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Ärzteschaft

KBV-Vertreter­versammlung: Übergang in Regelbetrieb im Fokus

Freitag, 12. Juni 2020

Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV. /Jürgen Gebhardt

Berlin – Man sei seitens der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in der Lage, den „pandemischen Alltag“ und die Regelversorgung gut zu bewältigen, betonte Petra Reis-Berkowicz, Vorsitzende der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), eingangs der der KBV-Vertreterversammlung am 12. Juni in Berlin.

Weil es in Deutschland ein gut funktionierendes Gesundheitssystem gebe, könne man jetzt mit Umsicht und mit Vorsicht, aber auch mit Zuversicht und ohne Angst den Weg zurück in die schmerzlich vermisste Normalität antreten, sagte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV.

Die Infektionszahlen würden sich auf eine Art und Weise entwickeln, die eine Rückkehr zur Regelversorgung in den Praxen zum „Gebot der Stunde“ mache. Die teils drastischen Rückgänge an Patienten, welche manche Facharztgruppen verzeichnen, seien alarmie­rend: Ein verschleppter Herzinfarkt oder ein zu spät entdeckter Tumor könnte folgenreicher als eine Coronainfektion sein.

Angesichts der „endzeitartigen Bildern aus italienischen Krankenhäusern“ habe die Politik mit dem weitgehenden Shutdown nahezu das ganze Land in eine Art künstliches Koma versetzt – dies gelte jedoch nicht für das KV-System. Die auf Hochtouren und sehr erfolgreich arbeitende ambulante Versorgung habe in Deutschland beim Infektions­geschehen und dessen Folgen den Unterschied im Vergleich zu anderen Ländern gemacht. Darauf könne man gemeinsam stolz sein.

Das KV-System hat den Krisentest bestanden

Selbst während der Hochphase der Coronakrise im April seien 85 Prozent der betroff­enen Patienten in den Praxen versorgt worden. In kürzester Zeit hätten die KVen und die niedergelassenen Ärzte, teilweise gemeinsam mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), ein flächendeckendes Netz von Test- und Versorgungseinrichtungen aufgebaut, betonte Gassen. So habe das KV-System unter anderem Fieberambulanzen, Testzentren, Infektionssprechstunden, mobile Teams, Schutzausrüstung und vieles mehr organisiert.

Und auch die gemeinsame Selbstverwaltung habe die ganze Zeit über funktioniert. Da aber vieles nur aufgeschoben wurde, müsse jetzt die Regelversorgung angesichts des immensen Nachholbedarfes wieder anlaufen – und zwar so schnell und umfassend wie möglich.

Praxen könnten in eine wirtschaftliche Schieflage geraten

Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender, verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es fatal wäre, wenn am Ende mehr Menschen durch das Aufschieben oder Aussetzen von Untersuchungen und Behandlungen zu Schaden kämen als durch COVID-19 selbst. Die Berichte und Zahlen aus einigen KVen, aber auch von Kollegen aus den Krankenhäusern, würden begründeten Anlass zur Sorge geben.

Wenn die Praxen weiter leer bleiben, werde das zudem nicht nur Auswirkungen auf die persönliche Lebensqualität sehr vieler behandlungsbedürftiger Menschen und auf die Krankheits- und Sterblichkeitsstatistiken haben. Viele Praxen würden dann wirtschaftlich so sehr in Schieflage geraten, dass auf Dauer auch kein finanzieller Schutzschirm mehr helfen könne. Deshalb bräuchten die Praxen vor allem die Möglichkeit, für die vielen Millionen Regelpatienten wieder da zu sein, so Hofmeister.

Er mahnte auch, dass der aktuelle Schub bei der Telemedizin als eine „Revolution“ verstanden werde. Es sei gut und wichtig gewesen, dass in der Krise dieses Instrument schnell genutzt werden konnte.

„Das ist gut, wenn ich den Patienten schon kenne“, so Hofmeister. Allerdings wehrte er sich gegen „eine Call-Center-Medizin“, wie es einige große Krankenkassen derzeit propagieren. „Die Online-Dienste können nur eine Ergänzung sein, keine eigenständige Versorgung.“

Ärzte keine Chronisten für die elektronische Patientenakte

Ebenso wehrte sich Hofmeister dagegen, dass laut aktueller Gesetzgebung im Patienten­datenschutzgesetz (PDSG) möglicherweise eine Delegation der Aktenverwaltung auf die Praxen geplant sein könnte. „Die Rolle des Arztes als Chronist für die ePA lehnen wir strikt ab.“

Auch in anderen Bereichen, warnte Hofmeister, würden mit der Pandemie nun viele Interessen der Ärzte in den Hintergrund treten. So seien in der Sitzung des erweiterten Bewertungsausschusses „die Hausärzte-Themen auf die lange Bank geschoben“ worden. Es habe auch keine Gegenvorschläge gegeben.

„Kaum scheint die Krise bewältigt, ist von Partnerschaft und konstruktiver Zusammen­arbeit mit dem GKV-Spitzenverband nicht mehr viel zu spüren“, so Hofmeister. Statt­dessen kommen neue Aufgaben auf die Kassenärztlichen Vereinigungen zu, beispiels­weise beim Thema Schutzausrüstung.

Bei dem Plan aus dem Bundesgesundheitsministerium, für Schutzausrüstungen eine „dauerhafte nationale Reserve anlegen zu wollen“ müssten die KVen nun darauf achten, „nicht erneut freiwillig in die Bresche zu springen. Denn es ist nicht damit getan, eine Lagerhalle zu mieten und diese mit Kartons zu füllen.“ Auch fehle der gesetzliche Auftrag dazu.

Erfreulich sei aber die Entwicklung im Bereich der Weiterbildung. Hier gebe es ein „wachsendes Interesse“ an einer Tätigkeit im ambulanten Bereich. So wurde die ambu­lante Weiterbildung im Jahr 2018 mit 280 Millionen Euro bezuschusst. Diese Mittel seien besonders in den Bereich der Hausärzte sowie der Pädiater geflossen.

Durchschnittsalter der Interessenten für die ambulante Weiterbildung sinkt

Auch das Durchschnittsalter der Ärztinnen und Ärzte, die sich für eine ambulante Weiterbildung interessieren, sinke: So seien die im hausärztlichen Bereich geforderten Ärzteinnen und Ärzte mit 38,3 Jahren inzwischen zwei Jahre jünger als im Bericht von 2016. Der Erfolg gerate aber inzwischen an seine Grenzen bei der Finanzierungs­vereinbarung.

„Die Regelung, dass KVen, welche die verlangte Zahl an zu fördernden Weiterbildungs­stellen nicht erreichen, die Förderung in anderen KVen mitfinanzieren sollen, hat nachvollziehbarer Weise zu Unmut geführt“, so Hofmeister. Er bat die Vertreter der KVen darum, hier zu einer Diskussion von „denkbaren Lösungen“ zu kommen. © bee/aha/aerzteblatt.de

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