Vermischtes
COVID-19 beschleunigt digitale Entwicklungen
Dienstag, 19. Mai 2020
Berlin – Deutsche Universitätskliniken wollen Erkenntnisse aus der COVID-19-Krise nutzen, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben. Zum Auftakt des diesjährigen Healthcare Hackathons an der Charité legten die Teilnehmenden gestern erste Grundsteine für die klinikübergreifende Datenverarbeitung und gemeinsame Gesundheitsapps zu COVID-19.
„Die digitale Zukunft, von der wir in den vergangenen Monaten so viel gesprochen haben, hat längst begonnen“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der auch Schirmherr des Hackathons ist, in einer Videobotschaft. 25.000 Arztpraxen böten inzwischen Videosprechstunden an, Tausende würden ihre Gesundheitsdaten an das Robert-Koch-Institut (RKI) spenden und die klinische Forschung habe sich international vernetzt.
Die rund 150 Teilnehmer arbeiteten am heutigen ersten Tag des Hackathons in fünf Arbeitsgruppen. Eine Erste beriet über den GutenBot, eine Open-Source-Sprachsoftware zur Information von Patienten, die sowohl als Chat-Bot im Internet als auch per klassischem Telefonanruf nutzbar ist.
Die zweite Gruppe entwickelte Standards für einen neu zu entwickelnden Messenger: Ein Whatsapp rein für die Kommunikation unter medizinischem Personal. Er solle ebenfalls quelloffen (open-source) sein, auf dezentralen Servern betrieben werden und in die bestehenden Kliniksysteme integriert werden können.
Ein weiteres Team definierte Ziele für die Entwicklung einer oder mehrerer offener Studienplattformen. Dort sollen Daten in vereinheitlichter Formatierung auf gemeinschaftlich genutzten Servern abgelegt werden können. Die Universitätskliniken bräuchten dafür ein gemeinsames Datenschutzkonzept, das auch einen offenen Zugriff durch die Forscher zuließe. So könnten Synergien bestmöglich genutzt werden.
Eine letzte Arbeitseinheit diskutierte über mögliche Tracking- und Tracing-Apps, sowohl für die breite Bevölkerung als auch um Infektionen innerhalb eines Krankenhauses nachverfolgen zu können. Technisch seien diese Anwendungen bereits problemlos umsetzbar.
Hackathon
Ein Hackathon ist eine Veranstaltung, bei der verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten zusammenkommen, um zusammen neue digitale Lösungen für bestimmte Probleme zu entwerfen. Die Wortneuschöpfung setzt sich aus den Worten „Hacker“ und „Marathon“ zusammen.
Die Schwierigkeit liege aber darin, den wissenschaftlichen Anspruch mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Einklang zu bringen. Die Apps dürften von vornherein keinen „Big Data Ansatz“ verfolgen. Durch dezentrale Speicherung auf dem Endgerät der Nutzer und einen offenen Quellcode könne einem Datenmissbrauch vorgebeugt werden.
Darüber hinaus unterstützt der Healthcare Hackathon drei ausgewählte Projekte aus dem „Wir vs. Virus“-Hackathon, der im März stattfand. Das Projekt CoronaOne stellt ein COVID-19-Abstrichset für zuhause her, inklusive Anleitung. Match4Healthcare ist eine Plattform, die hilfesuchende Kliniken mit hilfsbereitem medizinischen Personal verbindet. LabHive will ein ähnliches Netzwerk aufbauen, um die Testkapazitäten von Laboren zu erhöhen.
Zuspruch von der Politik
„Die Digitalisierung bedeutet gerade in dieser Pandemiesituation einen großen Fortschritt“, meinte Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung. „Eine gute digitale Lösung, zum Beispiel eine App, kann die Kommunikation zwischen Krankenhäusern enorm beschleunigen“, erklärte sie weiter. Ein schneller Wissenstransfer könne dabei helfen, allen Patienten die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen.
„Jedes einzelne Krankenhaus kann davon profitieren, wenn sich Kliniken künftig von digitalen Insellösungen verabschieden und die digitale Zusammenarbeit voranbringen“, ergänzte Christian Elsner, Organisator des Hackathons und Kaufmännischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz.
Der Hackathon ist eines der ersten Projekte im Rahmen des „Netzwerkes Universitätsmedizin“. Darin haben sich bislang 23 deutsche Universitätskliniken zusammengeschlossen. Es wird von der Charité koordiniert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 150 Millionen Euro gefördert.
Notwendigkeit schlägt Theorie
Das Healthcare Hackathon Projekt wird zudem vom Health Innovation Hub (hih) des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) unterstützt. Für Jörg Debatin, Leiter des hih, hat die Krise bereits einen positiven Nebeneffekt erzeugt: die schnelle Einigung auf gemeinsame Programmierstandards.
„Praktische Notwendigkeit schlägt Theorie“, erklärte er. „Das was in den letzten zehn Wochen in Sachen digitaler Medizin, digitaler Technologien und Anwendungen im Gesundheitsumfeld möglich geworden ist, darüber haben wir lange, lange diskutiert“.
Gemeint sind nicht allein Lösungen wie das Intensivbettenregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). In der Initiative „Corona Component Standards“, kurz COCOS, haben sich mehrere Akteure des Gesundheitswesens zusammengeschlossen.
Ihr Ziel ist es, Standards festzulegen, mit denen die Programme unterschiedlicher Unternehmen miteinander verknüpfbar sind. Unter den Partnern ist auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die die Standards für die sogenannten Medizinischen Informationsobjekte (MIOs) definiert.
Eine solche Verknüpfbarkeit, oder Interoperabilität, soll im Speziellen auch für universitäre Forschungsdaten erstellt werden. Durch diese einheitliche Struktur und Formatierung wären die Datensätze vergleichbarer und könnten sinnvoll zusammengeführt werden, so Debatin. Das hat sich die German Corona Consensus Initiative, kurz GECCO, zum Ziel gemacht.
Hackathon am 21. und 22. Juni in Mainz
Der Healthcare Hackathon findet dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Schwerpunkt ist die Entwicklung klinikübergreifender Lösungen, um der COVID-19-Pandemie gemeinsamen zu begegnen.
Er soll sowohl Medizinern als auch Programmierern gleichermaßen eine Möglichkeit bieten, die „oftmals veralteten Prozesse“ in Klinikabläufen zu hinterfragen und zu optimieren, schrieben die Veranstalter. Am 21. und 22. Juni können Interessierte am Hackathon in Mainz teilnehmen. Genaue Informationen zur Teilnahme wurden noch nicht bekannt gegeben. © jff/aerzteblatt.de

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