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Ärzteschaft

Alkoholkonsum richtig ansprechen

Dienstag, 19. Mai 2020

/Minerva Studio, stockadobecom

Berlin – Um Patienten konstruktiv auf das Thema Alkoholkon­sum anzusprechen, ist viel ärztliches Fingerspitzengefühl erforderlich. Ein rund 50-seitiger aktualisierter Leitfaden für die ärztliche Gesprächsführung soll dabei helfen. Entwickelt wurde er von der Bun­des­­ärztekammer (BÄK) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Die Empfehlungen basieren auf der S3-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissen­schaft­lichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu „alkoholbezogenen Störungen“ von 2015. In aufeinander aufbauenden Kapiteln werden Hinweise für erfolgreiche ärztli­che Kurzinterventionen angeboten. Dabei unterscheidet sich das Vorgehen, je nachdem wie viel Alkohol vom Patienten konsumiert wird.

„Hausärztliche Kurzinterventionen führen in vielen Fällen zu einer deutlichen Senkung des Alkoholkonsums“, sagte Klaus Reinhardt, Präsident der BÄK, in einer Mitteilung. Die richtige Ansprache spiele jedoch „eine entscheidende Rolle“, erklärte er weiter.

Ein Gespräch auf Augenhöhe

In dem Leitfaden der BZgA finden sich Hinweise zur Gesprächsführung. Beispielsweise kann die Aufmerksamkeit auf die weniger angenehmen Aspekte des Alkoholkonsums ge­lenkt werden, um beim Patienten ein Problembewusstsein zu entwickeln.

Anschließend kann der Patient schrittweise zu einer Verhaltensänderung geleitet werden. Eine empathische, akzeptierende Grundhaltung ist dafür essentiell. Ebenso empfiehlt das Manual ein Gespräch auf Augenhöhe, um die eigenen Kompetenzen des Patienten zu för­dern.

Mit dem Akronyms CAGE (Cut down, Annoying, Guilty, Eye opener) und dem Audit-Frage­bogen (Alcohol Use Disorders Identification Test) gibt der Leitfaden spezifische Beispiel­fragen an die Hand. Mit ihnen kann nach dem Trinkverhalten und eventuell bereits be­stehenden Folgeschäden gefragt werden.

Die richtigen Fragen stellen

Als risikoarmer Konsum gelten dann Trinkmengen bis 12 Gramm Reinalkohol pro Tag bei gesunden Frauen und bis zu 24 Gramm bei Männern. 24 Gramm entsprechen 0,4 Liter Bier oder 0,2 Liter Wein am Tag. Bei Patienten die diese Grenzen einhalten, empfiehlt der Leitfaden eine unterstützende Beratung. Die Trinkmenge kann beibehalten werden.

Trotzdem könne beispielsweise die verbreitete Ansicht, geringe Mengen Alkohol seien gesund, als Mythos entlarvt werden. In neueren Studien konnte dieser protektive Effekt nicht nachgewiesen werden.

Sind die täglichen Trinkmengen höher oder werden mehr als vier Getränke bei einer Ge­legenheit getrunken, was als Rauschtrinken definiert wird, liegt bereits mindestens ein riskanter Konsum vor. Dieser kann bereits psychische oder physische Schäden mit sich bringen. Ein ärztlich intervenierendes Gespräch sollte dann das Ziel verfolgen, zu einem risikoarmen Konsum zurückzukehren.

Eine Aufklärung über bereits bestehende Schäden, die in der körperlichen Untersuchung festgestellt wurden, kann dabei helfen. Weitere Methoden wie ein Trinktagebuch oder die Identifikation von Risikosituationen werden in dem Leitfaden beschrieben.

Trinkt ein Patient trotz eindeutiger schädlicher Folgen weiter, vernachlässigt andere In­ter­essen zugunsten des Alkoholkonsums oder zeigt Entzugssymptome, erfüllt er einige der ICD-Kriterien einer Alkoholabhängigkeit. Nun sollte der Arzt dem Leitfaden zufolge auf eine Abstinenz hin­wirken sowie deren Erhaltung unterstützen.

Zu den folgenden Therapieempfehlungen sollte eine körperliche Entgiftung gehören, even­tuell im Rahmen einer stationären Entzugsbehandlung. Ein ambulanter Entzug kann angeboten werden, wenn keine schweren Entzugssymptome oder –komplikationen zu er­warten sind.

Die Nachsorge bleibt für den längerfristigen Erhalt der Abstinenz enorm wichtig. Hierfür spielt das Loben für erreichte Fortschritte eine wichtige Rolle. Gemeinsam können auch hilfreiche Strategien entwickelt werden, um einem Rückfall vorzubeugen.

„Sucht ist kein Stigma, sondern eine Krankheit, die behandelbar ist“, betonte die Drogen­beauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU). Der Leitfaden solle Ärzten dabei helfen, „kritischen Alkoholkonsum in der Praxis anzusprechen und so aktiv das Thema Sucht aus der Tabuzone zu holen.“

Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA, erinnerte daran, dass bereits geringe Mengen Alkohol Erkrankungsrisiken mit sich bringen würden. „Als Medizinerin ist es mir besonders wich­tig, dafür zu sensibilisieren, dass Alkohol – auch in kleinen Mengen – nicht verharmlost werden darf“, sagte sie.

Fortbildung oder Download

Bei den Ärztekammern kann zu diesem Thema die Zusatzausbildung „Suchtmedizinische Grundversorgung“ absolviert werden. Darin wird ebenfalls ein Training in motivierender Gesprächsführung angeboten.

Der Leitfaden mit dem Titel „Alkoholkonsum bei Patientinnen und Patienten ansprechen. Ärztliches Manual zur Prävention und Behandlung von riskantem, schädlichem und abhängigem Konsum“ kann bei der BZgA heruntergeladen werden. Dort sind im Anhang auch Kopiervorlagen zur Patienteninformation, weiterführende Informationsquellen und Fragebögen angehängt.

Für eine Alkoholberatung für Schwangere bietet die BZgA darüber hinaus die Broschüre „Bewusst verzichten: Alkoholfrei in der Schwangerschaft“ an. © jff/aerzteblatt.de

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