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Politik

Unabhängige Patientenberatung: Rechnungshof bemängelt Ausschreibungs­verfahren

Dienstag, 16. Juni 2020

/frank peters, stock.adobe.com

Berlin – Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) befristet auszuschreiben, hat sich aus Sicht des Bundesrechungshofes (BRH) nicht bewährt. Das geht aus dem als vertraulich ge­kennzeichneten BRH-Prüfbericht der UPD hervor, der dem Deutschen Ärzte­blatt (DÄ) vor­liegt. Als Grund gibt der BRH unter anderem eine hohe personelle Fluk­tuation an. Zu­dem führe das Vergabemodell zu einem „unwirtschaftlichen Einsatz“ von Fördermitteln.

Der BRH empfiehlt als Ergebnis der UPD-Prüfung – soweit die Politik an einer Patienten­beratung festhalten will – die UPD künftig in veränderter Trägerschaft in einer dafür ge­eigneten Einrichtung zu verstetigen. Dadurch ließen sich Probleme infolge einer perso­nellen Fluktuation „am ehesten begegnen“, heißt es im Report.

Der BRH nennt das Institut für Quali­tät und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQ­WiG) oder die Bundeszentrale für gesundheit­li­che Aufklärung (BZgA) als mögliche Träger. Alternativ könne eine neu zu errichtende Stiftung eine Alterna­tive darstellen, schreibt der BRH.

Ein Stiftungsmodell hatten Grüne und Linke bereits mehrfach in die politische Debatte eingebracht. Bislang war die Haltung der Bundesregierung, dass die UPD auch über das Ende der aktuellen Förderperiode im Jahr 2022 hinaus ausgeschrieben werden soll. Das liest sich auch in dem BRH-Bericht weiterhin so. Darin heißt es, dass weder das BMG, noch der GKV-Spitzenverband oder die UPD einen „zwingenden Anlass“ für gesetzliche Ände­rungen sehen.

BRH sieht Aufgaben beim Ministerium

Sollte die Politik an dem Ausschreibungsmodell festhalten, solle sichergestellt werden, dass die vom BRH festgestellten Mängel künftig nicht erneut auftreten. Zudem sollte die Höhe der finanziellen Mittel nach Möglichkeit in Abhängigkeit zum Um­fang und zur Ent­wicklung des Beratungsaufkommens stehen, schlagen die Prüfer vor.

In dem Gutachten wirft der BRH auch die Frage auf, ob die UPD die angepeilten Ziele er­reicht hat. Der BRH sieht das kritisch. So habe der GKV-Spitzenverband mehr­fach bean­stan­det, dass die Beratungskontakte die Zielwerte nicht erreicht hätten. Das BMG stellte sich hinter die UPD. Konkrete Ziele seien nicht verein­bart worden, heißt es.

Für die Zukunft empfiehlt der BRH dem Ministerium in dem Bericht, zügig Überlegungen zum Verfahren einer unabhän­gi­gen Patientenberatung „noch vor Ablauf der aktuellen För­­derphase anzustellen“. Falls der Betrieb der UPD nach der derzeitigen Förderphase Ende 2022 fortgesetzt werden solle, wären Vor­arbeiten durch das BMG wichtig, „um einen reibungs­losen Übergang zu einer neuen Patientenberatung sicherzustellen“.

Die Höhe der Leistungen sollte zudem nach Ansicht der Prüfer in einem angemessenen Verhältnis zum Beratungsaufwand stehen, der „transparent“ ausgewiesen sein sollte.

Kein Hinweis auf Beeinflussung

In Bezug auf die Unabhängkeit der Patientenberatung durch die UPD, an der es von Be­ginn an Zweifel gegeben hatte, schreibt der Rechnungshof, dass man dafür im Rahmen der Prüfung „keine Anhaltspunk­te“ gefunden habe.

Aller­dings erklären die Prüfer auch, dass die Abhängig­keit der UPD von Sanvartis und wei­­te­ren Unternehmen der Unternehmens­allianz in wirt­schaftlicher, organisatorischer und teilweise personeller Hinsicht „geeig­net“ sei, „den Ein­druck fehlender Unabhängig­keit und Neutralität in der Beratung hervorzuru­fen“.

Der BRH weist in dem Report weiter darauf hin, dass nach Ablauf der siebenjährigen För­derpe­rio­de fast ein Drittel der Fördersumme – mehr als 20 Millionen Euro – an die San­var­tis GmbH oder andere Mitglieder der Unternehmensallianz geflossen seien. Inwieweit letztendlich ein daraus resultierender Gewinn von Sanvartis für die erbrachten Leistun­gen angemessen sei, entziehe sich der Prüfung durch den BRH.

Bindungen an gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen hätten in den vergangenen Jahren Zweifel an der fachlichen Neutralität entstehen lassen, so der BRH weiter. Dem Risiko eines drohen­den Reputationsverlustes sollte künftig daher „mehr Beachtung ge­schenkt werden“, schreiben die Prüfer.

