Ärzteschaft
Schutzschirm für Vertragsärzte in Westfalen-Lippe beschlossen
Montag, 8. Juni 2020
Dortmund – Der Coronaschutzschirm für die mehr als 15.000 westfälischen Vertragsärzte und -psychotherapeuten ist aufgespannt. Die Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat einer entsprechenden Änderung des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) zugestimmt.
Demnach sind ihnen 90 Prozent des Honorars im Vergleich zum Vorjahresquartal sicher, auch wenn sie während der Pandemie sinkende Fallzahlen und damit Einnahmerückgänge verzeichnet haben. Zusätzlich sollen sie außerordentliche Kosten, die ihnen im Rahmen der Pandemiebekämpfung entstanden sind, erstattet bekommen.
„In beiden Bereichen haben wir uns schnell und positiv geeinigt“, betonte Dirk Spelmeyer mit Blick auf die Verhandlungen mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). „Wir gehören damit deutschlandweit zu den ersten KVen, die entsprechende Vereinbarungen geschlossen haben“, so der 1. Vorstandsvorsitzende der KVWL in der jüngsten Sitzung der VV.
Sie hat zwar als Präsenzsitzung stattgefunden, aber unter besonderen Bedingungen. Um die gebotenen Sicherheitsabstände einhalten zu können, saßen im Plenarsaal nur die VV-Mitglieder, der Vorstand und die Bezirksstellenleiter. Zusätzlich waren Trennwände aus Plexiglas rechts und links von jedem Sitzplatz aufgestellt. Die Mitarbeiter der Verwaltung mussten auf benachbarte Sitzungsräume ausweichen. Dorthin wurde die Sitzung live übertragen.
„Wir können aus vertragsärztlicher Sicht mit den Regelungen sowohl für den Schutzschirm als auch für die Kostenübernahme sehr zufrieden sein“, führte Spelmeyer weiter aus. „Der Schutzschirm in Westfalen-Lippe steht. Die Kolleginnen und Kollegen haben damit Sicherheit.“ Nach Ansicht des KVWL-Chefs ist er eine „große Anerkennung der Politik für unsere Arbeit“. Er sei außerdem ein Beleg für die Vorteile des Kollektivvertrags und die damit verbundene Verlässlichkeit und Partnerschaft mit der GKV.
Krankenkassen würdigen Engagement
Die Partnerschaft und Verlässlichkeit, aber auch die hohe Flexibilität aller Beteiligten während der Pandemie lobte auch die GKV. „Mit der Errichtung von Diagnose- und Behandlungszentren hat die KVWL wichtige Versorgungsstrukturen aufgebaut“, betonte Tom Ackermann in einem schriftlichen Statement. „Mit großem Engagement ist es gelungen, die Versorgung der Patienten aufrecht zu erhalten und eine weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen“, so der Vorstandsvorsitzende der AOK NordWest.
Jetzt müssten sich die Ärzte und Psychotherapeuten darauf verlassen können, dass ihnen finanziell geholfen werde. Der Rückgang von Patientenzahlen dürfe sich nicht ungebremst in der Vergütung widerspiegeln, so Ackermann. Der von Krankenkassen und KVWL vereinbarte Schutzschirm würdige die engagierte Arbeit, erhalte ihre Liquidität und sichere damit gleichzeitig die Versorgung der Patienten.
Diese Ansicht teilte auch Dirk Ruiss in seinem schriftlichen Statement. „Finanzielle Absicherung und Aufrechterhaltung der Versorgung waren das Gebot der Stunde“, so der Leiter der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen (NRW) des Verbands der Ersatzkassen (vdek) rückblickend auf die Gespräche mit der KVWL. Die vereinbarten Regelungen „geben den niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten in Westfalen-Lippe Umsatzgarantien und Kalkulationssicherheit, auch wenn die Zahl der Patienten zurückgegangen ist“.
Inanspruchnahme zunächst noch gering
Spelmeyer geht davon aus, dass im ersten Quartal dieses Jahres zehn bis fünfzehn Prozent der westfälischen Praxen von Einnahmerückgängen betroffen sind. „Sie bekommen dann zusätzlich zu ihrer Abrechnung ein Schreiben, in dem wir ihnen mitteilen, dass sie Anspruch auf den Schutzschirm haben und wie hoch der Betrag sein wird“, erläuterte er das praktische Vorgehen.
Davon abgezogen würden allerdings andere Hilfen wie etwa Kurzarbeitergeld und die finanzielle Unterstützung, die die NRW-Landesregierung Kleinunternehmern und Solo-Selbstständigen gewährt hat, sofern die Vertragsärzte sie in Anspruch genommen haben.
