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Ausland

EU-Kommission will Impfstoff für ganz Europa erwerben

Donnerstag, 11. Juni 2020

/Koray, stock.adobe.com

Brüssel – Die EU-Kommission schlägt vor, die Beschaffung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 für die gesamte Europäische Union (EU) in die Hand zu nehmen. Vorabzahlungen sowie spezielle Vereinbarungen mit Impfstoffentwicklern sollen sicherstellen, dass alle EU-Mit­gliedsstaaten ausreichend Impfstoff erhalten, sobald dieser verfügbar ist.

Die Erfolgsraten von Impfstoffen liegen in klinischen Studien üblicherweise bei nur 20 bis 40 Prozent. Hinzu kommt, dass die Entwicklungszeit von circa zehn Jahren bei SARS-CoV-2 auf 12 bis 18 Monate gedrückt werden soll. Für die Impfstoffhersteller sei dies „ein riskanter und herausfordernder Prozess“, sagte eine Kommissionssprecherin heute bei einem Briefing in Brüssel.

Um in 12 bis 18 Monaten ausreichend Produktionskapazitäten zu haben, müssten die Un­ternehmen heute investieren. Dies sollen dem Vorschlag der Kommission zufolge Vorab­zahlungen aus dem Emergency Support Instrument der EU ermöglichen. Es wurde aufge­legt und mit rund 2,7 Milliarden Euro ausgestattet, um die Reaktion der EU auf die CO­VID-19-Pandemie zu finanzieren.

Milliardenbudget maximiert Chance auf Impfstoff

Mit „einem signifikanten Anteil“ dieses – bislang kaum angetasteten – Budgets will die Kommission Verträge mit verschiedenen Impfstoffherstellern abschließen, „um die Chan­ce zu maximieren, am Ende Zugang zu mindestens einem erfolgreichen Impfstoff zu ha­ben“.

Diese vorab getroffenen Kaufvereinbarungen will die Kommission im Namen der Mit­glied­­­staaten mit den Herstellern verhandeln. Die Vorabzahlungen – Anzahlungen, die im Erfolgsfall mit dem Kaufpreis verrechnet werden – sollen im Austausch für das Recht, eine bestimmte Zahl an Impfstoffdosen zu erwerben, erfolgen.

Kein Exklusivdeal, nur Deckung des europäischen Bedarfs

In dieser Hinsicht unterschieden sich diese geplanten Vereinbarungen von dem vor Kur­zem weltweit durch die Medien gegangenen angeblichen Impfstoffdeal zwischen Sanofi und den USA. Es handele sich nicht um ein mit Verpflichtungen verbundene Finanzie­rung, sondern um eine vorab getroffene Kaufvereinbarung, so die Kommissions­spreche­rin.

„Wir versuchen keinen exklusiven Deal zu bekommen, wollen nicht die gesamte Produk­tion eines Unternehmens, nur die Dosen, die wir brauchen“. Diese Impfstoffdosen sollen dann von den EU-Mitgliedsstaaten direkt bei den Pharmaunternehmen erworben werden.

Dieser gemeinsame Ansatz biete eine bessere Verhandlungsbasis. Die mehr als zwei Milliarden Euro aus dem Emergency Support Instrument versprächen außerdem mehr Schlagkraft und ermögliche es, in verschiedene vielversprechende Technologien zu inves­tieren. Auch Wettbewerb zwischen den einzelnen EU-Staaten würde entfallen.

Die Kommissionssprecherin betonte, dass die Pläne der EU-Kommission nicht in Konkur­renz zu den Bemühungen der Impfstoffallianz von Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden stehe. Es bestehe eine enge Zusammenarbeit und regelmäßiger Kon­takt, schließlich arbeite man teils mit den gleichen Fördergeldern und habe das gleiche Ziel, einen Impfstoff für Europa.

Schnelligkeit und Produktionskapazitäten ausschlaggebend

Bei der Auswahl von Unternehmen, mit denen Verträge abgeschlossen werden sollen, zählen der Sprecherin zufolge vor allem Kriterien wie Geschwindigkeit – es sollen noch in 2020 klinische Studien möglich sein – dass es sich um einen aussichtsreichen wissen­schaftlichen Ansatz handelt und dass das Unternehmen in der Lage ist, die erforderliche Menge an Impfstoff zu produzieren und in Europa auszuliefern.

An letzterem Punkt könnten Unternehmen scheitern, die ausschließlich in den USA pro­du­zieren, da die USA bereits haben verlauten lassen, dass auf US-Boden produzierter Impf­stoff zunächst der Versorgung der US-Bevölkerung vorbehalten bleiben soll.