Die Prüfer empfehlen unter anderem, Leistungen künftig von der Erfüllung der Leistungs­verspre­chen ab­hängig zu machen und die dazu notwendigen Rechtsänderungen anzu­sto­ßen. Diese soll­ten Anreize für Leistungssteigerungen oder Leistungskürzungen im Falle nachgewiesener Minderleistung ermöglichen. Der BRH bemängelt in dem Report, dass der GKV-Spitzenverband seinen Gestaltungsspielraum bei der bisherigen Vertragsgestal­tung „nicht genügend“ genutzt hat.

Bericht ging an Haushalts- und Gesundheitsausschuss

Mit dem Bericht muss sich nun der Haushaltsausschuss des Bundestags befassen. Infor­ma­tionen des zufolge liegt der Report aber auch dem Vorsitzenden des Gesundheits­ausschusses, Erwin Rüddel, vor. Befasst haben sich die Ausschüsse mit dem Be­richt noch nicht.

Rüddel betonte auf Nachfrage des , er sei aktuell gemeinsam mit der gesundheitspoli­ti­schen Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag, im Gespräch mit der Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, wie die Patientenbe­ra­tung weiterentwickelt werden könne.

„Mit dem aktuellen, transparenten Ausschreibungsverfahren ist sichergestellt, dass es zu einer Vergabe an den Anbieter mit dem besten Angebot kommt“, sagte er dem . In ei­nem immer komplexer werdenden Gesundheitssystem werde eine gute, neutrale Bera­tung immer wichtiger. Der Patient müsse sich verbindlich auf das Ergebnis der Beratung verlassen können.

Rüddel betonte auch, das derzeitige Angebot habe deutliche Verbesserungen zu früheren Dienstleistungen der UPD gebracht. Dem Bundesrechnungshof zufolge gebe es aber teil­weise Doppelstrukturen. „Ein systemimmanentes Problem ist zudem, dass bei einem Trä­gerwechsel Strukturen wieder komplett neu aufgebaut werden müssen sowie Wissen und Erfahrung verloren gehen“, sagte er.

Der BRH habe als Lösung unterschiedliche Modelle vorgeschlagen, wie die UPD zukünftig organi­siert werden könnte. „Wichtig ist, eine transparente und effiziente Struktur zu si­chern, die in vollkommener Unabhängigkeit ihre Beratung durchführt. Das Stiftungsmo­dell kommt diesem Anspruch recht nah“, sagte der Ausschussvorsitzende. Man werde alle Vorschläge „gründlich überprüfen“ und in die weiterne Überlegungen mit einbeziehen.

UPD erbittet Signal aus der Politik

Von der UPD, die nach eigenen Angaben den finalen BRH-Bericht nicht vorliegen hat, hieß es, man habe mit dem BRH während der Prüfung auch über Herausforderungen gespro­chen, die sich aus der derzeitigen Struktur ergeben. Dazu gehöre die Begrenzung der Lauf­zeit und die sich daraus ergebenen Schwierigkeiten bei Personalgewinnung und Per­sonalbindung.

„Sollte dieser Aspekt in einem finalen Bericht enthalten sein, werden wir uns in eine Dis­kussion über denkbare Optionen für eine Verstetigung des Angebots unter dem Blick­win­kel eines bestmöglichen Beratungsnutzens für die Ratsuchenden gern einbringen“, so die UPD.

UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede sagte dem auf Nachfrage, es sei auf jeden Fall bis zum Jahresende ein Signal aus der Politik notwendig, ob und wie es mit der UPD weitergehen solle. Es sei ansonsten schwierig, die Mitarbeiter zu halten. Als problema­tisch bezeichne­te er es, dass durch Ausschreibungen, vorhandene Strukturen der UPD zer­stört werden. Krumwiede betonte, es seien verschiedene Modelle für die Zu­kunft vor­stellbar. Das müsse aber am Ende der Gesetz­geber entscheiden.

Der BRH hatte die UPD 2019 geprüft, nachdem es unter anderem Kritik an der Transpa­­renz und Fragen zur Finanzierung gegeben hatte. Nach Ansicht der Oppositionsfraktionen im Bundestag ist teilweise unklar, wofür die Fördergel­der im Einzelnen ausgegeben wer­den. Die UPD ist morgen auch Thema im Gesund­heits­ausschuss des Bundestags.

Die UPD ist eine Tochter des privatwirtschaftlichen Unternehmens Sanvartis, das 2016 den Zuschlag für die Patientenberatung erhielt. Die Förderperiode beträgt sieben Jahre. Sie läuft 2022 aus. Jährlich ste­hen rund neun Millionen Euro für die UPD bereit, die von der gesetzli­chen Kranken­ver­sicherung ge­tragen werden. © may/aerzteblatt.de

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