NewsMedizinCOVID-19: Weitere Studien entlasten ACE-Hemmer und Sartane
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Medizin

COVID-19: Weitere Studien entlasten ACE-Hemmer und Sartane

Sonntag, 3. Mai 2020

Katarzyna Bialasiewicz photographee.eu

Boston/Mailand/New York – Patienten, die mit ACE-Hemmern oder Sartanen behandelt werden, haben bei einer SARS-CoV-2-Infektion vermutlich kein erhöhtes Risiko auf einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung. Dies kam erneut in drei epidemiologischen Studien heraus, die jetzt im New England Journal of Medicine (2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2007621, NEJMoa2008975 und NEJMoa2006923) veröffentlicht wurden. Sie bestätigen die Sicherheit der häufig eingesetzten Medikamente, die in den vergange­nen Wochen infrage gestellt worden war.

Die Bindungsstelle, über die SARS-CoV-2 in die menschlichen Zellen gelangt, ist ausge­rechnet eine membrangebundene Form des Angiotensin-Converting-Enzyms 2 (ACE2), das an anderer Stelle ein zentraler Bestandteil des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Sys­tems (RAAS) ist.

Dort wirken zwei der am häufigsten eingesetzten kardiologischen Medi­ka­mente: ACE-Hemmer und Angiotensin 1-Rezeptor-Blocker („Sartane“) werden häufig zur Behandlung der arteriellen Hypertonie und der chronischen Herzinsuffizienz sowie nach Herzinfarkten oder bei Diabetikern zum Erhalt der Nierenfunktion eingesetzt.

In den letzten Wochen ist intensiv über die möglichen Auswirkungen von ACE-Hemmern und Sartanen auf eine SARS-CoV-2-Infektion diskutiert worden. Denkbar sind sowohl güns­tige als auch ungünstige Folgen. ACE-Hemmer könnten theoretisch durch die Bin­dung an ACE2-Rezeptoren den Viren den Eintritt in die Zellen erschweren und damit die Erkrankung abschwächen.

Die Befürchtungen gingen jedoch in die andere Richtung. Die ersten Studien aus China hatten gezeigt, dass eine arterielle Hypertonie ein häufiger Risikofaktor für einen schwe­ren Verlauf von COVID-19 ist. Aus den Studien wurde nicht ersichtlich, ob diese Patienten häufig mit ACE-Hemmern oder Sartanen behandelt wurden. Es gab aber tierexperimen­telle Studien, in denen die Behandlung mit ACE-Hemmern oder Sartanen die Expression von ACE2 erhöhte. Eine größere Zahl von Rezeptoren würde es dem Virus erleichtern, in die Zellen zu gelangen und sich zu vermehren.

Patienten verunsichert

Diese Hypothesen sind über einen Leserbrief im Lancet in die breiteren Medien gelangt, was viele Patienten verunsichert hat, auch wenn alle Fachgesellschaften eindringlich da­vor gewarnt haben, ACE-Hemmer oder Sartane abzusetzen. Die Experten befürchten, das eine Verschlechterung der Blutdruckkontrolle oder der Herz- und Nierenfunktion einen schweren Verlauf von COVID-19 begünstigen könnte.

Erst in der vergangenen Woche stellten Mediziner aus Wuhan klar, dass eine SARS-CoV-2-Infektion zwar bei Hypertonikern häufiger einen schweren Verlauf nimmt. Dies war je­doch eher auf einen gleichzeitig vorliegenden Typ-2-Diabetes und/oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Eine Assoziation mit der Einnahme von ACE-Hemmern und Sartanen, die in China eher selten eingesetzt werden, war nicht zu erkennen (JAMA Car­dio­logy (2020; DOI: 10.1001/jamacardio.2020.1624).

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt jetzt Mandeep Mehra vom Brigham and Women’s Hospital in Boston bei der Analyse der Datenbank „Surgisphere“, an der sich 169 Kranken­häuser in elf Ländern in Asien, Europa und Nordamerika beteiligen. Von den 8.910 Pa­tien­ten, die bis Mitte März mit der Diagnose COVID-19 registriert waren, sind 515 (5,8 Prozent) gestorben.