Der Kommissionssprecherin zufolge kämen ausschließlich in den USA produzierende Un­ternehmen nur dann infrage, wenn sie trotz dieser Einschränkungen ihre Lieferfähigkeit in die EU garantieren könnten.

Die Sprecherin betonte, dass die Impfvorgaben und -regelungen weiter in der Hand der EU-Mitgliedsstaaten bleiben sollen. Nur die Verhandlungen mit den Unternehmen soll ein gemeinsames Verhandlungsteam führen, welches aus Experten der Kommission und einer kleinen Gruppe von Vertretern der Mitgliedsstaaten besteht.

Umweltrisikobewertung soll temporär ausgesetzt werden

Allerdings, ein signifikantes Hindernis auf nationaler Ebene müsse zumindest temporär noch aus dem Weg geschafft werden. Einige EU-Staaten fordern für Medikamente, die genetisch modifiziert sind (auf GMO-Basis) eine Umweltrisikobewertung, welche sehr lange dauere. Nur wenn diese Auf­lage in der Coronakrise entfalle, sei eine zügige Zulassung entsprechender Impfstoffe möglich.

Dennoch betonte die Sprecherin, dass der Verbraucherschutz, die Haftbarkeit der Her­steller und die Patientenrechte nicht angetastet werden sollen, jeder Impfstoff müsse zu­mindest eine bedingte Zulassung in der EU haben.

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine gemeinsame Strategie zur Impfstoff­entwick­lung in der EU soll morgen im Gesundheitsausschuss diskutiert werden. Am nächsten Mittwoch soll dann die Verabschiedung folgen. © nec/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #88255
doc.nemo
am Montag, 15. Juni 2020, 08:38

Impfschadenshaftung II

Der Arzt haftet für eine fehlerhaft durchgeführte Impfung wie für jeden anderen Behandlungsfehler auch. Der Hersteller haftet für Schäden durch fehlerhaft hergestellte Impfstoffe. Die Haftung des Staates nach §§60ff IfSG hat eine völlig andere Kausalitätsgrundlage.
Es stimmt, dass es keine bundesweite Statistik zu geltend gemachten oder anerkannten Impfschäden nach dem IfSG gibt. Die Entschädigung ist Ländersache, aber einige Länder, z.B. Baden-Württemberg, veröffentlichen ihre Statistiken mehr oder weniger regelmäßig.
Noch einmal zur Klarstellung: ein anerkannter Impfschaden nach dem IfSG ist nicht notwendigerweise ein nachgewiesener Impfschaden aus wissenschaftlicher Sicht. Die Entschädigung folgt nach dem Kann-Prinzip. Die überwiegende Mehrzahl aller Anerkennungen beruht auf diesem Prinzip. Eindeutig nachgewiesene Impfschäden sind eine Rarität. Aber das glaubt sowieso kein Impfgegner.
Avatar #595914
Ewin
am Freitag, 12. Juni 2020, 05:33

Nur die Impfdosen, die wir brauchen...

das wird in der Anfangszeit die mögliche Gesamtproduktion weit übersteigen, ist also doch ein Exklusivvertrag.
Auch bei den Exklusivverträgen, welche die USA abgeschlossen haben, werden nach Deckungen des eigenen Bedarfes die "Überschüsse" an die armen Länder verteilt werden. Was danach noch für die Entwicklungsländer übrigbleibt, kommt dann zu einem Zeitpunkt, wo die Seuche schon durch und die Toten schon begraben sind.
Die eigene Bevölkerung schützen zu wollen, ist Aufgabe eines Staates, und dass die Menschen in anderen (=ärmeren) Ländern dann draufgehen ist der Preis, den Grenzen und Nationalstaatentum erzwingen, aber lasst uns doch nicht behaupten, dass wir den USA moralisch überlegen sind, wenn wir "nur unseren Bedarf" decken.
Avatar #772524
Julius Senegal
am Freitag, 12. Juni 2020, 00:51

wie immer Blödsinn beim Impfgegner Catch-the-Day

Warum Hersteller von einer Haftung befreit sein sollen, ist Impfgegnerstuss.
So steht im AMG §§ 84 ff. etwas anderes drinnen.
Aber Impfgegner plappern halt gerne.
Avatar #771752
catch-the-day
am Donnerstag, 11. Juni 2020, 20:21

„ein riskanter und herausfordernder Prozess“

ist dies nicht für die Impfstoffhersteller, sondern für die Patienten, die einen nur minimal getesteten Impfstoff verabreicht bekommen sollen. Da es wahrscheinlich auch in der EU - wie in den USA - zu einer Haftungsfreistellung der Hersteller für Impfschäden kommen wird, liegt das gesundheitliche Risiko ausschließlich bei den Patienten, das finanzielle Risiko beim Steuer- bzw. Beitragszahler.
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