Ärzteschaft
KBV-Vertreterversammlung: Scharfe Kritik an der Gematik
Freitag, 12. Juni 2020
Berlin – Scharfe Kritik am Umgang der gematik mit dem jüngsten Störfall der Telematikinfrastruktur (TI) übte Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), heute auf der KBV-Vertreterversammlung.
Hier habe die TI-Betreibergesellschaft, bei der das Bundesgesundheitsministerium seit Mitte 2019 Hauptgesellschafter ist, „versagt“. „Die gematik ist für den Betrieb verantwortlich und damit auch verantwortlich für eine angemessene Reaktion und Kommunikation“, so Kriedel vor den Mitgliedern der VV.
Eine Resolution, in der unter anderem nachdrücklich gefordert wird, dass die Gematik zu ihrer Verantwortung steht, beschlossen die VV-Mitglieder einstimmig. Die Gematik sei sowohl für den technischen Betrieb verantwortlich als auch politisch für eine sichere Vernetzung des Gesundheitswesens.
Da künftig die Versorgung immer mehr von einer funktionsfähigen TI abhänge, sei es umso wichtiger, dass die TI reibungslos funktioniere und bei einem eventuellen Ausfall schnelle und für die Praxen aufwandsarme Lösungen vorgehalten werden. Die Gematik müsse für solche Problemfälle Notfallkonzepte erarbeiten, heißt es in der Resolution.
Tragweite der Störung unterschätzt
Man habe seitens der KBV, selbst Gesellschafter der Gematik, erst zwei Tage nach Auftritt der Panne überhaupt von dem Problem beim Onlineabgleich von Versichertenstammdaten erfahren, so Kriedel. Offensichtlich sei bei der Gematik zunächst niemandem die Tragweite des Problems für die Praxen bewusst gewesen. Auch die folgende Informationsstrategie sei erst im Laufe der Zeit besser geworden und lasse, beispielsweise zur Finanzierung der Folgekosten, immer noch Fragen offen.
Zwar habe die Gematik selbst zugesagt, dass Praxen für die Wiederinbetriebnahme der TI-Konnektoren nicht bezahlen müssen. Es sei bislang aber auch niemand benannt worden, der die Kosten übernehmen soll. Ärzte und Psychotherapeuten treffe keine Schuld an der Störung, deshalb müsse ihnen schnell und unbürokratisch geholfen werden. Dazu gehöre auch die „Garantie“, betonte Kriedel, dass sie nicht für den Schaden bezahlen müssen.
Der KBV-Vorstand habe sich Anfang Juni mit einem entsprechenden Schreiben an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gewandt – auch um darauf hinzuwirken, dass die Praxen nicht sanktioniert werden, wenn sie aufgrund der technischen Störung den Versichertenstammdatenabgleich (VSDM) nicht durchführen können. Noch habe man aber keine Antwort bezüglich einer rechtssicheren Klarstellung des BMG erhalten. Laut geltender Rechtslage müssen Praxen das VSDM bei jedem ersten Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal durchführen, anderenfalls drohen Honorarkürzungen.
Zu hoffen sei, so Kriedel, dass aus diesem Störfall ein Lernprozess für die Zukunft stattfinde. Denn ganz offensichtlich habe die Gematik keinerlei Vorkehrungen für derartige Worst-Case-Szenarien getroffen. Perspektivisch sei dringend ein anderer Umgang mit solchen Vorfällen erforderlich, da zeitnah weitere Anwendungen über die TI laufen sollen.
Wenn ab Anfang 2021 elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigen (eAU) und 2022 eRezepte abgewickelt werden sollen, brauche es angesichts der Konsequenzen eines TI-Ausfalls eine Ausfallsicherung, damit die Versorgung auch in technischen Störfällen uneingeschränkt weitergehen kann. Wenn beispielsweise auch die Apotheker an die TI angeschlossen seien, könnten pro Stunde 100.000 Rezepte auf der TI verschickt werden. Falls dann die TI ausfalle, sei als Rückfalloption derzeit nur ein Papierausdruck geplant.
Forderungen, man müsse angesichts der Pandemiesituation die eAU sowie das eRezept deutlich früher einführen, erteilte Kriedel eine Absage. „Das Ausstellen von elektronischen Dokumenten ist etwas anderes als das Einführen von Videosprechstunden.“
Arztpraxen auch im Konjunkturprogramm berücksichtigen
Generell zeige sich aber die „digitale Leistungsstärke“ der KBV: So werden die vier beauftragten Medizinischen Informationsobjekte (MIOs) rechtzeitig Ende 2020 fertig, dazu zählt auch der Mutterpass und das U-Heft für Kinder. Auch bekomme die KBV weitere MIOs per Gesetz zur Bearbeitung, ebenso beteiligten sich viele Verbände mit Ideen.
Kriedel setzte sich dafür ein, dass im Rahmen des Konjunkturprogrammes der Bundesregierung – das beim Thema Cybersicherheit unter anderem die Digitalisierung für die Krankenhäuser aufgreift – auch die Arztpraxen berücksichtigt werden sollten.
Generell werde es bei dem Thema Digitalisierung „nicht langweilig“. „Solange die Neuerungen mit Sinnhaftigkeit, in Balance mit dem Datenschutz sowie die haftungsrechtliche Absicherung haben, können wir das unterstützen.“ © bee/aha/aerzteblatt.de

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