Medizin
Studie: Mund-Nasen-Schutz wichtiger als Social Distancing
Montag, 15. Juni 2020
College Station/Texas – Die frühe Empfehlung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes war maßgeblich daran beteiligt, dass die Zahl der COVID-19-Erkrankungen in China schneller zurückging als in den meisten westlichen Ländern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Gruppe von Forschern in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS 2020; DOI:10.1073/pnas.2009637117).
In asiatischen Ländern haben viele Menschen bereits vor der SARS-CoV-2-Epidemie in der Öffentlichkeit einen Mund-Nasen-Schutz getragen. In Japan gehört dies bei Erkältungen seit längerem zum guten Ton, um andere Menschen nicht anzustecken. In China haben zuletzt viele Menschen wegen der starken Luftverschmutzung einen Mund-Nasen-Schutz getragen.
Als die chinesische Regierung Ende Januar einen Lockdown zunächst für die Provinz Hubei und später für weitere Städten verkündete, war der Mund-Nasen-Schutz ein selbstverständlicher Bestandteil der Maßnahmen.
Durch die gleichzeitige Einführung lässt sich der Stellenwert der einzelnen Maßnahmen in China nicht auseinander dividieren. Im westlichen Kulturkreis ist die Situation anders. Ein Mund-Nasen-Schutz wurde hier nur im Krankenhaus und dort in der Regel nur im Op-Saal oder auf Intensivstation getragen. Die Regierungen taten und tun sich deshalb schwer, der Bevölkerung zum Mund-Nasen-Schutz zu raten.
In Italien wurde die Empfehlung erst am 6. April nach 28 Tagen Lockdown ausgesprochen, in New York am 17. April nach 32 Tagen Lockdown. In den meisten anderen Städten und Staaten der USA folgte die Empfehlung zum Mund-Nasen-Schutz erst später, wenn überhaupt.
Die zeitlich versetzten Empfehlungen ermöglichen es den Epidemiologen, die Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen zu berechnen. So können Renyi Zhang von der Texas A&M University und Mitarbeiter zeigen, dass sich die Kurven in Italien und in New York deutlich abgeflacht haben, seitdem ein Mund-Nasen-Schutz vorgeschrieben ist.
Im Rest der USA ist dies nicht der Fall. Dort stiegen bis Mitte Mai die Erkrankungszahlen, obwohl der Bevölkerung zur sozialen Distanz geraten wurde und verschiedene Quarantäne-Regelungen („Stay at home“) galten.
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Zhang und Mitarbeiter kommen zu dem Ergebnis, dass der Mund-Nasen-Schutz in Italien bis zum 9. Mai 78.000 Infektionen verhindert hat. In New York hätte es ohne den Mund-Nasen-Schutz 66.000 Infektionen mehr gegeben.
Für Zhang ist die Schutzwirkung spätestens plausibel, seit fest steht, dass die Viren nicht nur über Tröpfchen übertragen werden, sondern auch über Aerosole, die über Stunden in der Luft bleiben können.
Vor diesem Hintergrund sei die soziale Distanzierung allein nicht mehr in der Lage, eine Übertragung zu verhindern, da sich die Personen bewegen und dabei Viren auch dort hinterlassen, wo sie sich später nicht mehr aufhalten. Nach Ansicht der Forscher ist ist der Mund-Nase-Schutz sogar die wichtigere Maßnahme. © rme/aerzteblatt.de

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