Politik
Unabhängige Patientenberatung: Rechnungshof bemängelt Ausschreibungsverfahren
Dienstag, 16. Juni 2020
Berlin – Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) befristet auszuschreiben, hat sich aus Sicht des Bundesrechungshofes (BRH) nicht bewährt. Das geht aus dem als vertraulich gekennzeichneten BRH-Prüfbericht der UPD hervor, der dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegt. Als Grund gibt der BRH unter anderem eine hohe personelle Fluktuation an. Zudem führe das Vergabemodell zu einem „unwirtschaftlichen Einsatz“ von Fördermitteln.
Der BRH empfiehlt als Ergebnis der UPD-Prüfung – soweit die Politik an einer Patientenberatung festhalten will – die UPD künftig in veränderter Trägerschaft in einer dafür geeigneten Einrichtung zu verstetigen. Dadurch ließen sich Probleme infolge einer personellen Fluktuation „am ehesten begegnen“, heißt es im Report.
Der BRH nennt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) oder die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) als mögliche Träger. Alternativ könne eine neu zu errichtende Stiftung eine Alternative darstellen, schreibt der BRH.
Ein Stiftungsmodell hatten Grüne und Linke bereits mehrfach in die politische Debatte eingebracht. Bislang war die Haltung der Bundesregierung, dass die UPD auch über das Ende der aktuellen Förderperiode im Jahr 2022 hinaus ausgeschrieben werden soll. Das liest sich auch in dem BRH-Bericht weiterhin so. Darin heißt es, dass weder das BMG, noch der GKV-Spitzenverband oder die UPD einen „zwingenden Anlass“ für gesetzliche Änderungen sehen.
BRH sieht Aufgaben beim Ministerium
Sollte die Politik an dem Ausschreibungsmodell festhalten, solle sichergestellt werden, dass die vom BRH festgestellten Mängel künftig nicht erneut auftreten. Zudem sollte die Höhe der finanziellen Mittel nach Möglichkeit in Abhängigkeit zum Umfang und zur Entwicklung des Beratungsaufkommens stehen, schlagen die Prüfer vor.
In dem Gutachten wirft der BRH auch die Frage auf, ob die UPD die angepeilten Ziele erreicht hat. Der BRH sieht das kritisch. So habe der GKV-Spitzenverband mehrfach beanstandet, dass die Beratungskontakte die Zielwerte nicht erreicht hätten. Das BMG stellte sich hinter die UPD. Konkrete Ziele seien nicht vereinbart worden, heißt es.
Für die Zukunft empfiehlt der BRH dem Ministerium in dem Bericht, zügig Überlegungen zum Verfahren einer unabhängigen Patientenberatung „noch vor Ablauf der aktuellen Förderphase anzustellen“. Falls der Betrieb der UPD nach der derzeitigen Förderphase Ende 2022 fortgesetzt werden solle, wären Vorarbeiten durch das BMG wichtig, „um einen reibungslosen Übergang zu einer neuen Patientenberatung sicherzustellen“.
Die Höhe der Leistungen sollte zudem nach Ansicht der Prüfer in einem angemessenen Verhältnis zum Beratungsaufwand stehen, der „transparent“ ausgewiesen sein sollte.
Kein Hinweis auf Beeinflussung
In Bezug auf die Unabhängkeit der Patientenberatung durch die UPD, an der es von Beginn an Zweifel gegeben hatte, schreibt der Rechnungshof, dass man dafür im Rahmen der Prüfung „keine Anhaltspunkte“ gefunden habe.
Allerdings erklären die Prüfer auch, dass die Abhängigkeit der UPD von Sanvartis und weiteren Unternehmen der Unternehmensallianz in wirtschaftlicher, organisatorischer und teilweise personeller Hinsicht „geeignet“ sei, „den Eindruck fehlender Unabhängigkeit und Neutralität in der Beratung hervorzurufen“.
Der BRH weist in dem Report weiter darauf hin, dass nach Ablauf der siebenjährigen Förderperiode fast ein Drittel der Fördersumme – mehr als 20 Millionen Euro – an die Sanvartis GmbH oder andere Mitglieder der Unternehmensallianz geflossen seien. Inwieweit letztendlich ein daraus resultierender Gewinn von Sanvartis für die erbrachten Leistungen angemessen sei, entziehe sich der Prüfung durch den BRH.
Bindungen an gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen hätten in den vergangenen Jahren Zweifel an der fachlichen Neutralität entstehen lassen, so der BRH weiter. Dem Risiko eines drohenden Reputationsverlustes sollte künftig daher „mehr Beachtung geschenkt werden“, schreiben die Prüfer.
