Politik
Warum Deutschland die Pandemie besser übersteht als viele Nachbarn
Donnerstag, 28. Mai 2020
Berlin – Deutschland hat die Coronapandemie bislang vergleichsweise gut überstanden, weil es hier gelungen ist, die COVID-19-Infizierten weitgehend aus den Krankenhäusern herauszuhalten. Das erklärte der Gesundheitsökonom Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin gestern auf einem Webinar der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM).
In Deutschland seien nur etwa 20 Prozent der Infizierten im Krankenhaus behandelt worden, erklärte Busse. In Frankreich seien es hingegen 70 Prozent gewesen, in Spanien 50 Prozent und in Großbritannien 33 Prozent. In Frankreich seien zudem 80 Prozent der Tests auf COVID-19 in den Krankenhäusern durchgeführt worden.
„In Deutschland war hingegen das ambulante System das Rückgrat der Versorgung“, sagte Busse. „Und das war auch der Schlüssel zum Erfolg.“ Zudem seien die Gesundheitsämter in Deutschland sehr wichtig gewesen.
Viele Patienten auf der Intensivstation behandelt
„Zu einem sehr frühen Zeitpunkt hat das Robert-Koch-Institut die Ärzte informiert, wie sie mit den Patienten umgehen sollen“, sagte Busse. „Noch zur richtigen Zeit wurde dabei verbreitet, dass die Menschen zu Hause bleiben sollen: dass zu Hause die Tests durchgeführt werden sollen und auch die Infizierten ihr Zuhause nur dann verlassen sollen, wenn es wirklich notwendig ist.“
Wichtig für den Erfolg sei zudem die hohe Zahl der COVID-19-Patienten gewesen, die in Deutschland auf Intensivstationen behandelt wurden. „Jeder dritte stationär behandelte Infizierte wurde hierzulande auf einer Intensivstation versorgt“, erklärte Busse. „In Spanien wurde hingegen nur einer von zehn Patienten auf die Intensivstation verlegt, in Italien einer von acht.“ In Deutschland habe es jedoch auch mehr Intensivkapazitäten gegeben als in den anderen Ländern.
Die Niederlande sowie die Lombardei hätten während der Pandemie ihre Intensivkapazitäten überschritten, erklärte der Berliner Gesundheitsökonom. Das Gesundheitssystem in Italien sei dabei regional sehr unterschiedlich ausgerichtet. Während in Venetien wie in Deutschland nur einer von fünf Infizierten im Krankenhaus behandelt worden sei, sei es in der im Westen angrenzenden Lombardei jeder Zweite gewesen.
Ein weiterer positiver Aspekt in Deutschland sei die Anzahl der Tests gewesen. „In Deutschland wurden 14 Mal mehr Menschen getestet als entdeckt“, sagte Busse. „Es ist wichtig zu wissen, wie viele Menschen infiziert sind – und diese dann aus den Krankenhäusern herauszuhalten.“ In Italien und Frankreich seien zum Beispiel nur vier Mal mehr Menschen getestet als entdeckt worden.
Der Erfolg der deutschen Strategie zeigt sich auch an der Übersterblichkeit während der Coronapandemie. So ist Busse zufolge die Mortalität in Deutschland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum lediglich um 6 Prozent angestiegen. In Italien liege die Mortalität hingegen um 49 Prozent höher, in Spanien um 60 Prozent und in Großbritannien um 63 Prozent. © fos/aerzteblatt.de

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