder beschlossen, dass pro 20.000 Einwohner mindestens ein Kontaktnachverfolgungsteam aus fünf Personen zur Verfügung stehen solle.
Darüber hinaus finanziert das BMG die Schulung von 105 mobilen Teams von jeweils fünf Studierenden, die den ÖGD zeitweise bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen unterstützen sollen. In Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen habe man damit bereits begonnen, wie aus einem Beschluss des Coronakabinetts hervorgeht.
Ebenfalls vom BMG finanziert wird ein Schulungsprogramm für Medizinstudierende, das der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) durchführt. Dieser bereitet Medizinstudierende darauf vor, die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen, bei der Dokumentation, der Dateneingabe und der Telefonauskunft zu unterstützen.
Beim RKI soll nach dem Willen des Coronakabinetts dauerhaft eine Kontaktstelle für die Mitarbeiter der kommunalen Gesundheitsämter eingerichtet werden. Auf diese Weise soll der Informationsfluss verbessert und Unterstützungsbedarf frühzeitig erkannt werden.
150.000 Euro für Investitionen in Hard- und Software
Um Meldewege zu beschleunigen und den ÖGD personell zu entlasten, setze die Bundesregierung zusätzlich auf Digitalisierung, erklärte Spahn. Bereits innerhalb weniger Wochen wolle man erreichen, dass die Labore SARS-CoV-2-Erregernachweise direkt elektronisch an die Gesundheitsämter und das RKI melden. Das erhöhe die Aktualität der Meldedaten und entlaste das Personal, heißt es im Beschluss des Corona-kabinetts.
Mit bis zu 150.000 Euro aus dem Haushalt des BMG können die kommunalen Gesundheitsämter für Investitionen in Hard- und Software rechnen. In der zweiten Aprilhälfte will das Ministerium den Ämtern außerdem eine Plattform zur Verfügung stellen, die es im Rahmen der Quarantäneüberwachung ermöglicht, Symptome der Patienten digital abzufragen. Gleichzeitig würden diese Angaben technisch überprüft und priorisiert, sodass der Amtsarzt die Fälle nach Dringlichkeit aufbereiten könne.
Zurzeit werde der gesundheitliche Zustand von Personen in Quarantäne durch zwei Anrufe oder Hausbesuche täglich kontrolliert, was das Personal der Gesundheitsämter enorm belaste.
Um Infektionsketten schnellstmöglich zu unterbrechen und damit Ansteckungsrisiken zu reduzieren, sollen nach dem Willen des Coronakabinetts künftig Tracking-Apps zum Einsatz kommen. Diese müssten unter epidemiologischen Gesichtspunkten vom RKI freigegeben werden sowie Datensicherheit und Datenschutz gewährleisten.
Zudem entwickelten das BMG, die Charité, das RKI und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zurzeit einen digitalen Symptomchecker, der aus den Antworten auf einen Fragenkatalog Handlungsempfehlungen ableitet. Bürgerinnen und Bürger sollen dadurch besser durch das Gesundheitssystem gelotst und gegebenenfalls in Krankenhäuser oder an Untersuchungsstellen verwiesen werden.
Kontrolle über das Ansteckungsgeschehen behalten
Angesichts erster Lockerungen bei den Beschränkungen für das öffentliche Leben sei es besonders wichtig, eine stete Kontrolle über das Ansteckungsgeschehen mit SARS-CoV-2 in Deutschland zu behalten, erklärte Spahn. „Dafür ist der ÖGD besonders wichtig.“ Der ÖGD sei der Dreh- und Angelpunkt für den Umgang mit der Epidemie.
Damit dessen Leistungsfähigkeit auch bei möglicherweise wieder steigenden Infektionszahlen erhalten bleibe, benötige er ein „personelles und digitales Update“, sagte der Minister und räumte zugleich ein, dass der ÖGD nicht immer die Aufmerksamkeit erhalten habe, die er verdiene.
Das beklagt der BVÖGD seit Langem. Die Ärzte im ÖGD verdienen dem Verband zufolge rund 1.500 Euro weniger als deren Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern. Die öffentlichen Arbeitgeber in Ländern und Kommunen weigerten sich seit Jahren, die Gehälter der Amtsärzte anzugleichen. Die Folge: Arbeiteten 1995 noch 3.780 Ärzte in den Gesundheitsämtern, sind es jetzt noch 2.500: ein Rückgang um 35 Prozent. © HK/aerzteblatt.de
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