Die Prüfer empfehlen unter anderem, Leistungen künftig von der Erfüllung der Leistungsversprechen abhängig zu machen und die dazu notwendigen Rechtsänderungen anzustoßen. Diese sollten Anreize für Leistungssteigerungen oder Leistungskürzungen im Falle nachgewiesener Minderleistung ermöglichen. Der BRH bemängelt in dem Report, dass der GKV-Spitzenverband seinen Gestaltungsspielraum bei der bisherigen Vertragsgestaltung „nicht genügend“ genutzt hat.
Bericht ging an Haushalts- und Gesundheitsausschuss
Mit dem Bericht muss sich nun der Haushaltsausschuss des Bundestags befassen. Informationen des DÄ zufolge liegt der Report aber auch dem Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel, vor. Befasst haben sich die Ausschüsse mit dem Bericht noch nicht.
Rüddel betonte auf Nachfrage des DÄ, er sei aktuell gemeinsam mit der gesundheitspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag, im Gespräch mit der Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, wie die Patientenberatung weiterentwickelt werden könne.
„Mit dem aktuellen, transparenten Ausschreibungsverfahren ist sichergestellt, dass es zu einer Vergabe an den Anbieter mit dem besten Angebot kommt“, sagte er dem DÄ. In einem immer komplexer werdenden Gesundheitssystem werde eine gute, neutrale Beratung immer wichtiger. Der Patient müsse sich verbindlich auf das Ergebnis der Beratung verlassen können.
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Rüddel betonte auch, das derzeitige Angebot habe deutliche Verbesserungen zu früheren Dienstleistungen der UPD gebracht. Dem Bundesrechnungshof zufolge gebe es aber teilweise Doppelstrukturen. „Ein systemimmanentes Problem ist zudem, dass bei einem Trägerwechsel Strukturen wieder komplett neu aufgebaut werden müssen sowie Wissen und Erfahrung verloren gehen“, sagte er.
Der BRH habe als Lösung unterschiedliche Modelle vorgeschlagen, wie die UPD zukünftig organisiert werden könnte. „Wichtig ist, eine transparente und effiziente Struktur zu sichern, die in vollkommener Unabhängigkeit ihre Beratung durchführt. Das Stiftungsmodell kommt diesem Anspruch recht nah“, sagte der Ausschussvorsitzende. Man werde alle Vorschläge „gründlich überprüfen“ und in die weiterne Überlegungen mit einbeziehen.
UPD erbittet Signal aus der Politik
Von der UPD, die nach eigenen Angaben den finalen BRH-Bericht nicht vorliegen hat, hieß es, man habe mit dem BRH während der Prüfung auch über Herausforderungen gesprochen, die sich aus der derzeitigen Struktur ergeben. Dazu gehöre die Begrenzung der Laufzeit und die sich daraus ergebenen Schwierigkeiten bei Personalgewinnung und Personalbindung.
„Sollte dieser Aspekt in einem finalen Bericht enthalten sein, werden wir uns in eine Diskussion über denkbare Optionen für eine Verstetigung des Angebots unter dem Blickwinkel eines bestmöglichen Beratungsnutzens für die Ratsuchenden gern einbringen“, so die UPD.
UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede sagte dem DÄ auf Nachfrage, es sei auf jeden Fall bis zum Jahresende ein Signal aus der Politik notwendig, ob und wie es mit der UPD weitergehen solle. Es sei ansonsten schwierig, die Mitarbeiter zu halten. Als problematisch bezeichnete er es, dass durch Ausschreibungen, vorhandene Strukturen der UPD zerstört werden. Krumwiede betonte, es seien verschiedene Modelle für die Zukunft vorstellbar. Das müsse aber am Ende der Gesetzgeber entscheiden.
Der BRH hatte die UPD 2019 geprüft, nachdem es unter anderem Kritik an der Transparenz und Fragen zur Finanzierung gegeben hatte. Nach Ansicht der Oppositionsfraktionen im Bundestag ist teilweise unklar, wofür die Fördergelder im Einzelnen ausgegeben werden. Die UPD ist morgen auch Thema im Gesundheitsausschuss des Bundestags.
Die UPD ist eine Tochter des privatwirtschaftlichen Unternehmens Sanvartis, das 2016 den Zuschlag für die Patientenberatung erhielt. Die Förderperiode beträgt sieben Jahre. Sie läuft 2022 aus. Jährlich stehen rund neun Millionen Euro für die UPD bereit, die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden. © may/aerzteblatt.de

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