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Politik

Weiter Gegenwind für Immunitätsausweis

Dienstag, 5. Mai 2020

Könnte als Vorbild für einen Immunitätsausweis dienen: Der Impfpass. /dpa

Berlin − Die Einführung eines Immunitätsausweises wird nicht wie ursprünglich ge­plant in dem Coronagesetz geregelt, das übermorgen erstmals im Bundestag beraten wird. Bun­desgesundheitsminster Jens Spahn (CDU) hatte seinen Vorschlag gestern nach hefti­ger Kritik an dem Vorhaben zu­rück­gezogen. Gegenwind gibt es aber weiterhin.

„Die Frage, ob im Falle von Corona zusätzlich ein Immunitätsausweis sinnvoll ist, sollten wir als Gesellschaft in Ruhe abwägen und debattieren“, hatte Spahn gestern erklärt. Zuvor hatte er den Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme gebeten.

„Dieser laufenden Debatte wollen wir nicht vorgreifen und regeln dazu vorerst gesetzlich nichts“, erklärte er dazu weiter. Spahn verwies in dem Zusammenhang darauf, dass alle, die beim Arzt einen Antikörpertest machten, bereits heute das Recht hätten, sich das Er­gebnis aushändigen zu lassen. „Das bleibt so“, betonte der Minister.

Bei einem Termin im bayerischen Penzberg sagte Spahn gestern, auch bei anderen Krank­heiten wie etwa Masern könne der Nachweis, dass Antikörper im Blut seien, im Impfpass einge­tragen werden. Ein solcher Eintrag sei „das Normalste der Welt“. In der Koalition sei zu­dem entschieden worden, dass ein Immunitätsausweis keine Folgen für beschränkende Maßnahmen haben solle.

Folgen nicht zu Ende gedacht

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung heute zur De­batte über den Immunitätsausweis: „Wir wollen nicht, dass die Gesellschaft nach Immu­nität unterteilt wird.“ Es wäre „völlig kontraproduktiv, diejenigen zu belohnen, die sich angesteckt haben, weil sie sich nicht an die Abstandsregeln halten, und diejenigen zu bestrafen, die auf sich und andere aufpassen“, sagte der SPD-Politiker.

„Genau das aber würde passieren, wenn ein Immunitätsausweis zum Freifahrtschein für Restaurantbesuche, Fußball oder Veranstaltungen wird.“ Der Vorschlag sei „völlig unaus­gegoren“, kritisierte Klingbeil. Bevor überhaupt über das Thema beraten werden könne, habe die SPD „noch erheblichen Klärungsbedarf“.

Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte, ein solcher Ausweis könne dazu führen, dass sich Menschen absichtlich infizierten und damit in Gefahr bräch­ten, um im­mun gegen das Virus zu werden, „auch aus wirtschaftlicher Not“, sagte Lauterbach der Passauer Neuen Presse. „Wenn es aber einen Impfstoff gibt, ist ein Immunitätsausweis sinnvoll“, so der SPD-Poli­tiker weiter, auch wenn dieser dazu verwendet werde, Personen von Schutzmaßnahmen auszunehmen.

Vor einem „erheblichen Spaltungspotenzial für die Bevölkerung“ durch einen Immunitäts­ausweis warnte die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock. Ein solches Papier biete „ei­nen massiven Anreiz, sich anzustecken in der Hoffnung darauf, dass man dann nicht schwer erkrankt, weil man dann im Zweifel die Chance hat, wieder arbeiten zu gehen und irgendwo anders hinzugehen“, sagte sie in Berlin.

Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, lehnte ei­nen ge­setzlich vorgeschriebenen Immunitätsnachweis für Ärzte ebenfalls ab. „Im Krankenhaus sollte der Betriebsarzt das letzte Wort über die Einsatzmöglichkeiten des medizinischen Personals haben“, sagte Johna.

Auch bei einem positiven Antiköpertest müssten die Informationen über das Testergebnis und die Entscheidung über den individuellen Einsatzbereich in ärztlicher Hand bleiben.

Patientenschützer sehen das Vorhaben ebenfalls kritisch. „Der Immunitätsausweis wäre ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patienten­schutz, Eugen Brysch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Vorschlag gehe „ethisch weit über die aktuelle Bekämpfung der Pandemie hinaus“, beklagte er.

„Denn während die Immunisierten Teilhabe am öffentlichen Leben erhalten, wird sie den Nichtimmunisierten verwehrt. Das ist zutiefst diskriminierend.“ Zudem verleite der Immu­nitätsausweis zu vorsätzlichen Selbstinfektionen. „Der Hochrisikogruppe bliebe dann nur die Wahl zwischen langanhaltender Isolation oder Lebensgefahr. Eine solche Spaltung der Gesellschaft ist unverantwortlich“, kritisiert Brysch.

Er hält es für gut, dass sich der Ethikrat mit dem Immunitätsausweis beschäftigt. Brysch gab allerdings zu bedenken, dass sich das Gremium erst in der Konstituierungsphase be­findet. Schließlich sei der neue Ethikrat erst Anfang Mai berufen worden. © kna/afp/dpa/aerzteblatt.de

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