Politik
Kritik an geplanter Verordnung zur Methodenbewertung
Donnerstag, 4. Juni 2020
Berlin – Am Verordnungsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Methodenbewertung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wird von verschiedenen Seiten teils scharfe Kritik geäußert.
Es bestünden erhebliche Zweifel, ob die Erreichung der verfolgten Ziele – die „Straffung, Beschleunigung und Strukturierung der Bewertungsverfahren in zeitlicher und prozessualer Hinsicht“ – mit dem vorgelegten Entwurf gefördert werden kann, warnten die hauptamtlichen unparteiischen Mitglieder des G-BA.
Soweit die vorgelegten Regelungen über die bereits etablierten Verfahrenswege des G-BA hinausgehen, würden sie nicht zu der gewünschten Vereinfachung und Verschlankung der nicht selten gerade aus Gründen der Rechtssicherheit hochkomplexen Verfahrensweisen führen, sondern im Gegenteil für neue Verfahrenshürden sorgen.
Insbesondere die vorgesehene Regelung, wonach der G-BA Studien niedriger Evidenzstufen unbedingt auszuwerten hat, drohe die Methodenbewertung in ganz erheblichem Maße und ohne erkennbaren sachlichen Grund zu erschweren, teilte der G-BA mit.
Eine Einbeziehung von Studien und weiteren Erkenntnissen jeglicher Evidenzstufe berge die Gefahr, dass der aktuelle Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht mehr zutreffend ermittelt, sondern verfälscht werde. Dies könne in der Konsequenz zu einer unsachgemäßen Beschlussfassung führen – mit entsprechenden Risiken für Patienten und auch für die Wirtschaftlichkeit der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
AOK-Bundesverband bemängelt viele Details
Ähnlich und sehr deutlich argumentiert auch der AOK-Bundesverband: Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wolle mit der Verordnung, an Beitragszahlern und Leistungserbringern vorbei, tiefe Eingriffe an der G-BA-Verfahrensordnung vornehmen und damit die gemeinsame Selbstverwaltung entmachten, so der Verband.
„Mit der neuen Verordnung soll der G-BA gezwungen werden, bei der Bewertung von neuen medizinischen Methoden auch Studien heranzuziehen, die nur wenig oder gar keine Aussagekraft zum Nutzen oder Schaden für die Patienten haben“, sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes.
Dies führe zu einer „Aushöhlung der Grundsätze der evidenzbasierten Methodenbewertung“. Eine Absenkung der G-BA-Methodenbewertungshürden sei mit erheblichen gesundheitlichen Risiken für die Patienten verbunden. „Die neue Verordnung ebne den Weg dafür, dass zukünftig unwirksame oder gar schädliche Untersuchungen und Behandlungen in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden könnten, so Litsch.
Anbieter von Methoden profitieren, nicht die Patienten
Nutznießer niedrigerer Methodenbewertungshürden seien, so der AOK-Bundesverband, nicht primär die Versicherten und Patienten, sondern die Anbieter von Methoden, denn diese würden schneller und leichter Zugang zum „lukrativen Markt der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter“ erhalten.
Grundsätzlich gelte, dass bei den meisten Indikationen, zu denen der G-BA berät, viele gute Behandlungsoptionen verfügbar seien. In diesen Fällen müssten Studien hoher Evidenz gefordert werden, um die Patienten vor schlechter wirksamen oder schädlichen neuen Behandlungsoptionen zu schützen.
Wenn es kaum Behandlungsalternativen gebe, könne es gerechtfertigt sein, auf Basis von Studien oder wissenschaftlichen Erkenntnissen geringerer Qualität (Evidenzniveau II-V) zu entscheiden – dies müsse der G-BA aber in Abhängigkeit von der Fragestellung jeweils selbst abwägen können.
Qualtitätseinbußen durch Zeitdruck befürchtet
Weitere Einbußen bei Qualität und Zuverlässigkeit der Entscheidungen des G-BA seien durch den in der Verordnung vorgesehenen Zeitraum von maximal einem Jahr zur Ermittlung und Auswertung vorliegender Erkenntnisse und zur Erstellung eines Berichts zu befürchten.
Auch das in die Bewertungsverfahren des G-BA eingebundene Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) lehnt eine Verpflichtung, in jedes Methodenbewertungsverfahren sämtliche Evidenzstufen einzubeziehen, ab.
Ein solches Vorgehen sei weder für die Methodenbewertung noch für die Planung von Erprobungsstudien notwendig, werde von keiner internationalen Institution praktiziert, wäre extrem aufwendig und vor allem „im Ergebnis überaus fragwürdig“.
Mit dem Implantateregister-Errichtungsgesetz (EIRD) hat der Gesetzgeber verschiedene neue Maßnahmen zur Strukturierung des Verfahrens zur Methodenbewertung durch den G-BA eingeführt. Als eine dieser Maßnahmen wurde das BMG ermächtigt, das Nähere zum Verfahren der Methodenbewertung im G-BA durch eine Rechtsverordnung zu regeln.
Dies soll nun mit dem Referentenentwurf für eine Verordnung über die Verfahrensgrundsätze der Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung und im Krankenhaus (Methodenbewertungsverfahrensverordnung – MBVerfV) erfolgen. © aha/aerzteblatt.de

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