Mit einem Ansturm auf den Schutzschirm rechnet Spelmeyer im zweiten Quartal. Daher sollen zunächst die Abschlagszahlungen auf dem Niveau des Vorjahrsquartals geleistet werden. Die Restzahlungen würden dann jedoch niedriger ausfallen, aber immer noch so hoch, dass jeder Vertragsarzt auf mindestens 90 Prozent seines Honorars im Vergleich zum Vorjahresquartal kommt.
Vergleichbare Regelungen sind nach Angaben Spelmeyers auch für „Jungpraxen“ getroffen worden, die noch kein Jahr bestehen, und für Praxen, „die sich in ihrer Konstellation verändert haben“. Sie müssten sich ebenso wenig existenzielle Sorgen machen wie etwa diabetologische Schwerpunktpraxen und palliativmedizinische Praxen.
Kosten für Schutzausrüstung werden erstattet
Darüber hinaus übernimmt die GKV weitgehend die zusätzlichen Kosten, die während der Pandemie entstanden sind. So ist Spelmeyer zufolge allein bei der KVWL ein Betrag von knapp 15 Millionen Euro für Schutzkleidung, Atemmasken, Desinfektionsmittel und Ausstattung der Coronabehandlungszentren aufgelaufen.
Unklar ist zurzeit, ob und inwieweit sich die private Krankenversicherung (PKV) an dieser Kostenerstattung beteiligen werden. In den ersten Verhandlungen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hatten sie einer Beteiligung eine Absage erteilt. „Da müssen wir jetzt abwarten, wie das auf Bundesebene weitergehen wird“, sagte Spelmeyer.
Der Betrag, den die PKV zu leisten hätte, „der aber überschaubar war“, sei zunächst vom Erstattungsbetrag der GKV abgezogen worden. Die GKV habe jedoch schon Bereitschaft zur Fortsetzung der Gespräche signalisiert, sollte sich die PKV weiterhin weigern. Die Krankenkassen haben uns sogar angeboten, Schutzausrüstung vorzufinanzieren, lobte Spelmeyer ihr Engagement während der Pandemie.
Eine ähnliche Kostenerstattung soll es auch für die Vertragsärzte geben, betonte der KVWL-Chef. „Für die Beschaffung von Schutzkleidung durch die Arztpraxen selber haben wir noch eine Zusatzvereinbarung mit den Krankenkassen treffen können.“ Demnach können diese Ärzte ihre Rechnungen aus dem Zeitraum von März bis April bei der KVWL einreichen. Dazu haben sie bis Ende Juli Zeit. Die KVWL werde die Rechnungen prüfen und an die AOK NordWest als größte Krankenkasse in Westfalen-Lippe übermitteln. „Wir bekommen danach von den Kassen das Geld, das wir dann an die Mitglieder weitergeben.“
Spelmeyer dämpfte allerdings voreilige und zu hohe Erwartungen der Vertragsärzte an die Kostenerstattung. „Da konnten wir keine Maximalpreise aushandeln, aber dennoch sehr gute Preise.“ Mit den Kassen seien Durchschnittspreise für Atemmasken und andere Ausrüstungsgegenstände vereinbart worden, die sich auch an der jeweiligen Zeit orientieren.
Denn zu Zeiten, in denen diese Materialien besonders gefragt und sogar vergriffen waren, waren sie auch besonders teuer. Das bedeute aber auch, dass einige Vertragsärzte, die ihre Ausrüstung besonders teuer eingekauft haben, unter Umständen einen Teil ihrer Kosten selbst tragen müssen. © ts/aerzteblatt.de

Lachnummer
Die KV als unser aller Über-Ego, von uns mit einem satten Honoraranteil versorgt ( höher als die Kosten der Privaten!) und bürokratisch üppigst ausgestatt, sollte auch endlich einmal Kante zeigen und unser aller Kassenärzte Interessen auch wirklich vertreten. Da das von den Kassen gezahlte Honorarvolumen gleich bleibt, stellt sich die Frage, wo die restlichen 10 % bleiben!
Manchem Hausarzt stellt sich die Frage, ob er überhaupt 10% Honoarverlust ( d.h. im Endefffekt Gewinnverlust, da die Kosten bekanntlich bleiben, bzw. bei Mieten, Gehältern und Sozialabgaben sogar steigen) verkraften soll.
Aber wie schon beim Militär: die vorderste Front bilden das Kanonenfutter und zwar in jedweder Hinsicht.
Dass die KV-en sich in der Krise nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, hat jeder KV-Arzt am eigenen Leibe gespürt, aber diesen "Rettungsschirm" als Nonplusultra zu feiern, ist ein schlechter Treppenwitz.
Als Mitglied einer akademischen Lehrpraxis kann ich mir jetzt schon das bemeitleidende Lächeln meiner Studenten vorstellen.
So kann ich nur entgegnen: Augen auf bei der Berufs/-Facharztwahl!
Uns wünsche ich unter diesen Kautelen: Viel Erfolg bei der Suche nach einem geeigneten und betriebswirtschaftlich ausreichend blindem Nachfolger.

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