Zu den unabhängigen Risikofaktoren auf einen tödlichen Ausgang gehörten ein Alter von mehr als 65 Jahren (Odds Ratio 1,93; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,60 bis 2,41), eine koronare Herzkrankheit (Odds Ratio 2,70; 2,08 bis 3,51), eine chronische Herzinsuffizienz (Odds Ratio 2,48; 1,62 bis 3,79), Herzrhythmusstörungen (Odds Ratio 1,95; 1,33 bis 2,86), eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (Odds Ratio 2,96; 2,00 bis 4,40) und aktu­elles Rauchen (Odds Ratio 1,79; 1,29 bis 2,47).

Patienten, die mit ACE-Hemmern behandelt wurden, starben dagegen seltener an CO­VID-19. Die Sterberate betrug mit ACE-Hemmer 2,1 Prozent und ohne ACE-Hemmer 6,1 Prozent. Die Odds Ratio betrug 0,33 und war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,20 bis 0,54 signifikant. Dies spricht eher für die Vermutung, dass der Einsatz von ACE-Hemmern den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung abschwächen kann. Eine Kausa­lität lässt sich jedoch aus den Ergebnissen einer retrospektiven Datenbankanalyse nicht ableiten.

Für die Sartane wurden keine signifikanten Assoziationen gefunden: Von den Patienten, die diese Mittel erhalten hatten, starben 6,8 Prozent gegenüber 5,7 Prozent der Patienten, die nicht mit Sartanen behandelt wurden (Odds Ratio 1,23; 0,87 bis 1,74).

In der Lombardei, dem ersten Epizentrum in Europa, sind Patienten mit COVID-19 etwas häufiger als andere mit ACE-Hemmern (23,9 versus 21,4 Prozent) oder Sartanen (22,2 ver­sus 19,2 Prozent) behandelt worden. Dies traf jedoch auch auf die meisten anderen Hoch­druckmedikamente und auch auf Antidiabetika zu.

Die häufigere Verordnung der Medika­mente war eher Ausdruck einer erhöhten Morbidität der Patienten, wie ein Team um Giovanni Corrao von der Universität in Mailand-Bicocca herausfand. Nach einer Multivariat-Analyse war kein erhöhtes Risiko durch den Einsatz von ACE-Hemmern oder Sartanen mehr nachweisbar.

Hypertonie eher ein Hinweis auf eine Komorbidität

Zu dem gleichen Ergebnis kommen Harmony Reynolds und Mitarbeiter von der Grossman School of Medicine in New York, die die Daten von 12.594 Patienten ausgewertet haben, bei denen ein Test auf SARS-CoV-2 durchgeführt worden war. Eine frühere Behandlung mit ACE-Hemmern oder Sartanen war nicht mit einem erhöhten Risiko auf eine Infektion oder auf einen schweren Verlauf verbunden.

Wie bereits in den anderen Studien war die Hypertonie eher ein Hinweis auf eine Komor­bidität. Die Hypertoniker litten häufiger unter einem Diabetes (39,7 versus 18,0 Prozent), einer chronischen Nierenerkrankung (25,0 versus 9,6 Prozent), einer chronischen Herzin­suffizienz (16,1 versus 6,2 Prozent) und sie hatten häufiger einen Herzinfarkt erlitten (10,6 versus 4,2 Prozent). Diese Komorbidität und nicht die zu ihrem Zweck eingesetzten Medikamente erklären laut der Studie das Risiko auf einen schweren Verlauf von CO­VID-19. © rme/aerzteblatt.de

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.
Avatar #751684
mednews for all
am Montag, 4. Mai 2020, 23:29

Sehr wichtiger Beitrag....

…. die Leute werden schon verrückt gemacht obwohl es auch vorher wenig anlass zur Annahme gab das ACE -Hemmer und Sartane in dieser Situation schaden würden.
LNS
VG WortLNS LNS LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Aktuelle Kommentare

    Archiv

    NEWSLETTER