Medizin
Low-dose Dexamethason senkt Sterblichkeit bei schweren Verlaufsformen von COVID-19
Dienstag, 16. Juni 2020
Oxford – Eine niedrig-dosierte Behandlung mit dem Steroid Dexamethason kann die Sterblichkeit von Patienten senken, die nach einer Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden.
Dies zeigen die Ergebnisse der britischen RECOVERY-Studie, die jetzt in einer Pressemitteilung vorgestellt wurden. Eine Publikation steht noch aus.
Die RECOVERY-Studie (Randomised Evaluation of COVid-19 thERapY) ist mit mehr als 11.500 Teilnehmern, die seit März an 175 Kliniken des staatlichen Gesundheitsdienstes (NHS) behandelt wurden, die weltweit größte klinische Studie zur Behandlung von COVID-19.
Von den 6 Unterstudien sind inzwischen 2 abgeschlossen. Vor wenigen Tagen waren die Negativergebnisse zur Behandlung mit Hydroxychloroquin veröffentlicht worden. Sie hatten die US-Arzneimittelbehörde FDA bewogen, die Erlaubnis zum Einsatz des Mittels außerhalb von klinischen Studien zurückzuziehen.
Jetzt stellt ein Team um Peter Horby von der Universität Oxford die Ergebnisse zu einer zweiten Unterstudie vor. Dort waren 2.104 Patienten 10 Tage lang 1 Mal täglich mit 6 mg Dexamethason oder Placebo (entweder oral oder als intravenöse Injektion) behandelt worden.
In der Placebogruppe war die 28-Tage-Sterblichkeit, der primäre Endpunkt der Studie, hoch. Von den Patienten, die mechanisch beatmet wurden, starben 41 %. Unter den Patienten mit einer nicht-invasiven Sauerstoffbehandlung betrug die Sterblichkeit 25 % und bei den Patienten ohne Atemintervention 13 %.
Die Behandlung mit Dexamethason reduzierte die 28-Tage-Sterblichkeit der mechanisch beatmeten Patienten um 35 % (Rate Ratio 0,65; 95-%-Konfidenzintervall 0,48 bis 0,88). In der zweiten Gruppe der mit Sauerstoff behandelten Patienten sank die 28-Tage-Sterblichkeit um 20 % (Rate Ratio 0,80; 0,67 bis 0,96). Bei den Patienten, die keine Unterstützung der Atmung benötigten, erzielte Dexamethason keine Wirkung (Rate Ratio 1,22; 0,86 bis 1,75).
Damit hat sich Dexamethason als klinisch relevante Therapie erwiesen. Horby ermittelt eine Number Needed to Treat (c) von 8 bei den mechanisch beatmeten Patienten und von 25 bei den nicht-invasiv mit Sauerstoff behandelten Patienten. Die NNT ist die Zahl der Patienten, die behandelt werden müssen, um bei einem die gewünschte Wirkung zu erzielen. Sie ist ein Maß für die klinische Relevanz, die umso größer ist, je niedriger die NNT ausfällt.
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Die Leitung des NHS hat Dexamethason unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse zum Behandlungsstandard bei COVID-19 erklärt. Die RECOVERY-Studie untersucht derzeit noch 4 weitere Behandlungen.
Dies ist einmal die Gabe des HIV-Medikaments Lopinavir-Ritonavir, das in Laborversuchen eine Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 erzielt hatte. Die zweite Unterstudie prüft die Wirksamkeit des häufig eingesetzten Makrolid-Antibiotikums Azithromycin (das unter anderem die Wirksamkeit des inzwischen obsoleten Hydroxychloroquin verstärken sollte).
In der dritten verbliebenen Unterstudie kommt der Antikörper Tocilizumab zum Einsatz, der durch Blockade des Interleukin 6-Rezeptors einen Zytokinsturm aufhalten soll. In der vierten Unterstudie wird die Wirksamkeit einer Serumtherapie untersucht, die die Immunabwehr der Erkrankten durch die Antikörper von Genesenen unterstützen soll. © rme/aerzteblatt.de

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