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Medizin

„CARDS”: Akutes Lungenversagen bei COVID-19 erfordert spezielle Beatmungstechnik

Dienstag, 28. April 2020

/picture alliance, Marijan Murat

Minneapolis und Göttingen − Das akute Lungenversagen („Acute Respiratory Distress Syndrome“, ARDS) von Patienten mit COVID-19 unterscheidet sich nach Ansicht von Experten im Anfangsstadium vom klassischem ARDS der schweren Lungenentzündung. Im Amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2020; doi: 10.1001/jama.2020.6825) regen sie deshalb eine andere Beatmungsstrategie an.

Die Coronaviren erreichen zwar über die Atemwege die Lungen, wo sie zuerst Pneumozyten in den Alveolen befallen. Die Schäden an der Lunge betreffen jedoch in erster Linie das Endothel in den Blutgefäßen, schreiben John Marini von der Universität von Minnesota in Minneapolis und Luciano Gattinoni von der Universitätsmedizin Göttingen.

Nach Ansicht der beiden Experten ist COVID-19 in erster Linie eine systemische Erkrankung mit einem (zumindest im Anfangsstadium) eigenständigen ARDS, das sie als „CARDS“ bezeichnen.

Beim konventionellem ARDS kommt es infolge der Lungenentzündung zu einem Lungen­ödem. Die Alveolen füllen sich mit Flüssigkeit, was die Belüftung der Lungen deutlich einschränkt („Baby Lung“). Bei diesen Patienten kann die Belüftung häufig durch einen erhöhten positiven endexspiratorischen Druck (PEEP), bestimmte „Rekrutierungs­manöver“ der maschinellen Beatmung und eine Bauchlage des Patienten verbessert werden, da diese die Zahl der belüfteten Alveolen erhöht.

Dabei muss allerdings ein großes Atemzugvolumen (Tidalvolumen) vermieden werden. Denn die Dehnbarkeit (Compliance) der Lungen ist beim ARDS vermindert. Zu starke Exkursionen können das Lungengewebe „zerreißen“.

Pneumologie: Richtig beatmen bei COVID-19

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hat ein Positionspapier vorgelegt, das die Zweifel an der zeitgerechten invasiven Beatmung von COVID-19-Patienten entkräftet. Es adressiert verschiedene Beatmungstechniken und geht auf die Prognose ein. Die Beatmungstherapie von Patienten mit einer COVID-19-Pneumonie ist aktuell vor allem in der Öffentlichkeit in eine Schieflage

Um eine solche beatmungs­assoziierte Lungenschädigung („ventilator-induced lung injury, VILI) zu vermeiden, werden die Lungen mit kleinerem Tidalvolumen belüftet, auch wenn dadurch die Abgabe von CO2 leicht vermindert wird und es zu einer mäßigen „permissiven“ Hyperkapnie kommt. Einige Patienten werden deshalb frühzeitig sediert. Denn auch die starken Atembewegungen des um Luft ringenden Patienten können die Lungen schädigen. Dies wird als P-SILI („patient self-induced lung injury“) bezeichnet.

Bei Patienten mit “CARDS” sind die belüfteten Lungenanteile anfangs weniger stark eingeschränkt, oft fehlt sogar die Luftnot. Die Elastizität der Lungen ist erhalten. Marini und Gattinoni sprechen von einem Low- oder L-Typ. Er ist gekennzeichnet durch einen niedrigen (low) elastischen Lungenwiderstand (Elastance), einem niedrigen (low) Lungengewicht (mit CT gemessen) und einem schwachen (low) Ansprechen auf eine PEEP. In der Computertomografie werden dann oft Milchglastrübungen („ground-glass opacity“) sichtbar, was auf eine interstitielle Schädigung der Lungen hinweist.

Bei diesen Patienten ist nach Einschätzung von Marini und Gattinoni Zurückhaltung geboten. Von einer Standardtherapie mit frühzeitiger Intubation und Intensivbeatmung, wie sie sonst bei einer schweren Lungenentzündung angewandt wird, raten die Wissenschaftler in dieser Phase ab. Zunächst müsse durch eine angemessene Unterstützung des Gasaustauschs und der Atmung dafür gesorgt werden, dass die Lunge Zeit erhalte, sich zu erholen.

Bei anderen Patienten kommt es dagegen zu einer Verschlechterung und zum Übergang in den High- oder H-Typ. Er ist gekennzeichnet durch eine hohe (high) Elastance, ein höheres (high) Lungengewicht und ein gutes (high) Ansprechen auf einen PEEP. Die Ursache ist dann ein ausgeprägtes Lungenödem wie bei der klassischen ARDS mit einer extensiven Konsolidierung im CT. In diesem Stadium müsste durch ein niedriges Tidalvolumen die Lunge vor einer VILI geschützt werden.

Hintergrund des Beitrags von Marini und Gattinoni sind Berichte über eine ungewöhnlich hohe Sterblichkeit von mechanisch beatmeten COVID-19-Patienten. Diese lag an einigen Zentren über 50 % und damit höher als normalerweise beim ARDS. Die Forscher, die zu den bekanntesten Experten für die mechanische Beatmung gehören, hatten ihre Ideen kürzlich auch in Intensive Care Medicine (2020; DOI: 10.1007/s00134-020-06033-2) vorgestellt. © rme/aerzteblatt.de

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