Medizin
COVID-19: Remdesivir zeigt mäßige Wirkung in ersten randomisierten Studien
Donnerstag, 30. April 2020
Peking/Bethesda/Foster City – Die ersten Ergebnisse aus drei randomisierten Studien zum Virustatikum Remdesivir, auf dem derzeit die Hoffnungen in der Behandlung von COVID-19 ruhen, fallen unterschiedlich aus.
In einer chinesischen Studie konnte für Patienten mit schwerer Erkrankung kein eindeutiger Vorteil gezeigt werden. In einer Studie der US-National Institutes of Health mit weniger schwer erkrankten Personen wurde dagegen die Zeit bis zur Erholung verkürzt und erste Ergebnisse einer Studie des Herstellers zeigen, dass eine 5-tägige Behandlung ausreichen könnte.
Publiziert sind derzeit allein die Ergebnisse der chinesischen Studie. Ein Team um Bin Cao von der Klinik der chinesisch-japanischen Freundschaft in Peking hatte an zehn Kliniken in der Provinz Hubei 237 Patienten im Verhältnis 2 zu 1 auf eine Behandlung mit Remdesivir in der „Ebola“-Dosierung (200 mg am Tag 1, gefolgt von 100 mg an den Tagen 2 bis 10) oder auf Placebo randomisiert.
Alle Patienten waren mit einer Sauerstoffsättigung von 94 Prozent oder weniger oder einem PaO2/FiO2-Quotienten von weniger als 300 mm Hg an einer schweren radiologisch bestätigten Lungenentzündung erkrankt (weshalb auch eine Begleitbehandlung mit Lopinavir-Ritonavir, Interferonen und Kortikosteroiden gestattet war).
Primärer Endpunkt war eine Besserung des klinischen Zustands auf einer Skala von 1 (Entlassung) bis 6 (Tod). Dieses Ziel wurde nach den jetzt mitgeteilten Ergebnissen nicht eindeutig erreicht. Die Publikation im Lancet (2020; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)31022-9) gibt die Hazard Ratio für eine klinische Verbesserung mit 1,23 an.
Bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,87 bis 1,75 wurde jedoch das Signifikanzniveau verfehlt. Die Ergebnisse sind damit nicht hieb- und stichfest. Es scheint, dass die Behandlung umso bessere Ergebnisse erzielt, je früher sie begonnen wird: Patienten, die innerhalb von 10 Tagen nach Eintritt der Symptome behandelt wurden, erholten sich häufiger. Doch die Hazard Ratio von 1,52 (0,95 bis 2,43) verfehlte ebenfalls das Signifikanzniveau. Ein Zufallsergebnis ist auch hier nicht auszuschließen.
An der chinesischen Studie hatten ursprünglich mehr Patienten teilnehmen sollen. Sie musste dem Vernehmen nach vorzeitig beendet werden, weil die Epidemie in der Provinz Hubei inzwischen abgeklungen ist und es keine schweren Erkrankungsfälle mehr gab.
Die Teilnahme am „Adaptive COVID-19 Treatment Trial“ (ACTT) war nicht auf Patienten beschränkt, die sich bereits im akuten Lungenversagen (ARDS) befanden. Die Studie, an der außerhalb von China (mit deutscher Beteiligung) 1.063 Patienten teilnehmen sollten, ist noch nicht abgeschlossen. Eine Zwischenauswertung vom vergangenen Montag ergab jedoch, dass die Patienten, die mit Remdesivir (ebenfalls im „Ebola“-Schema) behandelt wurden, eine um 31 Prozent signifikant (p <0,001) kürzere Genesungszeit hatten als Patienten, die Placebo erhielten.
Wie das US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) am vergangenen Dienstag in einer Pressemitteilung bekannt gab, betrug die mediane Zeit bis zur Genesung in der Remdesivir-Gruppe 11 Tage gegenüber 15 Tagen in der Placebogruppe. Auch bei der Überlebensrate deutete sich ein Vorteil an. In der Remdesivir-Gruppe starben 8,0 Prozent der Patienten gegenüber 11,6 Prozent in der Placebogruppe. Der Vorteil verfehlte jedoch das Signifikanzniveau (p=0,059, erforderlich wäre p<0,05).
Das NIAID erachtet die Ergebnisse offenbar für ausreichend. Seit dem 19. April werden keine neuen Patienten aufgenommen. Die FDA verhandelt den Vernehmen nach bereits mit dem Hersteller Gilead Sciences über die schnellstmögliche Verfügbarkeit des Mittels. Der Hersteller machte in einer Pressemitteilung auf die Ergebnisse einer dritten Studie aufmerksam. Danach könnte eine Behandlung über 5 Tage gleich gute Ergebnisse erzielen wie das 10-Tage-Schema aus der Ebola-Studie.
Laut dem Hersteller erzielten in der 5-Tage-Behandlungsgruppe die Hälfte der Patienten nach 10 Tagen eine klinische Verbesserung. In der Gruppe, die 10 Tage lang mit Remdesivir behandelt wurde, war dies nach 11 Tagen der Fall. Mehr als die Hälfte der Patienten in beiden Behandlungsgruppen konnte bis zum 14. Tag aus dem Krankenhaus entlassen werden.
Nach der fünftägigen Behandlung konnten 60,0 Prozent zu diesem Zeitpunkt entlassen werden, in der Gruppe mit 10-tägiger Behandlung waren es 52,3 Prozent. Von der Erkrankung genesen waren am Tag 14 nach fünftägiger Behandlung 64,5 Prozent und nach 10-tägiger Behandlung 53,8 Prozent der Patienten.
Eine explorative Analyse ergab, dass die Patienten, die Remdesivir innerhalb von 10 Tagen nach Auftreten der Symptome erhielten, sich schneller erholten: 62 Prozent konnten bis zum Tag 14 aus der Klinik entlassen werden verglichen mit 49 Prozent der Patienten, bei denen die Behandlung später begonnen wurde.
Insgesamt scheint Remdesivir bei leichteren Erkrankung eine höhere Wirksamkeit zu erzielen. Die Ergebnisse sind umso besser, je früher die Behandlung begonnen wird. Damit steigt die Zahl der Patienten, die von einer Behandlung profitieren würden. Eine Beschränkung der Behandlung auf 5 Tage könnte das Medikament für eine größere Gruppe von Patienten verfügbar machen. © rme/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema


